| # taz.de -- Flüchtlingsschiff in Libyen geräumt: Sturm auf die „Nivin“ | |
| > Sicherheitskräfte haben ein besetztes Schiff im Hafen von Misurata | |
| > geräumt. Rund achtzig Migranten hatten sich geweigert, von Bord zu gehen. | |
| Bild: Haben Angst vor Folter: Menschen auf der „Nivin“ vor der Räumung | |
| Tunis taz | Libysche Sicherheitskräfte haben am Dienstagnachmittag das | |
| Containerschiff „Nivin“ im Hafen von Misurata gestürmt. Zehn Tage lang | |
| hatten sich rund 80 Menschen geweigert, das Schiff zu verlassen. Sie waren | |
| auf dem Mittelmeer [1][gerettet und nach Libyen zurückgebracht] worden, | |
| nachdem ihr Schlauchboot einen Motor- und Wasserschaden erlitt. Sie | |
| befürchteten, in die libyschen Migrantenlager zurückgebracht zu werden. | |
| Die Einheiten, die offiziell dem Innenministerium unterstellt sind, | |
| schossen nach Aussage von Vertretern des Roten Halbmondes mit | |
| Gummigeschossen auf die Menschen an Bord, die sich mit Stangen bewaffnet | |
| hatten. Die meisten mussten aufgrund ihres schlechten Gesundheitszustandes | |
| von Bord getragen werden, sagte ein Helfer des Roten Halbmondes. Der | |
| Einsatz dauerte mehr als zwei Stunden. | |
| Zehn verletzte Migranten wurden in ein Krankenhaus gebracht. Die restlichen | |
| Besetzer wurden wie die zuvor von Bord gegangenen 29 Minderjährigen in das | |
| Migrantenlager al-Kararim östlich der libyschen Hauptstadt Tripolis | |
| gebracht. | |
| Viele der Eritreer, Sudaner, Bangladescher und Äthiopier an Bord der | |
| „Nivin“ haben eigenen Angaben zufolge bereits monatelang in privaten oder | |
| von den libyschen Behörden geführten Lagern verbracht. Diese gleichen | |
| Gefängnissen. Menschenrechtsorganisationen zufolge kommt es in den Lagern | |
| regelmäßig zu Folter und Zwangsarbeit. | |
| „Folter und Missbrauch waren an der Tagesordnung. Unsere Verwandten mussten | |
| 1.000 Dollar für unsere Freilassung schicken“, schilderte einer der Männer | |
| an Bord der „Nivin“ der taz am Telefon, bevor das Schiff gestürmt wurde. | |
| „Ich gehe um keinen Preis zurück“, sagte der aus dem Südsudan stammende | |
| Mann, der seinen Vornamen mit Kai angab. „Uns wurde gesagt, wir würden nach | |
| Italien gebracht, nicht nach Libyen.“ | |
| ## Botschafter verhandelten mit den Besetzern | |
| Vor der Räumung des Schiffs waren am Montag Verhandlungen mit den Besetzern | |
| gescheitert. Die Botschafter Bangladeschs, Sudans, Pakistans und Somalias | |
| waren nach einem Treffen im libyschen Innenministerium in Tripolis am | |
| Montag nach Misurata gefahren, um ihre Landsleute zu überzeugen, sich den | |
| libyschen Behörden zu stellen. Doch die Streikenden weigerten sich | |
| offenbar, das Schiff zu verlassen. Die Bewaffnung habe der | |
| „Selbstverteidigung“ gedient, sagte Kai. | |
| Medienvertretern war der direkte Zugang zum Schiff verwehrt. Internationale | |
| Journalisten dürfen sich in Libyen ohnehin nur mit Begleitern der | |
| Medienbehörde bewegen, die alle nach Misurata gereisten Reporter am Sonntag | |
| zurück in das 200 Kilometer entfernte Tripolis gebracht hatte. | |
| Der libysche Journalist Taher Zaroog kritisierte gegenüber der taz, dass | |
| man zumindest die Schwangeren an Bord der „Nivin“ in Krankenhäuser hätte | |
| bringen müssen. In Hinblick auf die Lage der vielen Migranten in Libyen | |
| kritisierte er, dass die lokalen Behörden mit der Versorgung der in diesem | |
| Jahr 12.300 auf dem Mittelmeer Geretteten alleine gelassen würden. | |
| Paula Barrachina Esteban vom UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR hatte noch am | |
| Montag gegenüber der taz erklärt, man versuche, zusammen mit den Behörden | |
| eine alternative Unterbringung für die Menschen an Bord der „Nivin“ zu | |
| finden. Dies ist offenbar gescheitert. | |
| Das UNHCR hat von der EU mehrere Millionen Euro erhalten, um von Milizen | |
| kontrollierte Lager zusammen mit dem libyschen Innenministerium zu | |
| verwalten. Doch selbst dem im Sommer renovierten Tariq-al-Sikka-Zentrum, | |
| das direkt neben dem Amtssitz des libyschen Premierministers Fayiz | |
| as-Sarradsch in Tripolis liegt, fehlen die nötigen Zulassungen. | |
| 20 Nov 2018 | |
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| ## AUTOREN | |
| Mirco Keilberth | |
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