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# taz.de -- Die Wahrheit: Der Maori-Nikolaus
> Neues aus Neuseeland: Weil es Fälscher unter den Journalisten gibt,
> stehen Korrespondenten nicht selten unter Verdacht, ebenfalls zu
> fälschen.
Seit der Spiegel Fälschungen druckte, fühle auch ich mich irgendwie
ertappt. Korrespondenten kommen wieder in Verruf. Denn wie viel leichter
ist es, Menschen in exotischen Ländern zu erfinden, die die meisten Leser
nie betreten? Jetzt stehen die, die am weitesten entfernt von der Heimat
unter harten Bedingungen für die deutsche Medienfront schuften, unter
Kollektivverdacht. 18.000 Kilometer sind es in meinem Fall. Da kommt man
ins Schwitzen.
Es gab nämlich nicht nur Claas Relotius, die Hitler-Tagebücher und Tom
Kummer, sondern auch die kurzzeitig berühmte Ulla Ackermann. Mit der saß
ich vor fünfzehn Jahren in einer Talkshow, als ihr hochdramatisches
Korrespondenten-Epos „Mitten in Afrika“ bei Hoffmann & Campe erschien. Las
sich toll. Reden konnte sie auch. Alle waren ganz weg von ihren Storys über
den wilden, dunklen Kontinent. Da konnte ich mit meinem Buch über die
sieben Monate auf einem Südseeatoll kaum mithalten.
Dumm nur, dass Ackermann alles in ihrem Werk zusammengeschwindelt hatte,
inklusive Besuch bei Nelson Mandela auf Robben Island, was echten
Afrikakorrespondenten dann doch etwas spanisch oder unsüdafrikanisch
vorkam. Ihr Baby, das angeblich an Malaria starb, gab’s wohl auch nie. Ging
aber ans Herz, das Kapitel. Fakt oder Fiktion – der Tränendrüse war’s ega…
Dass Ackermann in dem Jahr aufflog, als ich auswanderte, war aber wohl ein
Segen.
Was hätte ich sonst nicht alles an spektakulären Geschichten aus dem tiefen
Süden fabriziert, statt über drolligen Kolumnen zu brüten? Vielleicht hätte
ich Menschenfresser in Samoa entdeckt oder Kim Dotcoms heimliche Geliebte
anonym auspacken lassen. Das erste geklonte Schaf namens Dolly hätte
Konkurrenz bekommen durch das Riesenschaf Shrek, das sechs Jahre Wolle am
Leib trug und als PR-Gag auf einer Eisscholle vor der Ostküste der Südinsel
geschoren wurde. Ach was – das gab’s ja wirklich!
Wahr oder falsch: Das werde ich ab sofort einfach offenlassen. Kann ja
jeder selber googeln, ob der Maori-Nikolaus wirklich existiert. Der tauchte
in der traditionellen Weihnachtsparade in Nelson statt des üblichen Mannes
mit Rauschebart auf. Er trug ein Blumenhemd, einen indigenen, immerhin
roten Umhang und einen Angelhaken als Zepter. Nelsons Kinder waren
angeblich schwer enttäuscht, und das ganze Land wurde mal wieder in eine
bikulturelle Krise gestürzt: Wie viel Maori muss es sein? Ist uns denn gar
nichts mehr heilig – nicht mal der einst von Coca-Cola erfundene Mann in
Rot? Der Stadtrat von Nelson entschuldigte sich für den kulturellen Lapsus.
Doch Rob Herewini, der den umstrittenen Maori-Santa verkörperte, kam später
doch noch zu Ehren: Man lud ihn vorige Woche mit großem Bahnhof auf ein
Festival nach Wellington ein, wo er mehr als willkommen war. „Aroha ki te
tangata“, sagte er, „liebet euch alle.“ Das wird mein künftiges
Arbeitsmotto in diesen schweren Zeiten sein.
28 Dec 2018
## AUTOREN
Anke Richter
## TAGS
Neuseeland
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