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# taz.de -- Glaskunst und Mosaike aus München: Der Munich-Style
> Auf Glas, Licht und Farbe spezialisiert: Seit 171 Jahren steht die
> Mayer’sche Hofkunstanstalt für hochwertige Handwerkskunst. Ein Porträt.
Bild: Glasbild nach Diego Velasquez: „Bild der achtjährigen Infantin Margari…
An einem Platz am Rand des Münchner Stadtzentrums – auto- und
investorengerecht städtebaulich verhunzt – behauptet sich die zeittypisch
repräsentative, in sparsamen Elementen dem Jugendstil verpflichtete
Produktionsstätte der nunmehr 171 Jahre alten Mayer’schen Hofkunstanstalt.
Sie behauptet sich in jeder Hinsicht als Traditionsbetrieb in der fünften
Generation. Als Werkstatt für farbige Glasfenster, für Bleiverglasung, für
Mosaikgestaltung, für Kunst im öffentlichen Raum. Als Handwerksbetrieb, der
sich in einer Nische über viele Jahrzehnte einen weltweit herausragenden
Platz sichern konnte.
Durch Geschick und Glück, Gefühl und Härte, eben alles, was einen guten
Geschäftsmann ausmacht beziehungsweise begleitet. Vor allem aber durch
unverbrüchliches Festhalten an absolut nicht verhandelbaren
Qualitätsnormen, die für die kreativen Entwürfe ebenso gelten wie für die
Wahl des Materials und die handwerkliche Ausführung.
Hinzu kam zu allen Zeiten ein Gespür für Entwicklungen und Strömungen. Und
Mut. So wurde aus der später vom bayerischen König geadelten Einrichtung
für benachteiligte Kinder, die aus einer speziell entwickelten
Modelliermasse Heiligenfiguren formten, ein Großbetrieb, in dem
Altarbauten, Statuen, Bronzen und farbige Glasfenster vor allem für Kirchen
gefertigt wurden.
## Herz und Verstand, Vision und Handwerk
Irgendwann beschränkte sich die Mayer’sche auf Glas und Licht und Farbe.
Man unterhielt bereits 1880 eine Repräsentanz in New York. Mayer of Munich
machte sich rasch einen Namen, vergleichbare Leistungen in Umfang, Qualität
und Erfindungsreichtum konnten in den USA nicht abgerufen werden. Das
scheint bis heute – mehr denn je – der Fall zu sein. Nicht zuletzt deshalb,
weil es der Mayer’schen Hofkunstanstalt gelungen ist, den teuflischen
Verführungen technischer Entwicklungen nicht bedingungslos zu erliegen.
Wo diese Errungenschaften das empfindsame Gespann von künstlerischer und
handwerklicher Produktion stützen und nicht vereinfachend, grob
schematisierend Präzision und Finetuning außer Acht lassen, finden sie
freilich Eingang im versierten Werkstattbetrieb.
Herz und Verstand, Vision und Handwerk treffen sich detailversessen, mit
Sachverstand, entsprechendem Selbstbewusstsein und hohem Anspruch in dem
über zwei Stockwerke reichenden Atelier des Hauses, dessen Nordwand ein
riesiges, in Rasterquadrate unterteiltes Fenster mit Hebebühne ist.
Dort werden die Glasbilder in ihren verschiedenen Fertigungsphasen bei
unterschiedlichen Lichtverhältnissen begutachtet. Mal geht es um
Detailwirkung, mal geht es um das große Ganze. Geprüft wird von der Empore
herab, aus der Untersicht, aus jeder nur erdenklichen Perspektive des
späteren Betrachters.
## Der Meistermosaizist
Michael C. Mayer, der einzige in Italien ausgebildete deutsche
Meistermosaizist, und seine Frau Petra, gelernte Architektin, arbeiten mit
einem Team von Fachleuten. In der Mosaikwerkstatt an dem riesigen, mit
größeren und kleinen Steinen aller Farbschattierungen bedeckten Tisch
bildet ihre Kreativität das Getriebe, das den gelungenen Transfer vom
Entwurf zum Bild gewährleistet.
Gleich daneben das beeindruckende Archiv mit den Folianten, die die
komplette Firmengeschichte, alle Aufträge mit Zeichnungen, Fotos und
Notizen dokumentieren. Beim Gang durch die Werkstätten wie der Bleierei,
der Siebdruckerei entsteht die Anmutung einer Reise in die Vergangenheit
schon deshalb, weil Glasbilder und Entwürfe an Fenstern und Wänden auf die
Tradition des Hauses verweisen – kraftvoll gefärbte Kirchenfenster des 19.
Jahrhunderts, Kunst am Bau der deutschen Nachkriegsjahre,
Restaurierungsprojekte von Arbeiten der Väter- und Großvätergeneration.
Wie bringt man ein derartiges Unternehmen, das in einer vergangenen Welt
des Luxus und der Moden mit Bleiverglasungen und Mosaikkunst
internationales Renommee erworben hat, in die Gegenwart, in die Zukunft? In
US-Fachkreisen spricht man durchaus vom „Munich Style“ und meint damit
Glasfenster von Mayer of Munich, die Farben, aber auch die religiösen, die
mythologischen Motive und Legenden feierlich und mit außerordentlicher
Strahlkraft erzählt. Doch die Moderne geht anders. Schon Gabriel Mayer, der
Vater Michaels, hat sich mit neuen hochwertigen Techniken
auseinandergesetzt.
## Großprojekt aus Floatglas
Das erste Großprojekt aus dem sogenannten, neu erprobten Floatglas
entwickelte er zusammen mit dem lebenslang experimentierenden Architekten
Frei Otto in Form einer gläsernen, zartfarbig bemalten und bedruckten
Zeltdachkonstruktion für das für elegante Feierlichkeiten errichtete „Heart
Tent“ im Diplomatenviertel von Riad.
Monumentale Wandmosaike in der Pariser Métro-Station Gare Saint-Lazare nach
dem Entwurf von Geneviève Cadieux, eine Menschenparade von Vik Muniz in der
New Yorker Subway (2nd Ave/42nd St) und die wiedereröffnete Station am
Ground Zero zeugen von Wandlungskraft und originärer Zeitgenossenschaft –
und von einem unbändigen Überlebenswillen.
Wenn der getrieben ist von gleichermaßen ungezügelter Neugier und einer
steten Bereitschaft, Inspiration, Material und Einfühlung zusammenfließen
zu lassen, dann kommt es auch zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit mit
Künstlern, den standesgemäß Schwierigen, den Anspruchsvollen, den
Skeptischen und Unbestechlichen. Hat man sich ergänzt, hat man gelungen
transkribiert, ist das Glück vollkommen.
## Ideensprühend, temperantvoll
Fünf Jahre hat Michael Mayer mit Ellsworth Kelly an dessen letztem Werk,
der Ausgestaltung der Universitätskapelle im texanischen Austin,
gearbeitet. Die Kooperation etwa mit Kiki Smith (für ihren Auftritt auf der
Biennale in Venedig 2017), mit David Reed (für die Fenster der Basilika im
österreichischen Rankweil) ist eng – und dauerhaft.
Doch Petra Mayer, ideensprühend, temperamentvoll, geladen mit einer
fantastischen vorwärtsdrängenden Energie, will das Haus zumindest einen
Spalt breit öffnen, will die Flachglaskunst populär machen, will zeigen,
was geschickte Handwerker gemeinsam mit originell denkenden Künstlern
ermöglichen können, wenn sie das Material und die zur Verfügung stehenden
Techniken ausreizen.
Und wendet sich mit Editionen von Eric Fischl, Kiki Smith, David Reed,
Sylvie Fleury, Peter Beard und zwölf weiteren Künstlern an Sammler und
kunstsinnige Privatleute. In ihrem neu installierten Kabinett im Stil einer
Wunderkammer, der ehemaligen zweistöckigen Pförtnerloge, präsentiert sie
charmant und überzeugend diese maximal 50 mal 50 Zentimeter großen
Kunststücke aus vierfach geschichtetem, bemaltem Glas, aus goldfarbenen
Mosaiksteinen, aus platinschimmernden Glasschalen.
Es sind minimalistische Glasobjekte, bemalt, bedruckt, geätzt, gefärbt, die
in Motiv und Ausführung die charakteristischen Merkmale ihrer Schöpfer
ikonisch zitieren. Die Auflage ist 10+2, wobei die Preise zwischen 5.000
und stolzen 35.000 Euro liegen. Eine Reihe von halbmeterhohen, schmalen
Bleiglasscheiben, funkelnde Assemblagen aus Versatzstücken ehemaliger
Großaufträge, schlagen zudem mild-ironisch eine Brücke in die
historistische Epoche und zum Jugendstil, als Glaskunst und Mosaik in ihrer
höchster Blüte standen.
26 Dec 2018
## AUTOREN
Annegret Erhard
## TAGS
Mosaike
Glasbilder
Mayer'sche Hofkunstanstalt
Amsterdam
Upcycling
Moderne Kunst
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