# taz.de -- Architekturführer für Barcelona: Eine Stadt erfindet sich ständi… | |
> Klaus Englert schildert die Entstehung einer modernen Metropole. Er nimmt | |
> auch Gebäude in den Blick, die in Reiseführern zu kurz kommen. | |
Bild: Der Endesa Pavillion im Stadtteil Poblenou | |
Keine Stadt auf der iberischen Halbinsel zieht so viele Besucher an wie | |
Barcelona. Die katalanische Hauptstadt entwickelt sich ständig weiter. Das | |
macht die Mittelmeermetropole im Nordosten Spaniens für Touristen und | |
Architekturliebhaber zu einem ganz besonderen Ort. Der freie Journalist | |
Klaus Englert untersucht im Detail die Faszination, die Barcelona ausübt. | |
In seinem „Architekturführer Barcelona“ beschreibt er, was die mediterrane | |
Stadt war, was sie ist, und wohin sie geht. | |
Die „permanente Neuerfindung“ Barcelonas zieht sich wie ein roter Faden | |
durch Englerts Buch. Stadtpläne aus unterschiedlichen Epochen zeigen, wie | |
die mediterrane Metropole gewachsen ist und wie Großereignisse, von der | |
Weltausstellung über die Olympischen Spiele bis hin zum Internationalen | |
Kulturforum die Stadtentwicklung nachhaltig geprägt haben. | |
Das gegenwärtige Barcelona ist das Ergebnis eines langen, dynamischen | |
Transformationsprozesses, der dem von Paris nicht ganz unähnlich ist. Nach | |
Abriss der Stadtmauer Mitte des 19. Jahrhunderts entstand rund um die | |
Altstadt ein breites Netz aus quadratischen Straßenzügen, das Eixample. Die | |
dort gebauten Blocks haben alle große Freiflächen im Inneren. Die | |
Architekten dachten an die Menschen, an Licht und Luft zum Leben. | |
Eingewoben in dieses Netz der quadratischen Straßenzüge finden sich alte | |
Siedlungskerne, von denen mancher bis auf die Zeit der Römer zurückgeht. | |
## Großzügiger Grundriss | |
Öffentliche Gebäude und die der großen Unternehmen können in diesem | |
großzügig angelegten Grundriss der Stadt ihre ganze Pracht entwickeln. Und | |
dort, wo sie im alten Teil der Stadt entstanden, wurde die Umgebung | |
entsprechend angepasst. Diese Stadterweiterung ist geprägt von der | |
architektonischen Avantgarde der 1920er Jahre. | |
In einem ausführlichen Einleitungskapitel beschreibt Englert die Geschichte | |
des modernen Barcelona und berichtet dabei nicht nur darüber, was heute zu | |
sehen ist, sondern auch darüber, was nicht mehr zu sehen oder nur mit einem | |
geschulten Blick ausfindig zu machen ist. Besonderes Augenmerk widmet | |
Englert dem „Modelo Barcelona“, der Stadtentwicklung nach Ende der | |
Franco-Diktatur, ab 1975. | |
Aus einer Innenstadt rund um den Hafen, mit dunklen Ecken voller | |
Prostitution und Kleinkriminalität, wurde ein Zentrum mit einem breiten | |
Netz an Plätzen, öffentlichen Einrichtungen, Museen, Kulturzentren, | |
Bibliotheken, Markthallen und neuen Boulevards. Nicht immer war die | |
Verwandlung Barcelonas, die rund um die Olympischen Spiele 1992 ihren | |
Höhepunkt erlebte, unumstritten. | |
## Die Flaniermeile | |
Letztes Beispiel sind die Stadtteile links und rechts der Flaniermeile | |
Rambla, die Ende des letzten Jahrhunderts saniert wurden. So mancher | |
Straßenzug musste neuen Freiflächen und neuen öffentlichen Gebäuden | |
weichen. Das Ergebnis ist eine der freundlichsten Städte Europas für | |
Bewohner*innen und Besucher*innen gleichermaßen. Oriol Bohigas, Enrique | |
Sobejano und Ricardo Bofill sind nur einige der Architekten dieser Epoche, | |
die in Englerts Buch in ausführlichen Interviews zu Wort kommen, um zu | |
beschreiben, was sie bewegt und wie sie ihre Stadt sehen. | |
So informiert, wird der Architekturführer erst richtig spannend und | |
nützlich. Englert stellt über 200 Gebäude vor. Er widmet den bekannten | |
alten und neuen Wahrzeichen der Stadt, von der Torre Agbar über Gaudis nie | |
fertig werdende Kirche Sagrada Família bis hin zur Torre Telefónica oder | |
Verwaltungsgebäuden wie dem Palau de la Capitania General oder dem | |
Instituto Nacional de Estadística ausführliche Kapitel. | |
Doch damit nicht genug. Es sind die Gebäude, die sonst in Reiseführern zu | |
kurz kommen oder gar nicht vorgestellt werden, denen Englert einen Großteil | |
seines Werkes widmet. Schulen, Bibliotheken, Stadtteilzentren und selbst | |
Hotels, Bahnhöfe, Parks und Plätze werden beschrieben. | |
Barcelona setzt hier auf besondere Architektur statt auf tausendmal | |
wiederholte Zweckgebäude. Das macht die Stadt so besonders. Englert ordnet | |
die Bauten nicht nach Stadtteilen, sondern nach ihrer Funktion. Was dabei | |
entsteht, ist eine 500-Seiten-Inventarliste dessen, was Barcelona so | |
interessant und so anders macht. Englerts Architekturführer sollte deshalb | |
im Reisegepäck nicht fehlen. | |
17 Jan 2019 | |
## AUTOREN | |
Reiner Wandler | |
## TAGS | |
Barcelona | |
Klaus Englert | |
Architektur | |
Sagrada Família | |
Antoni Gaudí | |
Eixample | |
Poblenou | |
Barcelona | |
Stadtplanung | |
Barcelona | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Mittelalter als Touristenattraktion: Der Gòtic-Fake | |
Barcelonas mittelalterliches Viertel ist eine Erfindung des 20. | |
Jahrhunderts. Architektonisch stark umgestaltet wurde es systematisch zum | |
touristischen Ziel. | |
Architekturprofessor über Barcelona: „Kalt und leer im Neubauviertel“ | |
Aus der einstigen sozialdemokratischen Vorzeigestadt Barcelona wurde ein | |
Luxushostel. Wohnungsdezernent Josep María Montaner will das ändern. | |
Stadtumbau in Barcelona: Ächzen unter den Touristenströmen | |
Ende der „gelebten Sozialdemokratie“? Potente Investoren aus Katar, | |
Konsumismus und Wirtschaftskrise setzen der katalanischen Metropole schwer | |
zu. |