Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Krankschreibung per Ferndiagnose: Liegen-Bleiben mit Dr. Whatsapp
> Per Whatsapp können sich Erkältete bei einem Hamburger Unternehmen eine
> Krankschreibung kaufen. Die Ärztekammern prüfen die Rechtslage.
Bild: Krankschreibung, ohne das Bett zu verlassen: Ein Unternehmen bietet das E…
Hamburg taz | Wenige Klicks, ein paar Fragen beantworten, die
Versicherungsdaten und Anschrift eingeben und schon kommt die
Krankschreibung erst auf’s Handy und dann per Post nach Hause. Im besten
Fall gleich für ganze fünf Tage, das Ganze kostet nur neun Euro. Seit Ende
Dezember bietet ein Hamburger Unternehmen genau das an: die Krankschreibung
per Whatsapp. Die Nachfrage ist nach Angaben des Gründers groß, doch
Ärzt*Innen sehen die Gesundheit der Patient*Innen gefährdet und zweifeln an
der Rechtmäßigkeit des Angebots.
Bisher gibt es dort Krankschreibungen nur wegen einer Erkältung. Eine
Ärztin prüft nach der Beantwortung einiger Fragen, ob die Symptome passen
und unterzeichnet dann die Krankschreibung. Wenn eine Nutzerin oder ein
Nutzer beispielsweise angibt, auch Symptome einer Grippe zu haben, dann
bekäme sie oder er die Nachricht, dass das Angebot nicht zur Verfügung
stehe, erklärt Gründer Can Ansay. Höchstens zweimal im Jahr könne man so
eine Krankschreibung bekommen.
Ansay ist Rechtsanwalt, verklagte in der Vergangenheit Banken wegen
falscher Beratung und entwickelte eine Virtual Reality-Brille. Jetzt macht
er in Gesundheit. „Meine Mutter ist Ärztin und wir haben viele Ärzte in der
Familie“, sagt Ansay. Die genutzten Erkältungssymptome seien
wissenschaftlich belegt und klar von anderen Erkrankungen zu unterscheiden.
Die Nutzer*innen seines Angebots würden Zeit sparen und die überfüllten
Wartezimmer der Ärzt*innen entlasten, sagt er.
„Mit der bloßen Abfrage von Symptomen kann man nicht sorgfältig medizinisch
arbeiten“, kritisiert Nicola Timpe, Sprecherin der Hamburger Ärztekammer.
„Wer kann denn garantieren, dass der Mensch, der da Daten eingibt, auch
wirklich der Patient ist und auch wirklich krank ist?“
Außerdem gibt es rechtliche Bedenken gegen den gelben Schein aus dem Chat.
Die Berufsordnung der Ärzt*innen ist Ländersache und in Hamburg gilt das
Fernbehandlungsverbot. Ärzt*innen dürfen demnach nicht ausschließlich über
Medien beraten und behandeln.
Die Ärztin, die anfangs für das Unternehmen arbeitete aber laut Ansay nun
erst mal länger ausfällt, kommt aus Hamburg und dürfte deshalb an die dort
geltende Ordnung gebunden sein. Weil das Fernbehandlungsverbot in
Schleswig-Holstein deutlich liberaler ist, fuhr sie für ihre Arbeit ins
Nachbarbundesland und arbeitete teilweise aus dem Auto, wie Ansay
bestätigt. Mittlerweile habe er aber einen Praxisraum in Schleswig-Holstein
angemietet.
Einmal über die Grenze zu fahren reiche aber nicht aus, um die Bindung an
die Berufsordnung zu umgehen, sagt Carsten Leffmann, Ärztlicher
Geschäftsführer der Ärztekammer Schleswig-Holstein. „Wir prüfen das Ganze
deshalb auch weiterhin rechtlich.“
## Was ist mit der Patientensicherheit?
Bei der Lockerung des Fernbehandlungsverbots sei kalkuliert gewesen, dass
Ideen wie die Krankschreibung oder Rezepte auf gesichertem elektronischem
Weg entwickelt werden müssten. Jedoch stünde die Patientensicherheit immer
im Vordergrund. „Auch eine Erkältung kann sich, wenn auch natürlich nur
selten, zu einer ernsthaften Erkrankung entwickeln“, sagt Leffmann. „Durch
einen Videokontakt hätte ich auf jeden Fall einen besseren Eindruck von dem
Patienten.“
Die Whatsapp-Krankschreibung tangiert noch weitere Regelungen, die es nun
zu prüfen gilt. Und auch der Messengerdienst steht in der Kritik. „Ich als
Patientin würde meine Daten nicht über Whatsapp und damit amerikanische
Server verschicken“, sagt Timpe. Kritik kommt diesbezüglich auch aus der
Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen.
Ansay sagt, man überlege, einen eigenen Messenger zu entwickeln. „Wir
wollten das aber schnell auf den Markt bringen, damit die Patienten noch in
dieser Erkältungssaison davon profitieren.“ Etwa zwei Monate habe er mit
seinen beiden Geschäftspartnern an dem Angebot gearbeitet. Eventuell solle
es auf Rückenschmerzen ausgeweitet werden. Zur Zeit sei er aber mit den
Krankschreibungen wegen Erkältungen ausgelastet. In der letzten Woche habe
es etwa 85 Anfragen gegeben. Um die erst mal zu bearbeiten, wurde der
Dienst vorübergehend stillgelegt, mindestens bis Mittwoch.
9 Jan 2019
## AUTOREN
Marthe Ruddat
## TAGS
Diagnose
Hamburg
Schleswig-Holstein
Ärztekammer
WhatsApp
Schnupfen
psychische Gesundheit
Hosen runter
Piloten
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kolumne Fremd und befremdlich: Lügen geht immer
Ein Hamburger Unternehmen bietet Krankschreibungen bei Erkältung per
Whatsapp an. Ist das eine gute Alternative zum Arztbesuch?
Wegen psychischer Erkrankungen: Fehltage im Job steigen massiv an
Arbeitnehmer fallen im Job immer häufiger und auch länger wegen psychischer
Erkrankungen aus. Das ergeben Auswertungen verschiedener Krankenkassen.
Kolumne Hosen runter: Keine Diagnose durch die Hose
Psychologen behaupten, Donald Trump sei ein Narzisst – ohne ihn je
getroffen zu haben. Das ist nicht nur unethisch, sondern auch gefährlich.
Diskussion über Arztgeheimnis: „Schnellschussartige Vorschläge“
Therapeuten lehnen die Lockerung der Schweigepflicht entschieden ab. Bei
Gefahr ist jetzt schon ein Bruch des Arztgeheimnisses zulässig.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.