# taz.de -- Kolumne Nach Geburt: „Du bist nun mal ein dummer Papa“ | |
> Statt sie die Treppe runterzuschubsen, hab ich friedlich und | |
> deeskalierend auf meine Tochter eingewirkt. Tja, hat nichts gebracht. | |
Bild: Unser Wohnzimmer (Symbolbild) | |
Das war ein schöner Sonntag: Ich hatte mir Tochter eins geschnappt, war mit | |
ihr und Freunden ins Schwimmbad gegangen, dann haben wir bei denen Nudeln | |
gegessen und sind nachmittags noch ins Mitmach-Museum. Wir sind immer | |
wieder durch ein Labyrinth geklettert, haben Türme gebaut und so weiter. | |
Ein Tag wie aus einem Glückliche-Mutti-Instagram-Account. | |
Doch dann kam die Rückfahrt: In der Tram konnten wir nicht nebeneinander | |
sitzen, in der U-Bahn mussten wir gar stehen – meine Tochter war durch. Ich | |
musste eine Hasstirade nach der anderen über mich ergehen lassen. Kurze | |
Zusammenfassung: Ich bin dumm. Also nahm ich sie im Treppenhaus auf den | |
Arm: „Ich verstehe, dass du kaputt bist, aber ich möchte nicht, dass du | |
mich so beschimpfst, okay?“ Statt sie die Treppe runterzuschubsen, hab ich | |
friedlich und deeskalierend, aber klar in der Ansprache agiert. Ich klopfte | |
mir innerlich selbst auf die Schulter. | |
Ihre Antwort: „Aber du bist nun mal dumm.“ | |
Treppe – Schubs. | |
Nein, natürlich nicht. Ich hab sie nach oben gebracht und der Mutter in die | |
Hand gedrückt. Hier, dein Kind. Wo ist Tochter zwei? | |
Denn die Kleine ist berechenbarer: Essen kommt nicht? Geschrei. Man sagt | |
ihr, was sie auf keinen Fall machen soll („Ich warne dich“)? Sie wird genau | |
das machen, ich werde sauer. Geschrei. Damit kann man arbeiten. | |
## Frieden? Das Konzept lehnt Tochter eins ab | |
Tochter eins hingegen kennt in völlig unvorhersehbaren Situationen | |
plötzlich nur noch Feinde. Es muss nur irgendwas nicht so laufen, wie sie | |
sich das vorher in ihrem Kopf ausgemalt hat: „So spielt man nicht | |
Restaurant!“, schreit sie. Sie weint vor Wut. Und schafft nebenbei ganz | |
neue Formen der gendergerechten Sprache: „Du bist die Köcherin!“ | |
Vor Kurzem wollte sie auf gar keinen Fall einschlafen, „solange die | |
Zucchini rollen kann“. Äääh, was?!? Wie soll man darauf adäquat reagieren? | |
Wie soll man diese Angst nehmen? Wie kommen Zucchini und das Rollen in ihr | |
Hirn? Hat sie das wachgeträumt? | |
Wahrscheinlich liege ich mit meiner Theorie doch nicht so falsch, dass | |
Träume zwar von uns irdischen Durchschnittsgeschöpfen tief analysiert | |
werden, aber am Ende doch nichts anderes sind als der völlig abgedrehte | |
Humor Gottes. Die Late-Night-Show des Herrn. | |
Und sogar wenn Tochter eins auf meine Freundin sauer ist, krieg ich es ab. | |
„Ich werde nur noch was mit Papa unternehmen!!!“, brüllte sie sie letztens | |
an, schaute zu mir, ich setzte meinen Zieht-mich-da-doch-nicht-rein-Blick | |
auf – und meine Freundin ballte im Rücken meiner Tochter die Faust wie | |
einst [1][Boris Becker in Flushing Meadows]. Yes! Yes! Yes! | |
Aber dafür hat man ja zwei Töchter: Wenn die eine einem nicht gefällt, | |
setzt man sich halt zur anderen an den Badewannenrand: „Vermisst ihr mich, | |
wenn ich nicht da bin?“, frage ich sie. Antwort: „Nein.“ Ich drehe mich um | |
und brülle in den Flur: „Wir brauchen noch ein Kind!“ | |
9 Dec 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://youtu.be/5o6wK0a8Igs?t=546 | |
## AUTOREN | |
Jürn Kruse | |
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