# taz.de -- Ein dänisches Blatt wird grün: JournalistInnen heben nicht mehr ab | |
> Die Tageszeitung „Politiken“ hat neuerdings strenge Regeln zum | |
> Klimaschutz. Geflogen wird nur, wenn es absolut nötig ist. | |
Bild: Für die dänische Zeitung „Politiken“ gilt zukünftig: Lieber warten… | |
Ein bisschen zu großspurig dahergeredet hat Christian Jensen, | |
Chefredakteur [1][der liberalen dänischen Zeitung Politiken]. Jetzt muss er | |
beweisen, dass sein Blatt so klimafreundlich ist, wie es tut. Denn zur | |
Klimakonferenz im polnischen Kattowitz im Dezember verkündete Jensen: „Wir | |
haben den Ernst der Lage verstanden“, und versprach seinen LeserInnen, das | |
Klimathema werde von jetzt an noch mehr zum Schwerpunkt. Politiken wolle | |
„Dänemarks Klimazeitung Nummer 1“ werden. „Ab jetzt wird gehandelt und | |
nicht mehr nur geredet.“ | |
Die Leserschaft war begeistert – forderte dann aber auch genau das: | |
Politiken solle doch gefälligst erst einmal bei sich selbst anfangen. | |
„Klimaheuchelei“ habe die Redaktion sich vorwerfen lassen müssen, sagt | |
Jensen. „Wie könnt ihr euch Klimazeitung nennen wollen, wenn Euer Reiseteil | |
voll ist mit Anzeigen für Flugreisen, [2][die zur CO2-Schweinerei | |
beitragen] und unseren Planeten zu ersticken drohen?“ Oder: „Wie könnt ihr | |
die Leser mit Reportagen über Wochenendreisen nach Singapur oder Vietnam | |
locken?“ | |
Eine durchaus berechtigte Kritik sei das, gesteht Jensen, weshalb er sich | |
nun entschlossen habe, weiter zu gehen als nur thematisch mehr zum Klima zu | |
machen: „Wir ändern die Art und Weise, wie wir selbst reisen und wie wir | |
über das Reisen berichten.“ | |
Das heißt: Bei dienstlichen Inlandreisen der rund 1.000 | |
Politiken-Angestellten soll das Flugzeug in Zukunft keine Option mehr sein. | |
Die werden mit Bahn und Bus zurückgelegt, „außer ein Flug ist absolut | |
notwendig“, sagt Jensen. Zwar ist Dänemark recht klein, trotzdem wird viel | |
geflogen. | |
## Mehr Zeit für besseres Klima | |
Die Hauptstrecke innerdänischen Flugverkehrs für Geschäftsleute verläuft | |
zwischen Sjaelland, der Insel, auf der Kopenhagen liegt, und Jütland, dem | |
„Festland“, und dort vor allem den Städten Aarhus und Aalborg. Diese Flüge | |
dauern zwischen 40 und 45 Minuten, die Bahnreise dagegen zwischen 3 und 5 | |
Stunden. Diesen zeitlichen Mehraufwand will die Zeitung nun ihren | |
MitarbeiterInnen zumuten – der Klimabilanz zuliebe. | |
Auch der Reiseteil soll sich radikal verändern. Zwar gehören Reiseannoncen | |
zur wirtschaftlichen Grundlage der Zeitung. Darauf könne man nicht | |
verzichten. Trotzdem will Politiken in Zukunft weniger Reisen zu anderen | |
Kontinenten und mehr Möglichkeiten für Urlaub innerhalb Dänemarks und in | |
europäischen Nachbarländern abbilden. | |
Pro Reiseteil sei nur noch maximal ein Überseeziel erlaubt. „Wir wollen ein | |
Bewusstsein dafür schaffen, dass man nicht um den halben Globus reisen | |
muss, um etwas Tolles zu erleben.“ Eine Rubrik mit Wochenendreisen, die | |
fast durchweg nur per Flugzeug realisierbar sind, werde deshalb mit | |
sofortiger Wirkung eingestellt. | |
Der erste 40-seitige Reiseteil, mit dem Politiken am vergangenen Sonntag | |
das neue Konzept verwirklichte, macht unter der Rubrik „Reisen ohne zu | |
fliegen“ mit einer Bahn- und Busreise zu den nordnorwegischen Lofoten auf, | |
bei der der Reisende einen CO2-Fußabdruck von nicht mehr als 164 kg/Person | |
hinterlässt. Mit Flugzeug oder Auto wäre es fast viermal so viel. | |
## Glaube an flexible Gewohnheiten | |
Ein Skiurlaub ins schwedische Ulricehamn muss die Atmosphäre mit nicht mehr | |
als 26 kg/Person belasten, beim Trip nach Weimar und Dessau brauchen es | |
nicht mehr als 55 kg/Person zu sein. Und warum nicht per Bahn und Bus mit | |
einer CO2 -Belastung von 236 kg/Person ins portugiesische Alentejo, statt | |
mit dem Flugzeug die Klimabilanz mit 836 kg/Person zu verschlechtern? Damit | |
man solche Vergleichszahlen für alle möglichen Reiseziele selbst ausrechnen | |
kann, gibt es auf der Website von Politiken auch einen „Klimarechner“. | |
Völlig verständnislos reagiert auf all das die Boulevardzeitung | |
Ekstrabladet, die beim selben Verlag erscheint. „Typisch Politiken“, sei | |
das, meint Chefredakteur Poul Madsen. „Solcher Reisejournalismus ist nichts | |
für uns. Unsere Leser wollen wissen, wie sie am billigsten Urlaub machen | |
können.“ Politiken könne ja gerne „Ablasshandel“ betreiben, für | |
Ekstrabladet würden „Klimaferien“ erst Thema werden, wenn die Leser dies | |
wollten. „Medien sollten nicht zu hysterisch werden.“ | |
„Wir wollen unseren Lesern doch nichts vorschreiben“, verteidigt sich | |
Jensen. „Wir glauben aber, dass wir Gewohnheiten ändern können.“ | |
9 Jan 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://politiken.dk/ | |
[2] /Unerwuenschte-Folgen-des-Reisens/!5516458 | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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