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# taz.de -- G20-Razzia war ein Irrtum: Asienreise statt Gipfelrandale
> Die Polizei warf einem Studenten Landfriedensbruch beim G20-Gipfel vor
> und durchsuchte seine WG. Blöd ist nur: Zur Tatzeit war er in Japan.
Bild: Sieht ein bisschen aus wie Hamburg, ist aber Tokio
Göttingen taz | Die Polizei kam im Morgengrauen. Dutzende mit Sturmhauben,
Helmen und Schlagstöcken ausgerüstete Beamte, unter ihnen auch Mitglieder
der Hamburger Sonderkommission „Schwarzer Block“, durchsuchten am 28. Juni
dieses Jahres die Wohngemeinschaft eines Göttinger Studenten und schleppten
massenweise vermeintliche Beweismittel ab. Auch ein Laptop mit der halb
fertigen Masterarbeit, Kleidung und das Hörspiel „Die Känguru Chroniken“
wurden eingesackt. Einiges davon ist bis heute nicht zurückgegeben worden.
Der im Durchsuchungsbeschluss formulierte Vorwurf wog schwer: Der
29-jährige sollte [1][während der G20-Proteste] im Sommer 2017 einen
mutmaßlichen Zivilpolizisten verprügelt und auf diese Weise schweren
Landfriedensbruch begangen haben. Erst nach dem Warnschuss eines anderen
Beamten habe er von seinem Opfer abgelassen.
„Der Vorwurf ist absurd und wir sind gespannt, wer sich für diese
Falschbezichtigung verantwortlich zeichnet“, erklärte der Göttinger
Rechtsanwalt Sven Adam, der den Studenten vertritt, schon unmittelbar nach
der Razzia. Der Beschuldigte, der von Polizeibeamten auf Fotos
identifiziert worden sein soll, habe sich zur Tatzeit nachweislich im
Ausland aufgehalten.
Knapp ein halbes Jahr später ist diese Erkenntnis offenbar auch bei der
Staatsanwaltschaft Hamburg angekommen. Das Ermittlungsverfahren gegen den
Göttinger sei eingestellt worden, teilte die Behörde jetzt in einem
Schreiben an Adam mit.
## Beschuldigter will Geld zurück
„Der Beschuldigte befand sich während der gesamten Zeit des G20-Gipfels in
Japan“, sagt Adam. Er sei als Tatverdächtiger durch den Göttinger
Staatsschutzes benannt worden, „weil er in Göttingen politisch aktiv und
den Beamten daher bekannt ist“. Die Durchsuchung hätte ohne weiteres
vermieden werden können, „wenn ergebnisoffener ermittelt worden wäre.“
Der Betroffene werde den im Rahmen der Durchsuchung angerichteten Schaden
nun gegenüber der Staatskasse geltend machen, kündigte Adam an. Die
Staatsanwaltschaft hat die Übernahme entsprechender Kosten bereits in
Aussicht gestellt.
Ein weiterer Vorwurf gegen den 29-Jährigen ist aber noch anhängig. Er soll
gemeinsam mit einer gleichaltrigen Frau im Frühjahr in Göttingen den
damaligen Landeschef der AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“ (JA)
Lars Steinke angegangen und dabei „Scheiß Nazi“ gerufen haben. Steinke, dem
Antifa-Leute enge Kontakte zur rechtsextremen Identitären Bewegung
nachsagen, wurde bei der nächtlichen Attacke nach eigenen Angaben nicht
verletzt. Er ist inzwischen als JA-Landersvorsitzender abgesetzt worden,
nachdem er den Hitler-Attentäter Graf von Stauffenberg als Verräter
bezeichnet hatte. Ein Ausschlussverfahren aus der AfD läuft noch.
Göttinger Polizisten hätten den Mann und die Frau aus der linken Göttinger
Szene anhand von Phantombildern identifiziert, die auf Beschreibungen
Steinkes fußen, hieß es. Die Wohnung der Frau war am 29. Juni ebenfalls
durchsucht worden, dabei verschafften sich die Beamten mit einem Rammbock
Zutritt in das Gebäude.
11 Nov 2018
## LINKS
[1] /Schwerpunkt-G20-in-Hamburg/!t5417647
## AUTOREN
Reimar Paul
## TAGS
G20-Gipfel
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Staatsschutz
Göttingen
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