# taz.de -- Experte zu Anzeige gegen bin Salman: „Immunität ist die größte… | |
> Trotz einer Strafanzeige ist Saudi-Arabiens Kronprinz ungehindert zu G20 | |
> nach Argentinien gereist. Was jetzt passieren könnte, erklärt | |
> Strafrechtler Kai Ambos. | |
Bild: Hohe Sicherheitsvorkehrungen: Bin Salman auf dem Weg in die saudische Bot… | |
Herr Ambos, Human Rights Watch hat in Argentinien [1][Strafanzeige gegen | |
Mohammed bin Salman] gestellt. Der saudi-arabische Kronprinz ist nun zum | |
G20-Gipfel in Argentinien eingetroffen. Was wird nun passieren? | |
Kai Ambos: Vermutlich nichts. | |
Die argentinische Justiz bleibt einfach untätig? | |
Die argentinische Justiz wird die Strafanzeige natürlich prüfen, aber da | |
stellen sich doch einige schwierige Fragen, die sie sicher nicht auf die | |
Schnelle beantworten wird. | |
Sie meinen eine eventuelle Immunität des Kronprinzen? | |
Das ist die größte Hürde. Staaten dürfen nach herrschender Ansicht nicht | |
übereinander zu Gericht sitzen. Deshalb ist es völkerrechtlich verboten, | |
gegen das Staatsoberhaupt eines anderen Staates, den Premierminister oder | |
einen anderen wichtigen Minister vorzugehen. | |
Gilt das auch für bin Salman als Verteidigungsminister und | |
stellvertretenden Premierminister? | |
Ja. Der Kronprinz ist eine zentrale Figur der saudi-arabischen Regierung | |
und des saudi-arabischen Staates. Er redet beim G20-Gipfel mit den | |
Präsidenten und Regierungschefs der anderen wichtigsten Staaten. An seiner | |
Ranghöhe gibt es keinen Zweifel. | |
Gilt die Immunität auch bei schweren Verbrechen? | |
Nach herrschender Ansicht ja. Es gibt aber weltweit eine vordringende | |
Mindermeinung, die bei Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und | |
schweren Kriegsverbrechen eine Ausnahme machen will. Diese Mindermeinung | |
hat in Argentinien durchaus Anhänger. Da könnte es möglicherweise eine | |
Überraschung geben. | |
Fallen die Taten, für die bin Salman angezeigt wurden, in diese Kategorie? | |
Da muss man unterscheiden. Die [2][mutmaßliche Ermordung des Journalisten | |
Jamal Khashoggi] im saudischen Konsulat in Istanbul allein würde nicht | |
genügen. Man müsste sie schon als Teil des Versuchs einstufen, die gesamte | |
saudische Opposition zu eliminieren. Dann könnte dies ein Verbrechen gegen | |
die Menschlichkeit sein. Einfacher wäre die Annahme einer | |
Immunitätsausnahme wegen [3][Kriegsverbrechen im Jemen], auf die sich die | |
Anzeige ja auch bezieht. Doch auch da müsste konkret benannt werden, auf | |
welche Vorfälle sich die Strafverfolgung beziehen soll. Auch das geht nicht | |
auf die Schnelle. | |
Spielt es auch eine Rolle, dass Argentinien mit den angezeigten Verbrechen | |
gar nichts zu tun hat? | |
Human Rights Watch erklärt, Argentinien habe das so genannte | |
Weltrechtsprinzip in seiner Verfassung verankert. Das Weltrechtsprinzip | |
bedeutet, dass ein Staat für bestimmte Delikte die Strafverfolgung auch | |
dann übernimmt, wenn die Tat im Ausland begangen wurde und weder Täter noch | |
Opfer einen Bezug zum Staat der Strafverfolgung haben. Ob dieses Prinzip in | |
Argentinien wirklich gilt, ist aber umstritten. Die Verfassung aus dem 19. | |
Jahrhundert ist da nicht so eindeutig. Die argentinische Praxis geht aber | |
davon aus. Daran dürfte eine Strafverfolgung also nicht scheitern. | |
Wer entscheidet, ob gegen bin Salman ein Verfahren eröffnet wird? | |
Erforderlich ist im Normalfall, dass ein Bundes-Staatsanwalt die Eröffnung | |
eines Ermittlungsverfahrens beantragt und ein Bundes-Ermittlungsrichter | |
diesem Antrag stattgibt. Da es hier um einen ausländischen Minister geht, | |
muss der Fall aber wohl an den Obersten Gerichtshof Argentiniens verwiesen | |
werden. Auch das dürfte Zeit kosten. | |
Hätte ein Ermittlungsverfahren automatisch zur Verhaftung des saudischen | |
Kronprinzen geführt? | |
Auch das nicht. Zwar läge sicher ein Haftgrund vor, nämlich Fluchtgefahr. | |
Erforderlich für einen Haftgrund ist aber auch ein dringender Tatverdacht. | |
Da genügt ein Dossier von Human Rights Watch sicher nicht. Die | |
argentinische Justiz müsste sich erst ein eigenes Bild machen. | |
Ist die Strafanzeige also völlig sinnlos? | |
Juristisch wird sie wohl keine Folgen haben, jedenfalls nicht bis zum Ende | |
des G-20-Gipfels am Samstag. Politisch wird aber immerhin eine gewisse | |
Stigmatisierung des saudischen Kronprinzen erreicht. | |
28 Nov 2018 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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