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# taz.de -- Neues Album von Pogendroblem: Chauvinismus at its best
> Knappe Titel, derbe Themen, 10 Songs in 18 Minuten. Vier Jungs aus
> Bergisch-Gladbach und Köln machen Alte-Schule-Punk.
Bild: Für den Bandnamen wurden möglicherweise einige Gläser geleert oder Tü…
In seiner gelungenen Ausführung war Punk schon immer die Kunst der
Verknappung, des griffigen Claims: „Boredom“ und „I don’t mind“, sang…
Buzzcocks; „No Fun“ und „Liar“ krähte Johnny Rotten von den Sex Pistol…
„My dad sucks“ und „I like Food“ hieß es bei den kalifornischen
Descendents. Mehr Reduktion geht nicht.
Das sollte auch gut 40 Jahre nach dem Urknall noch funktionieren, dachten
sich wohl vier Jungs aus Bergisch-Gladbach und Köln, gaben sich den Namen
Pogendroblem (für den möglicherweise einige Gläser geleert bzw. Tüten
geraucht werden mussten) und starteten vor vier Jahren eine Band, die
diesen Ansatz ins Zeitalter des Digitalkapitalismus überträgt. „Erziehung
zur Müdigkeit“ heißt ihr Debütalbum, die Songs darauf sind ähnlich schlic…
betitelt wie bei den Punk-Urvätern: „Alles Brei“, „Gebrochen“, „Netz…
und „Scheißwelt“.
Musikalisch ist Alte-Schule-Punk angesagt, Anleihen an den PS-stärkeren
US-Hardcore der Achtziger klingen durch – für 10 Songs braucht das Quartett
18 Minuten. Die Stücke sind straight und flott, nur das abschließende
„Dabben im Nachtbus“, das dröhnend und feedbackreich mäandert, bildet ein…
experimentelleren Ausreißer. Da hört man, dass auch NoWave und jüngere
Noisepunk-Acts wie No Age ihre Spuren hinterlassen haben.
Es gibt einige große Themen, die sich durch das Album ziehen: Das
Nebeneinander von Selbstoptimierung und Selbstausbeutung, von Party und
Prekariat, von Exzess und Sedierung. Gleich das Auftaktstück „Alles Brei“,
das mit einer krachigen, mit Hall belegten Gitarre beginnt, ehe die Drums
losbrettern, setzt da den Ton: „Yogi Tee, Crack, Ritalin / Melbourne,
Budapest, Berlin / Fitness, Ficken, Feierei / Alles Brei / Hi-Fi, Lo-Fi,
DIY / Alles Brei / Und ich schwimme durch die Stadt“, krakeelt Sänger und
Gitarrist Gero in charakteristischem, krächzend-kehligem Gesang.
## Gewerkschaftstauglicher Song
Um den Opportunismus des Netzzeitalters geht es dagegen im Song mit dem
etwas irreführenden Titel „Schnöselpunx“. Dessen einleitende Zeilen treff…
den Gegenwartsgeist punktgenau: „Auf dem täglichen Feldzug der
Selbstoptimierung / Tu ich alles für die Normalbiographie / Für Bedürfnisse
heißt das meist Stornierung / Perfektionismus als Lebensphilosophie“, heißt
es darin.
Und mit „Foodorable“ gibt es auch einen gewerkschaftstauglichen Song über
die Fastfoodliefersklaven von heute: „Ich lebe gesund / vom Fahrrad in den
Mund (…) und egal ob beim Lieferservice oder Johann Lafer / Mundraub bleibt
nicht strafbar“, heißt es da.
Insgesamt also alles andere als blöd, was Pogendroblem da abliefern, aber
auch einige plattere Stücke seien erwähnt. „Gebrochen“ etwa ist ein Song
über Polizeigewalt, von dem es schon circa 150 der gleichen Machart gibt
und das nicht noch mal aufgewärmt gehört und das irgendwie suggeriert, man
lebe in einem Polizeistaat (die Phrasen darin: „Jetzt bist du Scherge des
Systems“, „nur Gehorchen – nicht verstehn“).
## Der Sound der Enkelgeneration
Zum Glück aber gibt es mit „[1][Hambacher Forst] > Hambacher Fest“ einen
thematisch ähnlich gelagerten Song, der doppelbödiger und ironischer
daherkommt und einen gelungenen geschichtlichen Schlenker nimmt („Du lebst
[2][Chauvinismus] at it’s best / Und hast ödipale Träume / Ich mag Bäume�…
Rund um Pogendroblem, die alle Anfang bis Mitte zwanzig sind – und die
neben Gero noch aus dem zweiten Sänger und Gitarristen Frieder, Bassist Lau
und Drummer Marc bestehen (sie nennen nur ihre Vornamen) – scheint sich
jedenfalls eine vitale Szene gebildet zu haben; personelle Überschneidungen
gibt es etwa zu Bands mit klingenden Namen wie Gordon Bleu
(Dada-Krach-Synthpunk), Reiche Weiße Cismänner (Rumpelpunk) und
HerrinGedeck (Jugendzentrumspunk).
Schick aufgemacht ist „Erziehung zur Müdigkeit“, das Cover ziert eine so
eindrückliche wie deprimierende Schwarz-Weiß-Fotografie, die einen
sterilen, menschenleeren Korridor zeigt – Assoziationen an den toten Trakt
werden wach. Das erinnert an die jüngeren Werke der Mönchengladbacher
Methusalem-Punks EA80. Auch das passt ganz gut, denn die Kollegen von der
anderen Rheinseite sind eine Inspiration für Pogendroblem – auch wenn der
Sound der Enkelgeneration rotziger und rabiater daherkommt.
12 Jan 2019
## LINKS
[1] /Polizeieinsatz-im-Hambacher-Forst/!5561033
[2] /Kolumne-Eier/!5557978
## AUTOREN
Jens Uthoff
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