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# taz.de -- Dänischer Pensionsfonds in Berlin: Gute Renten für teure Mieten
> Ein dänischer Rentenfonds hat in Berlin groß eingekauft. Mieter in
> Neukölln wollen die Übernahme noch verhindern und hoffen auf das
> Vorkaufsrecht.
Bild: Haben ihr Geld sicher angelegt
Berlin taz | „Es ist für mich unmöglich, diese mir so vertraute Umgebung
(…) verlassen zu müssen“, schreibt Jürgen Lehmann, 78-jähriger Bewohner …
Neuköllner Thiemannstraße, in einem Brief. Die Straße, in der er 1940
geboren wurde, nennt er seinen „Lebensinhalt“. Nun fleht er: „Ich bitte
Sie, mich vor dem Schlimmsten zu bewahren.“
Wie mehr als 50 Mieter von 14 Häusern eines denkmalgeschützten Ensembles,
das sich beidseitig der Thiemannstraße bis in die Böhmische Straße zieht,
appelliert Lehmann mit einem persönlichen Brief an den Bezirk, den Verkauf
der Häuser noch zu stoppen: per Verkaufsrecht für eine kommunale
Wohnungsbaugesellschaft oder durch eine Genossenschaft. Gesammelt hat die
Briefe Elena Poeschl, die ihre Wohnung als „Zentrale“ des Protests
bezeichnet.
Seit sie Anfang November die Nachricht vom Verkauf der Häuser erreichte,
hat sich die zugezogene Studentin zur Vollzeit-Aktivistin entwickelt.
„Anfänglich wollten wir nur etwas Aufmerksamkeit für uns schaffen“, sagt
sie; „nun wollen wir durchsetzen, dass die Geschichte in Dänemark ankommt.“
Denn Käufer ihrer Häuser ist die dänische Pensionskasse PFA.
Der kommerzielle Fonds ist der europaweit fünftgrößte seiner Art mit einer
Bilanzsumme von etwa 80 Milliarden Euro. Mit dem Geld dänischer
Arbeitnehmer und Rentner geht die Kasse europaweit auf Einkaufstour.
Standen bislang eher Windparks im Fokus, hat sie inzwischen ihre eigene
Immobiliensparte eröffnet, Mitarbeiter von Goldman Sachs übernommen oder
jüngst die Chefstrategin der in einen Geldwäscheskandal verwickelten Danske
Bank.
[1][Im Sommer übernahm der Pensionsfonds für 1,2 Milliarden Euro ein erstes
großes Immobilienpaket in Deutschland]. Das „Century“-Portfolio umfasst
3.700 Wohnungen in 15 Städten. Verwaltet wird es von der Münchener Domicil
Real Estate Group, die in einer Erklärung das „hohe Entwicklungspotenzial
vor allem in Berlin und München“ hervorhebt.
## Alte Mieter, günstige Mieten
Die Altersvorsorge der Dänen könnte zum Problem für die Altersvorsorge
vieler Berliner werden. Allein in Neukölln sind unter den etwa 300
Bewohnern mehr als 60 Rentner, viele wie Lehmann sind seit Jahrzehnten hier
verwurzelt. Für alle ist klar: Eine finanzierbare Wohnung in der Nähe wird
nicht mehr zu finden sein.
Während Poeschl mit etwa 600 Euro für 50 Quadratmeter schon über dem
Mietspiegel liegt, zahlen viele ihrer Nachbarn deutlich weniger.
Entsprechend groß ist die Angst vor der PFA, die geschätzt mehr als 30
Millionen Euro für die Häuser bezahlt hat.
Für die kommunale Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land wäre das ein
großer Brocken, der nicht ohne einen kräftigen Zuschuss vom Finanzsenator
zu stemmen wäre. In einem Brief bitten drei Neuköllner
Abgeordnetenhausmitglieder der SPD und der Bundestagsabgeordnete Fritz
Felgentreu Senator Matthias Kollatz (SPD) um eine wohlwollende Prüfung.
## Viel Geld, aber machbar
Bezirksstadtrat Jochen Biedermann (Grüne) wird angesichts der Summe nicht
bange. Wohnungsbaugesellschaften hätten das Geld und haben auch schon
größere Projekte gestemmt, sagte er der taz. „Es sind genau jene Mieter,
die wir schützen wollen“, so Biedermann; die vielen Altbewohner seien „eine
zusätzliche Kraftanstrengung wert“. Bis zum 7. Januar muss der Bezirk sein
Vorkaufsrecht ziehen. Will die PFA dies abwenden, kann sie eine
Vereinbarung unterschrieben, die ihr eindeutige Mieterschutzmaßnahmen
abverlangt.
In der Gleditschstraße in Schöneberg hat der Pensionsfonds am Mittwoch eine
Anwendungsvereinbarung für eine Häuserzeile unterschrieben. Nichts bekannt
ist aus den anderen Siedlungen in der Bernhard-Lichtenberg-Straße in
Prenzlauer Berg sowie der Seestraße und der Turiner Straße im Wedding.
Die Hausgemeinschaft, die sich den Namen BoeThie verpasst hat, macht weiter
mobil. Geplant sind eine Fotoausstellung der Bewohner, eine Demo und eine
Pressekonferenz mit den MdBs Pascal Meiser (Linke) und Cansel Kiziltepe
(SPD), Mieterbund-Chef Rainer Wild und Biedermann. Vielleicht hat er ja
bereits eine gute Nachricht im Gepäck.
7 Dec 2018
## LINKS
[1] /Pensionskasse-kauft-deutsche-Wohnungen/!5524894
## AUTOREN
Erik Peter
## TAGS
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
Vorkaufsrecht
Mietspiegel
Wohnungspolitik
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