# taz.de -- Schiff vor Libyens Küste: Gerettete wollen nicht an Land | |
> Im Hafen von Misrata harren mehr als 70 Menschen auf einem | |
> Containerschiff aus. Sie befürchten, erneut in libysche Lager geschickt | |
> zu werden. | |
Bild: Bloß nicht zurück aufs libysche Festland: die Geretteten an Bord der �… | |
Tunis taz | 77 Migranten weigern sich, ein Containerschiff zu verlassen, | |
dessen Besatzung mehr als 90 Schiffbrüchige am vergangenen Freitag auf dem | |
Mittelmeer gerettet hat. Die unter libyscher Flagge fahrende „Nivin“ war | |
auf dem Weg von der libyschen Hafenstadt Misrata in die Türkei, als sie ein | |
Funkspruch von der Seenotrettungszentrale in Rom erreichte. Das Schiff | |
liegt nun wieder im Hafen von Misrata. | |
Mit einem Satellitentelefon hatten die Migranten einen Wassereinbruch sowie | |
einen Motorschaden ihres Schlauchbootes gemeldet. Menschenhändler hatten | |
das seeuntüchtige Gummiboot ohne ausreichend Wasser und Proviant Richtung | |
Sizilien geschickt, berichteten Gerettete der taz am Telefon. | |
Nach der Rückkehr der „Nivin“ nach Misrata weigerten sich die | |
Schiffbrüchigen, das Schiff zu verlassen. „Wir haben Angst, in die | |
Gefängnisse zurückzukehren, in denen viele von uns gefoltert und sexuell | |
missbraucht wurden oder Zwangsarbeit leisten mussten“, berichtete ein | |
30-jähriger Mann aus Eritrea der taz am Donnerstag, der anonym bleiben | |
wollte. | |
Laut Julien Raikman, Koordinator der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen, | |
befinden sich 28 Minderjährige sowie zwei Schwerverletzte an Bord der | |
„Nivin“. Mitarbeiter der Organisation konnten 60 Migranten medizinisch | |
untersuchen und befragen. Es ist bislang jedoch nicht gelungen, die | |
Verletzten mit Hautverbrennungen in Krankenhäuser zu bringen. Das Gemisch | |
von Salzwasser und auslaufendem Benzin und Öl aus den Kanistern der | |
Schlauchboote führt regelmäßig zu schweren Verbrennungen und Verätzungen | |
von Bootsinsassen. | |
Viele der Menschen auf der „Nivin“ hätten zuvor in einem privat geführten | |
Gefängnis nahe der libyschen Stadt Al-Khoms gesessen, sagte Kamal Obeidi | |
aus dem Sudan gegenüber der taz. „Ich gehe nicht in die Gefängnisse zurück, | |
lieber sterbe ich auf dem Mittelmeer. Wir wurden von Schleppern entführt | |
und in Lager gesteckt. Immer wieder haben sie uns misshandelt, die | |
Aufnahmen davon mussten wir per WhatsApp an unsere Angehörigen schicken.“ | |
Seit Jahren erpressen die Wächter der libyschen Lager Verwandte der | |
Gefangenen mit Foltervideos. Nach der Zahlung von bis zu 2.000 Euro müssen | |
die Migranten dann Zwangsarbeit leisten, um die Weiterfahrt zu finanzieren. | |
Die libyschen Behörden verhandeln nun mit den aus Eritrea, Bangladesch, | |
Sudan und Äthiopien stammenden Menschen. Raikman lobte am Donnerstag ihre | |
Besonnenheit. Zugleich kritisierte er, dass zumindest für die Verletzten | |
und Schwangeren noch immer keine Alternativen zu den Gefängnissen zur | |
Verfügung stehen. Seit einer Woche warten die traumatisierten Menschen | |
darauf, nicht in libyschen Gefängnissen, sondern in von den Vereinten | |
Nationen geführten Evakuierungszentren aufgenommen zu werden. Diese sind | |
zwar geplant aber mangels Genehmigung der libyschen Behörden noch nicht | |
eröffnet worden. | |
15 Nov 2018 | |
## AUTOREN | |
Mirco Keilberth | |
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