# taz.de -- Amri-Untersuchungsausschuss Berlin: Henkels Launen | |
> Amri? Nie gehört. Ex-Innensenator Frank Henkel (CDU) belegt im | |
> Unterausschuss des Abgeordnetenhauses mal wieder, dass die Realität an | |
> ihm vorbeirauscht. | |
Bild: Auf dem Weg in den Amri-Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhaus: Fran… | |
Lange war Frank Henkel von der Bildfläche verschwunden. Der frühere | |
CDU-Innensenator und -Parteichef ist nur noch einfacher Abgeordneter. Als | |
er am Freitag vor den Amri-Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses | |
erscheint, ist seinem Gesicht abzulesen, dass er auf den Auftritt gern | |
verzichten würde. Dass sich Grüne und Linke den einstigen politischen | |
Gegner im Zeugenstand vorknöpfen werden, ist absehbar. | |
Am 19. Dezember 2016 war der islamistische Attentäter Anis Amri mit einem | |
Sattelschlepper über den Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz gefahren. | |
Zwölf Menschen kamen zu Tode, an die hundert wurden verletzt. Henkel war | |
bis zum 8. Dezember 2016 Innensenator – in der Zeit also, in der Amri sein | |
Attentat plante. | |
## Sechs Stunden Vernehmung | |
Sechs Stunden dauert Henkels Vernehmung. Schnell ist klar, dass aus ihm | |
nichts Neues herauszuholen ist. Der Mann, der im Gesicht fülliger geworden | |
ist, wirkt verspannt, sein linker Fuß unter dem Tisch kommt nicht zur Ruhe. | |
„Der Name Amri ist mir nicht nur nicht begegnet. Er ist auch nicht als | |
offizieller Fall über meinen Schreibtisch gegangen“, erklärt Henkel. | |
Aber so einfach kommt er am Freitag nicht davon. Welche Maßnahmen nach dem | |
Anschlag in Nizza im Sommer 2016 in Berlin getroffen worden sind, wollen | |
die Abgeordneten wissen. Um sich herum hat der Innensenator a. D. | |
Unterlagen ausgebreitet; seinem Erinnerungsvermögen hilft das aber nicht | |
weiter. | |
Henkel muss auch noch vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags | |
aussagen. Die Linken haben mitgekriegt, dass er sich deshalb für einen | |
Trainings-Workshop angemeldet hat. Zunehmend unwilliger werdend, bestätigt | |
Henkel das. Ob er seinen Laden angesichts seiner vielen sonstigen | |
Funktionen überhaupt im Griff gehabt habe, fragt der Grüne Benedikt Lux | |
süffisant. „Führungslos war das Haus zu keiner Zeit“, gibt Henkel zurück. | |
Sechs Fläschchen Wasser leert der Zeuge in der Zeit. Warum er – nach Nizza | |
– keine Poller vor die Weihnachtsmärkte gestellt habe? Er habe sich als | |
Verantwortlicher gesehen, der die Mittel beschaffe, in der Erwartung, dass | |
die Behörde das Bestmögliche daraus macht. „Da können Sie sagen: war ein | |
schwacher Innensenator. – Dieses Bild wird ja ohnehin gezeichnet.“ Aber es | |
habe einen „Strauß von Maßnahmen“ gegeben, um die Polizei auf Notfälle | |
vorzubereiten. Das einzige Beispiel, das ihm dann aber einfällt: Ein | |
Amoktraining an einer Schule in Weißensee – wo er auch wohnt. | |
Die Vernehmung bleibt bei Allgemeinplätzen stehen. Ein Meister im | |
Nichtsagen war Henkel schon immer: Die Sicherheitsbehörden hätten einen | |
guten Job gemacht; die angespannte Personalsituation bei Polizei und LKA | |
sei ihm bekannt gewesen. „Die Decke war zu dünn, egal wohin man schaute.“ | |
Angesichts steigender Gefährderzahlen sei es gelungen, den Stellenetat zu | |
erhöhen. „Es war besser als vorher, aber nicht optimal.“ | |
Ob er den Staatsschutz mal aufgesucht habe, um sich vom Belastungsgrad der | |
Beamten zu überzeugen, will Hakan Taş (Linke) wissen. Nein, an einen | |
solchen Besuch „kann ich mich nicht vertieft erinnern“. Das sei aber | |
merkwürdig, findet Taş. Schließlich habe LKA-Chef Christian Steiof dem | |
Ausschuss berichtet, dass der Staatsschutz bei den Mittwochsgesprächen mit | |
Henkel immer eine herausragende Rolle gespielt habe. „Vielleicht war ich | |
da“, pampt Henkel zurück. „Ich weiß, der Staatssekretär war da. Das LKA | |
wurde nicht allein gelassen.“ | |
Ob sein Schwerpunkt auf dem Links- oder Rechtsextremismus gelegen habe, | |
wird Henkel von dem CDU-Abgeordneten Stephan Standfuß gefragt. Er versucht | |
damit, den Linken und Grünen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Jene haben | |
mit Henkel wegen der Rigaer Straße noch eine offene Rechnung: Die illegale | |
Teilräumung eines dortigen Hausprojekts durch die Polizei war im Juni 2016 | |
erfolgt – just zum selben Zeitpunkt, als die Observation von Amri | |
eingestellt worden war. | |
Die Annahme, dass ein Zusammenhang besteht, weil Polizeikräfte in der | |
Rigaer Straße gebraucht wurden, „ist absurd“, sagt Henkel. Schon allein | |
deshalb, weil es sich um unterschiedliche Diensteinheiten handele, habe es | |
keine Überschneidungen gegeben. Auch sei falsch, dass er den Einsatz in der | |
Rigaer angeordnet habe: „Die Polizei ist Recht und Gesetz verpflichtet und | |
nicht den Launen eines Innensenators.“ | |
Ob das heiße, dass er nie politischen Einfluss auf die Polizei genommen | |
habe, hakt Lux nach. Henkel: „Ich habe keine fachlichen Entscheidungen | |
durch politische ersetzt.“ Was die Rigaer Straße betreffe, sei er erst am | |
Vorabend des Polizeieinsatzes informiert worden. Das ändere aber nichts | |
daran, dass „der Einsatz richtig war“. Dafür erntet er empörte Zwischenru… | |
von Grünen und Linken: Das Landgericht hat die Räumung wie berichtet für | |
rechtswidrig erklärt. | |
## Lieber Schwerpunkt Görli | |
Natürlich habe er Prioritäten gesetzt, sagt Henkel. Bekämpfung von Links- | |
und Rechtsextremismus, Organisierte Kriminalität – OK genannt. „Sie wissen | |
ja auch, dass der Görlitzer Park mein Schwerpunkt gewesen ist.“ Ob | |
Kleinsthandel mit Drogen Teil der OK sei, erkundigt sich Marcel Luthe | |
(FDP). Eine Antwort bekommt er nicht. | |
Dass sich das Verbot der islamistischen Fusilett-Moschee so lang hinzogen | |
hat, erklärt Henkel damit, dass zunächst der Ausgang des Strafverfahrens | |
gegen Anhänger der Moschee abgewartet werden musste. Richtig sei aber, dass | |
einer der insgesamt zwei Sachbearbeiter der zuständigen Fachabteilung „sehr | |
lange krank war“. Amri war oft in der Moschee gewesen, auch am Abend des | |
Anschlags. Es war Henkels Nachfolger Andreas Geisel (SPD), der den | |
Moscheeverein im Frühjahr 2017 verboten hat. | |
„Wie zu erwarten“, konstatiert Lux nach der Sitzung. So wie Henkel seine | |
Regierungsgeschäfte geführt habe, sei er im Ausschuss aufgetreten, ergänzt | |
Taş: „Ahnungslos, desinteressiert, vollkommen überfordert.“ | |
9 Dec 2018 | |
## AUTOREN | |
Plutonia Plarre | |
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