| # taz.de -- Kolumne Nach Geburt: Papi gehört immer mir | |
| > Wenn Kinder und Krankheiten die Sandburg aus Tagesordnungspunkten einfach | |
| > wegspülen – dann brauchen wir: Etwas Neues! | |
| Bild: In Vollzeit kranke Kinder bespaßen – der neue, angesagte Papajob | |
| Erst Kind zwei krank, dann Kind eins, parallel dazu meine Freundin – und | |
| jetzt ich. Seit einem Monat geht das so. Zu Hause bleiben, Arbeitsausfall – | |
| und die Töchter pflegen und bespaßen, während ich mich doch in meinem | |
| eigenen Elend suhlen will. | |
| Und gerade jetzt, da es eh beschissen läuft, können wir ja auch mal ganz | |
| grundsätzlich darüber diskutieren, wie wir uns das Leben und das Arbeiten | |
| eigentlich vorstellen. Nach dem Motto: Wir müssen etwas ändern. | |
| Wenn ich die Brandung solcher Gespräche nur erahne, nehme ich meistens | |
| schon die von der Ersten Allgemeinen Verunsicherung gelernte Büßerhaltung | |
| an: [1][Morgen, ja morgen fang] ich ein neues Leben an, und wenn nicht | |
| morgen, dann übermorgen oder zumindest irgendwann. | |
| Die normale Woche ist so eng getaktet – aufstehen, anziehen, zur Kita | |
| bringen, arbeiten, abholen, turnen oder was weiß ich, Abendbrot, ins Bett | |
| bringen und viel zu spätes Einschlafen der Kinder, aufräumen, sauber machen | |
| –, dass ich a) immer wieder froh bin, nicht alleinerziehend zu sein und | |
| höchsten Respekt vor Menschen habe, die das alleine wuppen, und b) jede | |
| Krankheit, jedes unerwartete Ereignis zur Welle wird, die diese Sandburg | |
| aus Tagesordnungspunkten einfach davonspült. | |
| ## Blutiges Zahnfleisch | |
| Und es geht nicht nur uns so: In unserem Bekanntenkreis haben fast alle | |
| Eltern blutiges Zahnfleisch vom Draufrumlaufen. Da zerbrechen gerade die | |
| ersten Beziehungen, da werden Väter bei der Arbeit abgestraft, weil ihr | |
| Kind zu oft krank sei, da sind Mütter unzufrieden, weil sie das Gefühl | |
| haben, sich trotz Studium und Berufserfahrung zumindest in Teilzeit in der | |
| Rolle der 1950er-Jahre-Hausfrau wiederzufinden. | |
| Fast alle eint, dass sie zusammengenommen mindestens 60 Wochenstunden | |
| arbeiten, dass er Vollzeit arbeitet, sie Teilzeit, dass die Option, dass | |
| sie oder er gar nicht mehr arbeiten geht, ausgeschlossen ist, weil nicht | |
| gewollt und finanziell auch nicht gekonnt. | |
| Was tun? Familienarbeitszeit, also beide gehen auf eine 75- oder | |
| 80-Prozent-Stelle, teilen sich möglichst die Erziehungsarbeit und bekommen | |
| dafür vom Staat 300 Euro in die Hand gedrückt? Mehr Homeoffice (um dann die | |
| Kinder zu betreuen und gleichzeitig auch noch zu arbeiten)? Flexiblere | |
| Arbeitszeiten (flexibel ist das moderne Zauberwort: bedeutet nichts und | |
| läuft am Ende auf die völlige Entgrenzung der Arbeitszeit hinaus)? | |
| Ich gebe zu, ich irre bei der Suche nach dem optimalen Weg, Familie und | |
| Beruf zu vereinbaren, ziemlich umher (und misstraue auch allen, die meinen, | |
| den einen richtigen Pfad zu kennen). Das einzige Element, das viele | |
| Familien verbindet und fix verändert werden könnte, ist die Vollzeitarbeit | |
| der Väter. Wie wäre es also, wenn Väter geschlossen in Teilzeit gehen | |
| würden? Die dadurch entstehenden Lücken müssten doch bei dem derzeit so | |
| angespannten Arbeitsmarkt zwangsläufig auch von den teilzeitarbeitenden | |
| Müttern gestopft werden. Die Arbeitszeit würde sich also teilweise von | |
| selbst angleichen. | |
| Und dann müsste sich in einem zweiten Schritt nur noch die Erziehungs- und | |
| Hausarbeit angleichen. | |
| Und in einem dritten Schritt muss dann das Problem mit den Krankheiten | |
| endlich gelöst werden. | |
| 17 Jan 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.youtube.com/watch?v=-YnAsrb6HHw | |
| ## AUTOREN | |
| Jürn Kruse | |
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