# taz.de -- Kolumne Nach Geburt: Dor blieven wi mol lever to Hus | |
> Wind und Regen waren früher mein Lieblingswetter. Endlich keine Ausreden | |
> mehr, um drin bleiben zu können. Leider sehen meine Kinder das anders. | |
Bild: Selbst Schuld wer bei so 'nem Wetter rausgeht | |
Husum ist einer der Orte, in denen man die Fenster nicht auf Kipp stehen | |
lassen kann. Regen kommt in Nordfriesland nämlich immer von der Seite. Ein | |
gekipptes Fenster ist definitiv kein ausreichender Schutz gegen eine nasse | |
Wohnung. | |
In dieser Woche ist der Herbst in Husum angekommen. Mit viel Wind und | |
Regen. Dor blieven wi mol lever to Hus. Da bleiben wir mal lieber zu Hause. | |
Ach, das war früher mein Lieblingswetter. Endlich brauchte ich keine | |
Ausreden mehr fürs Drinsein. Ich musste nicht mehr in kurzen Hosen | |
fernsehen, um mir selbst vorzugaukeln, dass ich ja eigentlich auf’m Sprung | |
raus in die Sonne wäre. Sobald der Herbst kam, hatte jeder Verständnis | |
dafür, wenn man lever to Hus blieb. | |
Das ist heute anders. Ich hab mir zwei Menschen in die Familie geholt, die | |
rauswollen. Zwei Typen dieser Art, die Regenjacken im Partnerlook tragen | |
und einem was von „Es gibt kein schlechtes Wetter, es gibt nur schlechte | |
Kleidung“ erzählen. Ein Satz, den ich schon immer bescheuert fand und | |
dessen Verkehrung „Es gibt kein gutes Wetter, es gibt nur gute Kleidung“ | |
mindestens genauso viel Sinn ergibt. | |
Wie auch immer, Tochter eins und Tochter zwei ist es egal, dass der Wind | |
quer in der Luft steht. Raus! Raus! Raus! Und sie haben ja recht. Es liegt | |
nur an meinem verweichlichten Wesen, dass ich so schwer hochkomme. Ich bin | |
so dankbar, dass diesen Raus-raus-raus-Job in Berlin so häufig meine | |
Freundin übernimmt. Doch hier ist keine Freundin. Hier bin nur ich, die | |
Kinder, Windstärke 100 und der Regen. | |
Wie komm ich jetzt drum herum, da draußen Schatzsuche spielen zu müssen? | |
Oder bibbernd hinter der Schaukel zu stehen? Oder in den nassen, kalten | |
Sand in der Sandkiste zu greifen? [1][Sand an sich ist ja schon Strafe | |
genug], aber dann noch nass, eklig und klebrig?!? Warum hasst Gott mich so? | |
## Regenjacke, Rucksack und Opas Fernglas | |
Und dann stehen sie da. Erwartungsfroh hat Tochter eins nicht nur ihre | |
Regenjacke angezogen, sondern auch einen Rucksack aufgesetzt und Opas | |
Fernglas um den Hals baumeln. Sie scheint sich auf einen längeren | |
Aufenthalt im Freien einzurichten. Oh no. | |
Egal. Arsch hoch, Kruse. Raus geht’s. | |
Ich kann nicht behaupten, dass es dann doch viel schöner war. Wind, Regen | |
und Sand und Kindern hinterherdackeln ist nicht die riesengroße Erfüllung, | |
nach der es auf den Im-Herbstlaub-herumtollen-Posts bei Instagram immer | |
aussieht. Aber mittlerweile bekommt man immerhin Lob für die geleistete | |
Arbeit. Vor Kurzem sagte Tochter eins zu meiner Freundin: „Danke, Mama, | |
dass du immer das machst, was mich glücklich macht.“ Kein Scherz. Hat sie | |
gesagt. | |
Das ist jetzt mein Ansporn. Vor jedem Rausziehen in Schimmelreiter-Manier | |
in den unbarmherzigen Wind schwöre ich mir, dass ich irgendwann auch solch | |
ein Lob bekommen werde. Noch war es zwar nicht so weit, aber letztens beim | |
Ausziehen nach dem Spielen hat Tochter zwei mir ins Gesicht geniest. So | |
richtig mit Auswurf. Wir nähern uns also an. | |
28 Oct 2018 | |
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## AUTOREN | |
Jürn Kruse | |
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