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# taz.de -- Leben auf dem Mars: Warum bist du so gottverdammt tot?
> Schade, dass der Mars keine zweite Erde ist. Ab Montag sucht die
> Nasa-Sonde „Insight“ nach den Gründen für unsere kosmische Einsamkeit.
Bild: Dreidimensionales Mars-Panorama aus der Perspektive des Mars-Pfadfinders …
Im Januar wird Matthias Grott ein Loch in den Mars bohren. Fünf Meter tief
– Rekord im Löcherbohren auf anderen Himmelskörpern. Die bisherige
Bestmarke hält der Apollo-17-Astronaut Harrison Schmidt: 1972, Mond, drei
Meter.
Im Gegensatz zu Schmidt meißelt Grott natürlich nicht selbst. Er forscht am
Institut für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und
Raumfahrt in Berlin und besteigt keine Raumschiffe. Aber Grott hat einen
Bohrer samt Labor mitentwickelt, das am Montagabend um 21 Uhr deutscher
Zeit auf dem Mars ankommt, an Bord der Nasa-Raumsonde Insight. Geht alles
gut, wird im Januar ein Roboterarm der Insight Grotts „Marsmaulwurf“
genanntes Labor HP3 auf den Boden vor sich platzieren – damit steht dann
ein komplett in Deutschland gebautes Ding auf dem Roten Planeten.
Das Roboterlabor soll herausfinden, warum der Mars eine so gottverdammte,
tote Wüste ist: Die durchschnittliche Oberflächentemperatur liegt bei minus
63 Grad Celsius, flüssiges Wasser gefriert sofort oder verdampft wegen der
dünnen Atmosphäre spätestens bei 10 Grad.
Es ist eine wahrlich große Tragödie. Denn mit etwas planetarer Fortune
könnte es auf dem Mars heute deutlich sichtbares Leben geben. So aber steht
ein schrecklicher Verdacht im Weltenraum: Womöglich ist ein so lauschiges,
blau funkelndes Örtchen wie die Erde extrem selten im kalten All. Und der
Mensch dann vielleicht das am höchsten entwickelte Wesen des Universums.
Sollen wir wirklich alles sein? Nach 13,81 Milliarden Jahren Sein,
Existenz, Dinglichkeit des Kosmos? Wie sinnlos.
Schon ein wenig Mikrobenschleim auf dem Mars wäre ein Zeichen, dass aus der
Chemie des Alls Leben entsteht, wo geht. Wir wären dann wohl kaum die
einzigen grüblerischen Wesen mit Hang zu Poesie und Totschlag.
## Vor vier Milliarden Jahren waren Mars und Erde gleich
So aber scheint der Mars tot zu sein, obwohl die Nasa den Roten Planeten
einen Zwilling der Erde nennt. Denn vor vier Milliarden Jahren waren beide
gleich, so der Stand der Forschung. Die Zwillinge waren warm und nass und
hatten eine dicke Atmosphäre. Auf der Erde entstanden in den Ozeanen erste
einfältige, einzellige Lebensformen. Auch der Mars hatte reichlich Wasser,
noch heute ziehen sich Adern von ausgetrockneten Strömen über den Planeten,
die in kahle Ebenen münden, womöglich einst Meere. Dort könnte eine von der
Erde unabhängige, zweite Geburt des Lebens stattgefunden haben.
Weil der Mars kleiner und leichter ist als die Erde, verlor er mangels
ausreichender Gravitation seine Atmosphäre, sein Wasser entwich
größtenteils ins All. Falls es noch einfaches, bakterienähnliches Leben
gibt, so muss es Zuflucht unter der Oberfläche gefunden haben, wo noch
Wasser vorhanden ist. Die nackte, erstarrte Oberfläche des Mars ist wie
konserviert in einem Zustand von vor Milliarden von Jahren – und weil der
Mars aus dem gleichen Material entstand wie die Erde, ist alles Wissen über
den Mars heute auch Wissen über die Kleinkindphase unserer Heimat.
Matthias Grott und sein Team wollen wissen, wie vital der Mars noch ist.
Auf Grotts Berechnungen geht die Lochtiefe von 5 Metern zurück – aus dem
Temperaturunterschied zur Oberfläche lässt sich errechnen, wie viel Wärme
noch im Inneren des Mars steckt, ob der Kern noch aus flüssigem Gestein
besteht, wie die Erde. „Wir wollen herausfinden, wie Planeten wirklich
interessante Sachen machen können. Also wie viel Energie es für ein
Magnetfeld und für Vulkanismus gibt. Beides ist für die Entwicklung der
Atmosphäre wichtig, und beides ist wichtig für Leben“, sagt Grott.
Womöglich ist der Planet im Inneren sogar noch so warm, dass es unter den
Polkappen aus gefrorenem Wasser und Kohlendioxid noch flüssige Seen gibt –
in denen bis heute Leben überdauern könnte.
## Nicht zu große Hoffnungen hegen
Nach Marsmikroben buddeln wird Insight allerdings nicht. Sollte Leben auf
dem Mars unter der von kosmischer Strahlung gegrillten Oberfläche
überdauert haben – dann ist es verdammt schwer zu finden. Einer, der das
wissen muss, ist Fred Goesmann. Der Physiker arbeitet am
Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen und bastelt
gerade an einem Labor, das die europäische Raumfahrtagentur Esa und
Russland im Jahr 2020 gemeinsam zum Mars schicken wollen. Dieses Labor
könnte das Zeug dazu haben, Leben nachzuweisen. Wobei Goesmann da sehr
vorsichtig ist. Nur keine zu hohen Erwartungen wecken. „Haben Sie mal
versucht, winziges, kaum mehr vorhandenes Leben auf einem fast toten
Planeten nachzuweisen? Das gibt eine Indizienkette, nicht die große
Sensation“, sagt er. Die Suppe, in der was zappelt, die werde man nicht
finden.
Die Nasa kann ein Lied davon singen. Im Jahr 1976 suchte sie sehr
gewissenhaft nach Mikroorganismen im Marsboden. Damals landeten die beiden
Viking-Sonden auf dem Planeten, entnahmen Proben und testeten, ob es darin
Stoffwechselvorgänge gibt – vulgo, ob etwas atmet, isst und kackt. Bis
heute gibt es Diskussionen über die Ergebnisse. Tatsächlich schien es, als
habe etwas im Marsboden eine beigemischte Nährlösung aufgenommen und als
Abfallprodukt Gase ausgeschieden. Doch ein anderes Experiment schlug fehl.
Es sollte organische Moleküle nachweisen. Die können, müssen aber nicht zu
lebenden Organismen gehören – auch Plastik, Erdgas oder Alkohol sind zwar
organische Verbindungen, aber ziemlich tot. Die Viking-Sonden fanden
jedenfalls: überhaupt nichts, nada. Was damals ein großes Rätsel war.
„Bei Viking hat die Nasa gesagt, weil wir keine organischen Moleküle
nachgewiesen haben, kann da auch kein Leben sein. Eine etwas brutale
Schlussfolgerung, aber okay“, sagt Goesmann. Heute weiß man, wo das Problem
lag: 2008 entdeckte die Nasa-Sonde Phoenix sogenannte Perchlorate im
Marsboden. Ein Stoff, der auch in Silvesterraketen drin ist. Macht Bumm,
wenn heiß. Die beiden Viking-Labore erhitzten den Marsboden auf bis zu 500
Grad, um ihn zu analysieren. Sollten sie tatsächlich Leben an der Angel
gehabt haben, haben die Perchlorate es pulverisiert. Mit diesem Wissen
ausgestattet setzte die Nasa dann 2012 den Rover Curiosity auf dem Roten
Planeten ab. Der hat tatsächlich organische Moleküle nachgewiesen – aber
noch nichts, was typisch für Leben ist .
Fred Goesmann nun könnte die Indizienkette auf der Suche nach
Mikroben-Marsianern schließen. Sein Instrument wird Bodenproben mit
Laserblitzen analysieren und so die organischen Moleküle sehr genau
vermessen können, bevor sie kaputt sind. „Wir können dann sagen, was das
ist und ob es potentiell ein Baustein von Leben gewesen sein könnte“, sagt
er.
Doch selbst dann stünde da immer noch der Verdacht, dass diese Bauteile von
der Erde eingeschleppt worden sind – „Instrumente nicht richtig geputzt“,
sagt Goesmann. Falls eindeutig lebende Zellen auf dem Mars nachgewiesen
werden sollten, selbst dann wüsste man nicht, ob die nicht von der Erde
stammen. Denn Mars und Erde tauschen sich aus: Nach Asteroideneinschlägen
schleudern sie Gesteinsbrocken ins All, die irgendwann beim Nachbarn
einschlagen. Mikroben können den Trip durchs All überleben, das weiß man.
Die marsianischen Mikroben müssten also genau analysiert werden, um
herauszufinden, ob auf dem Mars unabhängig von der Erde Leben entstand –
oder ob sich die Planeten gegenseitig infizierten.
„Sobald Menschen auf dem Mars rumhirschen, ist es allerdings vorbei mit der
Suche nach Leben dort. Dann ist alles mit irdischen Mikroorganismen
kontaminiert“, sagt Goesmann. Die Sorge, dass außermarsianische Aliens von
der Erde das hauchzarte Leben auf dem Mars ausrotten könnten, teilen Nasa
und Esa. Raumsonden, die auf dem Mars landen, werden sterilisiert, bevor
sie losdürfen. Insight landet extra an einer Stelle, die so unwirtlich ist,
dass blinde Passagiere von der Erde keine Überlebenschance haben. Versetzen
Sie sich nur mal in eine Mars-Mikrobe: Die Vorfahren haben Milliarden von
Jahren unter härtesten Bedingungen auf einem kargen Wüstenplaneten
überlebt. Dann sterben alle. Weil der Mensch kommt. Wäre ziemlich typisch
für uns.
26 Nov 2018
## AUTOREN
Ingo Arzt
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gekreist.
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