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# taz.de -- Die Wahrheit: Taktlos tickt das Taxameter
> Taxis und Taxisongs schleudern durch eine sehr eigene, meist nächtliche
> Welt. Eine melodiöse Droschkenfahrt zwischen Berlin und Paris.
Bild: Taxifahrten versprechen immer etwas Glamour, manchmal sogar Sex
Regen fällt auf ein virtuelles Paris. Aber auch Berlin sieht
jahrzeitentypisch verhangen und dunkel aus in dieser Nacht. Man sitzt in
einem Taxi. Zu viert, und dann in abnehmender Reihenfolge. Irgendwann
steigt jemand aus, dann geht die Fahrt weiter, bis wieder jemand aussteigt.
Eine Gruppenfahrt. Über X und Y nach Z und schließlich dann nach A. Hat man
schon erlebt. Oder etwa nicht?
Taxifahrten versprechen immer etwas Glamour. Das Leben ist für eine Fahrt
lang aufregend, aufregender als sonst. Die Lichter der Großstadt leuchten
wie ein Versprechen, der Alkoholpegel macht wohlig, satt, wuschig,
aufgedreht, erhaben und von Hybris beseelt, und zwar alles gleichzeitig. Um
es in einem Namen zusammenzufassen: Felix De Luxe. Genau so fühlt man sich
dann.
Felix De Luxe, so hieß eine Band, die der „Neuen Deutschen Welle“
zugerechnet wird, aber eigentlich Schlagermusik gemacht hat. Größter,
mithin einziger Hit: „In einem Taxi nach Paris“. Da geht es
selbstverständlich um die Romantik spontaner Entscheidungen, die dann
schwer aufs Konto drücken.
Der Taxifahrer vorn am Steuer heißt, wie könnte es anders sein, Joe. „Joe
le Taxi“. So nennen sie ihn: Joe, das Taxi. Joe hat einen Wunderbaum am
Spiegel hängen, schließlich ist bald Weihnachten. Und er hat das Radio
laufen. „C’est sa vie“.
## Maulfauler Fahrer
In Paris kennt sich Joe bestens aus, in Berlin ist er ein Taxifahrer wie
jeder andere, schnoddrig, meist maulfaul, findet immer seinen eigenen Weg.
Immerhin ist Joe kein Taxifahrer aus Köln, die nutzen die verwirrende
Verkehrsstruktur ihrer kleinen, vormittelalterlichen Stadt gern dazu,
dreimal um den Block zu fahren, um den Fahrpreis zu erhöhen. Sodass man als
passives Mitnahmeobjekt auf den hinteren Sitzen nur noch zum Erikativ nach
Frau Dr. Fuchs greifen kann und ein mürrisch-resigniertes „Rumgurk!“ von
sich gibt.
Immerhin noch besser als Frankfurt. Wie heißt das alte Bonmot? Die
Frankfurter Taxifahrer sind die schlimmsten von ganz Berlin. Aber in Berlin
ist ja alles anders. Die Straßen sind breit, fast wie in Paris, der Verkehr
übersichtlich. Der eine oder andere Radfahrer muss sich vorsehen, wo sind
wir denn auch, ist immer noch Deutschland hier!
Joes Radio läuft. Joes Radio erzählt die Weltnachrichten, unterlegt von
Fahrstuhlmusik, man stellt sich einen Aufzug vor, in dem es ein Radio gibt
oder besser noch: einen Aufzug mit einem Liftboy, der den Ticker laut
vorliest, aber das ist auch schon wieder eine veraltete Vorstellung.
Draußen ziehen die Lichter der Großstadt großstädtisch vorbei,
Leuchtreklamen, die „Open Erotik“ versprechen, ein Restaurant, das Hannibal
Lecker heißt, und in dem das Menschenfleisch noch brav an den Tischen
sitzt. Obwohl, wer weiß? Und schon kommt die tägliche Meldung vom Sport,
und dann kommt eine laszive Frauenstimme, die für das Wetter zuständig ist.
Abgleichender Blick nach draußen, ja, wolkenverhangen, ansonsten „alles
stabil“, genauso kommt es einem auch vor. Noch ein Jingle, und noch eine
Stimme, die klingt wie gerade in Vanilleeis gebadet, und endlich wieder
Musik.
„Mr. Cab Driver, won’t you stop to let me in / Mr. Cab Driver, don’t like
my kind of skin / Mr. Cab Driver, you’re never going to win …“
Ach, die tieferen Wahrheiten des Taxilieds! Und, oh, die tiefer gelegten
Wahrheiten des deutschen Schlagers! Felix De Luxe, da waren wir. Auf dem
Weg nach Paris. Ist gar nicht so lohnend, so eine Taxifahrt nach Paris,
auch für Joe nicht, der kann zwar nach all den Standzeiten an grünen Ampeln
und den ach so kreativen Abkürzungen rund 2.200 Euro berechnen, aber dafür
hat er dann eine Leerfahrt heim, eine Lehrfahrt mit h, nur „Joe, das Taxi“
im Taxi und das Radio, das spielt: „Man nahm uns mit, und ich wusste wohin,
/ ich war so wild nach französischen Küssen. / Mona Lisa streckte mir die
Zunge raus / und tat sie nach Paris, als sie mich lächelnd übersah.“
Kein Zuckerschlecken also! Da bleiben wir doch lieber in Berlin, wo wir
nämlich noch einen Koffer zu Hause stehen haben und mehr als das. Neulich
hat man den ersten Obdachlosen gesehen, der einen ausrangierten Rollkoffer
hinter sich herzog, so schnell geht das mit dem Habitus.
## Vergebliches Sehnen
Eine andere Band, die im englischen Wikipedia-Eintrag zu „Neue Deutsche
Welle“ in der Abteilung „Mainstream“ verzeichnet ist, hieß Jawoll. Richt…
gelesen: Jawoll! Deren Taxilied hieß schlicht „Taxi“ und beschrieb die
Vergeblichkeit alles Sehnens so: „Die Leute in der Disco / alle hohl und
stumm / die Frauen zu sexy / die Jungs zu dumm.“ C’est sa vie.
An der Windschutzscheibe innen reibt sich eine Fliege gehässig die Beine.
Sie hat hier einen guten Platz für den Winter. Fährt umsonst mit. Draußen
laufen die Leute als ihre eigenen Klischees herum. „Ich hab es gern, wenn
sich zwei Welten drehn / und die Sterne funkeln wie die Laternen im
Dunkeln“, reimen Felix De Luxe.
Prince wäre schön, denkt man: „Lady cab driver, can you take me for a ride?
/ Don’t know where I’m goin’‚ cause I don’t know where I’ve been / …
put your foot on the gas, let’s drive.“ Der „Taxi-Driver-Song“ der Gebr…
Blattschuss hat auch einen schönen Refrain: „Tick, tick, tick geht das
Taxameter.“ Ein Lied aus den Zeiten, als alle noch analogue natives waren.
Hey Joe, das Taxi, alles klar? Fellkragenjacke, Taxizentrale. Schicht geht
noch bis acht. Zu Hause wartet ein leergefegtes Ehebett und eine
ausgekühlte Wärmflasche. „Took a trip down Anita Way / Had to go on the 1st
of May / Didn’t have much to celebrate / Heart failed in the back of a
taxi.“ Singen Saint Etienne.
Da vorne steigt man aus. „Will you accept my tears to pay the fare?“ Äh,
nein. X, Y und Z sind schon lange zu Hause. Dann mal raus. Gute Nacht.
3 Dec 2018
## AUTOREN
René Hamann
## TAGS
Taxi
Popkultur
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Kino
Horrorfilm
Landtagswahl in Hessen
Georgien
Bibel
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