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# taz.de -- SPD-Abgeordneter Bülow hat genug: Ein Solo-Kämpfer tritt ab
> Der SPD-Linke Marco Bülow verlässt die Partei. Diese lerne nicht mal aus
> katastrophalen Niederlagen, findet er. Zur Linken wechselt er erstmal
> nicht.
Bild: Marco Bülow verkündet am Dienstagvormittag seinen Austritt aus der SPD
Berlin taz | Um kurz vor elf betritt Marco Bülow einen kleinen Raum in
einem Bundestagsgebäude am Boulevard Unter den Linden in Berlin. Er wirkt
unauffällig, graue Jacke, Rucksack, nicht wie der Hauptdarsteller der
Pressekonferenz. Bülow (47) blinzelt in die Kameras und verkündet, dass er
nach 26 Jahren die SPD verlässt. „Das ist keine Ad-hoc-Aktion“, sagt er.
„Ich gehe nicht mit Häme, eher mit Traurigkeit.“
Sein Mandat wird er behalten – als einzelner Abgeordneter. Ein Wechsel zur
Linksfraktion sei erst mal nicht geplant. Angebote gab es zwar schon, aber
Bülow zögert. Er hat vor ein paar Monaten die Progressive Soziale Plattform
gegründet, mit mäßigem Erfolg. Er engagiert sich für Sahra Wagenknechts
Aufstehen-Bewegung. Ob er da künftig tiefer einsteigen wird, bleibt unklar.
Seit 2002 hat Bülow seinen Dortmunder Wahlkreis fünf Mal in Folge direkt
gewonnen. Das gehe theoretisch auch ohne Partei, meint er später. Ein klare
Zukunftsplanung klingt anders.
Es geht Bülow an diesem Dienstag aber nicht um die Zukunft, sondern um die
Vergangenheit: den Hagel von Fehlern der SPD, ihren „Absturz ohne
Lerneffekt“. Er redet eine gute halbe Stunde lang und präsentiert eine
großformatige, wuchtige Abrechnung. „Egal wie katastrophal die
Wahlergebnisse sind“ – die Parteispitze mache einfach so weiter.
## „Fancy Debattencamp“
Sogar nach den Wahlen in Bayern und Hessen habe die Partei bloß „ein fancy
Debattencamp“ inszeniert und so getan, als würde alles funktionieren –
dabei sei der Scherbenhaufen doch unübersehbar. Die SPD-Spitze habe jene
Sacharbeit beschworen, die nicht Rettung, sondern Ursache des Unheils sei.
Sie habe Angst vor Neuwahlen, Angst vor Streit mit der Union und Angst vor
einer Urwahl. „Wir“, sagt Bülow, „machen eine angstgetriebene Politik.“
Manchmal fällt er noch in die Wir-Form.
Das Bild, das der Ex-Sozialdemokrat Bülow zeichnet, ist rabenschwarz. Die
SPD ist eine einzige Verlustanzeige. Beim Klimaschutz herrsche
„Totalversagen“. Die Große Koalition sei das Korsett, das jede Erneuerung
unmöglich mache. Früher, in den 90er Jahren, habe es immerhin vitale
Debatten um strittige Fragen wie den Großen Lauschangriff gegeben. Doch
davon sei nichts übrig geblieben. „Wir sind ein Wahl- und ein
Karriereverein geworden.“
„Die Haushaltsdebatte“, so Bülow, „hat mir den Rest gegeben.“ Sang- und
klanglos habe die SPD die Erhöhung des Verteidigungsetats um mehr als vier
Milliarden Euro durchgewunken. Die Ausgaben für humanitäre Hilfe, die laut
Koalitionsvertrag in gleichem Maße erhöht werden sollten, seien nur um eine
Milliarde Euro gestiegen. Die Sozialdemokraten folgten damit „der
Trump-Doktrin“, einer drastischen Steigerung der Rüstungsausgaben.
## Am Ende isoliert
Mit Bülow verliert die SPD-Fraktion einen engagierten Streiter für die
Kontrolle von Lobbyisten. Einen, der lieber solo als im Team spielt. „Am
Schluss“, sagt die SPD-Linke Hilde Mattheis der taz, „war er schon etwas
isoliert.“ Sein Austritt habe sich länger angekündigt – etwa als er die
Progressive Sozialen Plattform gründete und anfing, sich bei Aufstehen zu
engagieren. Sie hoffe, sagt Mattheis, „dass er sich die Tragweite dieser
Entscheidung klar gemacht hat“.
Warum er gerade jetzt die SPD verlässt? Und nicht etwa mit der Bildung der
Großen Koalition? Bülow sagt, er habe die letzte Hoffnung nach den
Wahldesastern in Bayern und Hessen verloren. Er forderte damals einen
Sonderparteitag und die Urwahl der Parteispitze. Keine Kurskorrektur,
sondern Neuanfang und Tabula rasa. Dass die SPD-Spitze auf ein „Weiter so“
setzt, habe ihn nicht überrascht. Eher, dass „der Aufstand der Basis“
ausblieb und nun „Grabesruhe“ herrscht.
Bemerkenswert ist, dass in Bülows Generalabrechnung kein Name fällt, kein
böser Halbsatz über Andrea Nahles oder Olaf Scholz. Da redet kein maßlos
Wütender. Eher ein maßlos Enttäuschter.
27 Nov 2018
## AUTOREN
Stefan Reinecke
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