# taz.de -- Protest in Frankreich: Straßenblockaden gegen Spritpreise | |
> Wütende Bürger formieren sich in ganz Frankreich. Der Protest aus dem | |
> Volk könnte Präsident Macron gefährlich werden. | |
Bild: Widerstand gegen den französischen Präsidenten Macron: Wie gefährlich … | |
PARIS taz | Mit mehr als 650 Straßenblockaden in ganz Frankreich wollen am | |
Samstag Tausende gegen die Erhöhungen der Treibstoffpreise protestieren. | |
Seit Tagen bereits legen sie als Zeichen ihrer Verärgerung über staatliche | |
Abgaben, die Diskriminierung der ländlichen Gebiete und die herablassend | |
regierende Elite ihre gelben Warnwesten gut sichtbar vor das Lenkrad ihrer | |
Autos, Lastwagen oder Traktoren. | |
Niemand kann sagen, wie weit dieser offenbar seit längerem angestaute Groll | |
gehen kann. Präsident Emmanuel Macron und seine Regierung fürchten nichts | |
mehr als einen Konflikt mit unberechenbaren Widersachern und eine | |
Ausweitung in mehrere Richtungen. Seit Tagen verteilen Leute in gelben | |
Signalwesten überall im Land auf Plätzen oder Märkten Handzettel mit dem | |
Appell, ganz Frankreich am Samstag und womöglich sogar darüber hinaus zu | |
blockieren. | |
Kleine Gruppen treffen sich auf Parkplätzen vor Supermärkten, um ihre | |
Aktion zu koordinieren. Die Wenigsten kannten sich, sie haben auf den | |
sozialen Netzwerken, ohne die diese Bewegung nie so angewachsen wäre, | |
Kontakt aufgenommen. Die ganze Planung kann man auf interaktiven Landkarten | |
im Internet verfolgen. | |
Hinter der Bewegung steckt keine Partei oder Berufsorganisation. Die | |
„Drahtzieher“ sind unbekannte und unorganisierte Facebook- und | |
Twitter-Nutzer, deren Zornausbruch und Aufruf zum Handeln zigtausendfach | |
weiterverbreitet wurde. Mittlerweile ist aber auch die Opposition von | |
rechts und links auf diesen Zug aufgesprungen. | |
Macron hat Volkszorn unterschätzt | |
Namentlich die nationalistische Rechte (Ex-Front national und „France | |
debout“) möchte in dieser Bewegung gegen den Staat ihre eigene | |
Protestwählerschaft erkennen. Aber auch die linke „France insoumise“ und | |
die Sozialisten unterstützen diese Aktionen gegen eine Regierungspolitik, | |
die sie als ungerecht und arrogant kritisieren. Jedenfalls hatte Macron | |
diesen „ras-le-bol“ (Volkszorn) unterschätzt und die Vorzeichen des | |
Konflikts nicht genügend ernst genommen. | |
In einem Fernsehinterview beim Besuch eines Flugzeugträgers sagte er: „Es | |
ist mir nicht gelungen, das französische Volk mit seiner Führung zu | |
versöhnen, das schmerzt mich.“ Die Bürger verdienten mehr Beachtung und | |
Respekt, meinte er. Seine Popularitätswerte sind mittlerweile auf fast 20% | |
gesunken, doch er dachte, dass wenigstens seine Klimapolitik auf breite | |
Zustimmung stoßen würde. | |
Die Energiewende ist seine Rechtfertigung für Maßnahmen, die BürgerInnen | |
mit finanziellen Anreizen und Verteuerungen zu umweltfreundlicheren | |
Verkehrsteilnehmern zu erziehen. Im Bereich der Treibstoffpreise, bedeutet | |
dies, dass nach einer Erhöhung der staatlichen Abgaben (TICPE) um fast 8 | |
Cents für Diesel und 4 Cents für Benzin zu Beginn des Jahres 2018 an der | |
Tankstelle am kommenden 1. Januar ein weiterer Zuschlag geplant ist: Plus 6 | |
Cents für den Diesel und nochmals 3 Cents mehr für Benzin. | |
In der Zwischenzeit waren die Preise pro Barrel auf dem Rohölmarkt stark | |
angestiegen, die Kosten für das Auftanken erreichten Rekordhöhen. Mit der | |
TICPE (sie beträgt 60% des Diesel- und Benzinpreises an der Zapfsäule) und | |
der auch auf dieser Abgabe zusätzlich erhobenen Mehrwertsteuer verdient der | |
Staat kräftig mit. Vor allem AutofahrerInnen, die ihr Fahrzeug beruflich | |
nutzen oder in abgelegenen Gebieten wohnen, fühlen sich als „Milchkühe“ d… | |
staatlichen Steuerpolitik. | |
Mehreinnahmen kommen nicht dem Klima zugute | |
Vielleicht würden viele von ihnen diese Opfer für das Klima akzeptieren, | |
wenn diese zusätzlichen Einnahmen der Staatskasse tatsächlich dem guten | |
Zweck, nämlich der Finanzierung der Energiewende dienen würden. Das ist | |
jedoch nicht der Fall. Nur gerade 7,2 Milliarden Euro oder 19,1% der rund | |
50 Milliarden Euro Einnahmen aus der TICPE werden laut dem Staatshaushalt | |
für 2019 dafür verwendet. 45,1% dagegen stehen dem Staat für andere | |
Ausgaben oder zur Defizitdeckung zur Verfügung, 32,6 werden für die lokalen | |
und regionalen Ausgaben bereit gestellt, ohne aber an irgend welche | |
Umweltauflagen gebunden zu sein. | |
Vom kleinen Rest (3,2%), über die Verkehrsprojekte mitfinanziert werden | |
sollen, kann wenigstens der Teil für Bau und Unterhalt von Bahnschienen als | |
Klimapolitik verkauft werden. Diese Analyse der geplanten Verwendung | |
entlarvt die angebliche „Ökosteuer“ auf Treibstoffe als banale | |
Steuererhöhung zur Sanierung der öffentlichen Finanzen. | |
Premierminister Edouard Philippe will ungeachtet der drohenden Protestwelle | |
und Macrons Mahnung, den Klagen mehr „Beachtung“ zu schenken, am | |
eingeschlagenen Kurs der Abgaben auf Treibstoffe festhalten. Aber er möchte | |
mit zusätzlichen Prämien und Subventionen für die ärmsten Haushalte diese | |
Politik sozial abfedern: Die Einkommensschwachen erhalten bis zu 200 Euro | |
pro Jahr an die Heizkosten, Prämien gibt es beim Kauf neuer Anlagen, die | |
alte Heizölkessel ersetzen, bis zu 4000 Euro beim Kauf von Autos, welche | |
die Umwelt weniger belasten. | |
Regierung droht „Gelben Westen“ mit Polizei | |
Philippe hofft zudem, dass die derzeit wieder leicht sinkenden | |
Rohstoffpreise der Protestbewegung den Wind aus den Segeln nehmen. Zugleich | |
drohte aber Innenminister Christophe Castaner den „Gelben Westen“ | |
provokativ mit polizeilicher Repression. Die Organisatoren geben sich von | |
dieser Zuckerbrot-und-Peitsche-Politik der Staatsführung unbeeindruckt. | |
16 Nov 2018 | |
## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
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