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# taz.de -- Baustadtrat über Karl-Marx-Allee: „Das ist ein Pilotprojekt“
> Politik und Mieter siegen in der Karl-Marx-Allee über die Deutsche
> Wohnen. Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) über den Erfolg und was
> daraus folgt.
Bild: This house is not for sale: Protest gegen den Konzern Deutsche Wohnen an …
taz: Herr Schmidt, bis zu 46 Prozent der Mieter in den vom Verkauf an die
Deutsche Wohnen betroffenen Gebäuden an der Karl-Marx-Allee haben sich für
das von Ihnen favorisierte Modell der Rekommunalisierung entschieden. Haben
Sie damit gerechnet?
Ich bin schon davon ausgegangen, dass wir es schaffen, über das
erforderliche Quorum von 25,1 Prozent zu kommen, mit dem die landeseigene
Gewobag später eine Sperrminorität besitzen wird. Aber dass das Ergebnis so
deutlich ausfällt, das freut mich schon besonders.
Dabei hatten Sie kurz vor Fristablauf am letzten Donnerstag sogar Werte
von 70, 80 Prozent als Zielmarke ausgegeben.
Ja, aber das war auch zur Motivation gedacht. Man muss sich ja hohe Ziele
stecken, um etwas erreichen zu können. Außerdem: Wenn man diejenigen Mieter
herausrechnet, die sich gar nicht für diese Option entscheiden konnten,
weil die entsprechenden Informationen sie vielleicht gar nicht erreicht
haben oder sie nicht die Ressourcen haben, sich damit auseinanderzusetzen,
bin ich gar nicht so sicher, dass diese Werte nicht sogar stimmen.
Weniger als 30 Mieter der insgesamt 675 betroffenen Wohnungen haben sich
dazu entschlossen, ihre Wohnung mit dem Kredit der Investitionsbank selbst
zu kaufen. Warum war der Eigenerwerb für so wenige eine Option?
Auch wenn die Kredite zu guten Konditionen vergeben werden: Eine gewisse
Bonität war auch hier die Voraussetzung, und die bringen nun mal viele
nicht mit. Und selbst wenn mir die Wohnung dann in 30 Jahren gehört: Erst
einmal ist das ja mit einer erheblichen Kostensteigerung verbunden, die die
meisten schlicht nicht schultern können oder wollen.
Dennoch hatten die SPD und insbesondere Finanzsenator Matthias Kollatz den
Eigenerwerb zunächst favorisiert. War das Blauäugigkeit oder politischer
Unwille?
Ich denke, das hat mit der Rollenverteilung zu tun, die ja auch gut und
richtig ist: Die Finanzverwaltung hat nun einmal vor allem im Blick, wie
viel etwas kostet. Zunächst hielt man dort andere Optionen eben nicht für
machbar, und da finde ich es eigentlich positiv, dass dann gesagt wurde:
Versuchen wir das Mögliche. Auch wenn sich später herausgestellt hat, dass
das, was zunächst unmöglich schien, eben doch möglich ist.
Dass es schlicht zu teuer sei, auf diese Art die Stadt zurückzukaufen, wird
nicht nur in der Finanzverwaltung moniert. Was entgegnen Sie dieser Kritik?
Es ist ja nicht so, dass wir vorhaben, dieses Modell des gestreckten
Erwerbs jetzt überall anzuwenden. Das ist ein Pilotprojekt, mit dem wir
ausprobieren können, wie gut das funktioniert. Das werden wir systematisch
evaluieren, um genau festlegen zu können, unter welchen Bedingungen und in
welchen Fällen das ein brauchbares Modell ist. Es gibt letztlich tausend
verschiedene Möglichkeiten für eine gemeinwohlorientierte Wohnungspolitik –
das Ziel ist, dass wir möglichst viele Modelle so gut kennen und anwenden
können, dass wir auch innerhalb der oft kurzen Fristen jeweils das Richtige
tun können.
Beendet ist das Pilotprojekt allerdings noch nicht – stellen Sie sich auf
einen Rechtsstreit mit der Deutsche Wohnen ein?
Ich könnte mir schon vorstellen, dass da noch etwas kommt. Gleichzeitig
haben wir das Verfahren ja aber sehr gut geprüft, es ist nicht so, dass da
jetzt ein Scheunentor offenstehen würde. Und sollte die Deutsche Wohnen
tatsächlich versuchen, jetzt in den Verkauf der Wohnungen von den Mietern
an die Gewobag zu intervenieren, also explizit und direkt gegen die
Mieterinteressen zu handeln, dann gäbe es von Mieterseite einen derartigen
Groll gegen dieses Unternehmen, da wäre die bisherige Stimmung nichts
dagegen.
Gerade mal zwei Monate war Zeit, um die Mieter vom Modell des gestreckten
Erwerbs zu überzeugen. Was ist besonders an der Karl-Marx-Allee, dass das
so schnell klappen konnte?
Das hat sehr viel damit zu tun, dass es dort einen Mieterbeirat gibt, der
gut verankert ist. Dass es Menschen gibt wie dessen Vorsitzenden Norbert
Bogedein, aber auch andere, die sich da so was von reingehängt haben in den
letzten Wochen, ehrenamtlich. In dieser kurzen Zeit war das die absolute
Voraussetzung, damit das klappen kann. Allerdings habe ich auch
festgestellt: Selbst dort, wo es noch nicht so starke Strukturen gibt,
finden sich in solchen Fällen eigentlich immer Menschen unter den Mietern,
die bereit sind, diese Rolle zu übernehmen. Dass wir im Bezirk mittlerweile
eine eigene Arbeits- und Koordinierungsstelle für gemeinwohlorientierte
Stadtentwicklung haben, in der eben auch Leute mit Erfahrung in der
Mieterselbstorganisation sitzen, ist sicher auch hilfreich.
6 Jan 2019
## AUTOREN
Malene Gürgen
## TAGS
Deutsche Wohnen
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