| # taz.de -- Nach Rap-Video über Thailands Regierung: Die Junta rappt zurück | |
| > Ein thailändisches Musikvideo kritisiert das Militär. Es verbreitet sich | |
| > rasend schnell im Netz. Das Regime will kontern – mit kläglichem | |
| > Ergebnis. | |
| Bild: Thailand Premierminister Prayuth Chan-o-cha | |
| „Das Land, das dir eine Knarre an die Kehle setzt“, wo „man die Klappe | |
| halten muss oder hinter Gittern landet“ – so sieht eine Gruppe junger | |
| thailändischer Rapper ihr Land. Und so sehen es anscheinend Millionen | |
| weitere. Die Zeilen stammen aus einem Rap-Song, [1][der gerade im Netz so | |
| viele Klicks sammelt], dass er selbst die Militärregierung zu verzweifelten | |
| Aktionen zwingt. 17 Millionen Aufrufe verzeichnete das Video der Gruppe Rap | |
| Against Dictatorship, das seit dem 22. Oktober online ist, allein innerhalb | |
| einer Woche. Mittlerweile sind es über 34 Millionen. „Prathet Ku Mee“ hei�… | |
| der Song, „Was mein Land ist“. Die jungen Rapper stellen darin die | |
| Militärjunta an den Pranger. Die wiederum ist offenbar von der Popularität | |
| des Songs komplett überrascht worden. | |
| „Das Land, wo das Parlament zur Spielwiese der Soldaten geworden ist“ – | |
| seit dem Ende der absoluten Monarchie im Jahr 1932 hat Thailand 20 Putsche | |
| und Putschversuche erlebt. Die Armee stellt sich als Hüterin des Palastes | |
| dar und begründet die meisten ihrer Staatsstreiche mit dem Schutz des | |
| Königshauses und damit, dass sie politische Unruhen und korrupte | |
| Machenschaften habe beenden wollen – so auch bei den Putschen von 2006 | |
| [2][und 2014]. | |
| Den Status quo verkörpern innerhalb des nationalistisch-royalistischen | |
| Establishments nicht nur die Armeespitze, sondern auch die Technokratie und | |
| das alteingesessene Big Business. Die alten Eliten nehmen für sich | |
| moralische Überlegenheit in Anspruch, unverbrämt nach der Devise: „Wir hier | |
| oben wissen, was für euch da unten gut ist.“ Dagegen stehen | |
| prodemokratische Bewegungen, die in Thailand militärische Gewalt und | |
| Unterdrückung ihrer Meinung fürchten müssen. [3][Zensur ist in Thailand | |
| nichts Ungewöhnliches]. Das YouTube-Video „Prathet Ku Mee“ jedoch fordert | |
| die herrschende Junta auf besondere Weise heraus: Bei Kritik, die sich | |
| rasend schnell im Netz verbreitet, gerät das Regime an seine Grenzen. | |
| Im Song geht es um Machtmissbrauch, Einschüchterung und Korruption unter | |
| den Militärs, die im Mai 2014 unter dem damaligen Armeechef Prayuth | |
| Chan-ocha geputscht haben und sich seitdem als „Saubermänner“ inszenieren. | |
| Seither jedoch wurden Wahlen immer wieder verschoben. Zuletzt hieß es, sie | |
| sollten 2019 stattfinden: „Ein freies Land?“, fragen die Rapper höhnisch: | |
| „Fuck it.“ | |
| ## „Prathet Ku Mee“ wurde dadurch noch bekannter | |
| Für Rap Against Dictatorship sind die Missstände eine musikalische | |
| Steilvorlage – nicht viele Künstler trauen sich solche Provokationen, so | |
| sehr sie auch nötig sind. „Das Land, welches das Gesetz mit | |
| Maschinengewehren fickt“, „Das Land, wo das Innere der Hauptstadt zum | |
| Schlachtfeld wurde“ und „die Bevölkerung in zwei Teile gespalten ist“. | |
| Gleichzeitig macht Rap Against Dictatorship auch die gewaltsamen Ereignisse | |
| der 1970er Jahre zum Thema: Die Rahmenhandlung des Videos zeigt eine | |
| johlende Menge, die einen jungen Mann anfeuert. Dieser hat einen Stuhl in | |
| der Hand und prügelt damit auf einen an einem Baumast Hängenden ein. Diese | |
| brutale Szene zitiert eine berühmte Aufnahme des AP-Fotografen Neal Ulevich | |
| vom 6. Oktober 1976. Damals haben Sicherheitskräfte und rechtsgerichtete | |
| Gruppierungen protestierende Studenten ermordet, gequält und vergewaltigt. | |
| Das Massaker an der Thammasat-Universität ist eine der blutigsten | |
| Gewalttaten in Thailands Geschichte – die das Establishment gerne | |
| totschweigt. | |
| Interessant ist in diesem Fall vor allem die Ohnmacht des Regimes | |
| angesichts des Netzvideos. Zwar hatte die Polizei zunächst erklärt, gegen | |
| die Musiker vorgehen zu wollen, dann aber einen Rückzieher gemacht. Es gebe | |
| zu wenig Beweise für eine Strafverfolgung, so die offizielle Lesart. | |
| Offenbar ist das Video zu populär geworden; auch mussten die Behörden | |
| einsehen, dass die Verbreitung im Netz nicht zu stoppen ist. Die | |
| Drohgebärde ging für das Regime nach hinten los: „Prathet Ku Mee“ wurde | |
| dadurch noch bekannter. | |
| Und so versuchte es die Junta mit Gegenpropaganda – vergangene Woche | |
| veröffentlichte sie einen eigenen Rap-Song – der angeblich schon monatelang | |
| in der Mache war und nichts mit „Prathet Ku Mee“ zu tun hat. Das Problem | |
| mit diesem musikalischen Gegenschlag des Regimes: Das Video ist gähnend | |
| langweilig. [4][Rasch aneinandergeschnittene Sequenzen] zeigen sowohl das | |
| quirlige Bangkok als auch meist lächelnde Thais – als Wissenschaftler, in | |
| der Industrie, auf Reisfeldern. Mittendrin taucht immer wieder Juntachef | |
| Prayuth auf. | |
| ## Gegebenenfalls als „Unruhen“ für sich umdeuten | |
| Der Song beschwört die Einheit des Landes: „Es gibt so viele talentierte | |
| Thailänder, wenn wir zusammenarbeiten, werden wir stärker, stärker sein“, | |
| heißt es. Sogar eine Tonfolge aus der Nationalhymne wurde dafür auf das | |
| gebürstet, was das Regime als „Rap“ verkaufen will. Das Ergebnis ist so | |
| steril, dass es nicht einmal Regierungsfreunde mitreißen dürfte. Peinlich, | |
| unsäglich, zum Fremdschämen, lauteten die Kommentare im Netz. Bislang wurde | |
| das Pro-Junta-Video zwar mehr als 4,5 Millionen Mal angeklickt – allerdings | |
| stehen dort rund 4.100 „Likes“ ganze 62.000 „Dislikes“ gegenüber. | |
| Die Militärs wissen, [5][dass es im Land rumort], wollen aber Legitimität | |
| auf Biegen und Brechen. Ob es nun 2019 tatsächlich Wahlen gibt, bleibt | |
| abzuwarten. | |
| Zwar haben sich mittlerweile etliche neue Parteien gegründet, von denen | |
| sich einige Demokratie und nationale Versöhnung auf die Fahnen geschrieben | |
| haben. Doch Wahlkampf durften sie bisher nicht machen, erst im Dezember | |
| soll das Verbot politischer Aktivitäten aufgehoben werden. | |
| Unterdessen setzen regimetreue Parteien und Gruppierungen alles daran, dass | |
| Juntachef und Diktator Prayuth auch nach einer Wahl Premierminister bleiben | |
| kann. Letztlich ist auch Thailands neue Verfassung so angelegt worden, dass | |
| die Militärs durch die Hintertür weiter die Fäden ziehen. Von wirklicher | |
| Demokratie wird Thailand auch dann noch weit entfernt bleiben. | |
| Für den Fall, dass es wieder zu Straßenprotesten zwischen den | |
| rivalisierenden Lagern kommt, schließt der neue Armeechef Apirat | |
| Kongsompong, selbst Sohn eines Putschistenführers von 1991, einen weiteren | |
| Staatsstreich nicht aus. Solche Proteste hatte das Land Anfang 2006 bis Mai | |
| 2014 erlebt. Das Militär wird diese gegebenenfalls als „Unruhen“ für sich | |
| umdeuten. Damit wäre eine neue Runde im Teufelskreis politischer Gewalt | |
| vorprogrammiert. Dabei hat Thailand schon viel zu viel durchleiden müssen, | |
| kritisiert Rap Against Dictatorship. Und widmet ihren Hit in der | |
| Schlusseinstellung „allen Opfern staatlicher Verbrechen“. Vielleicht | |
| liefert ja „Prathet Ku Mee“ die nötige Initialzündung für eine ganz eige… | |
| neue Form des Protests gegen die Militärs und ihren Machtanspruch. | |
| 13 Nov 2018 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.youtube.com/watch?reload=9&v=VZvzvLiGUtw | |
| [2] /Kommentar-Putsch-in-Thailand/!5041488 | |
| [3] /Junta-Chef-verhoehnt-Reporter/!5476329 | |
| [4] https://www.youtube.com/watch?time_continue=4&v=Ck9lTSYwOKE | |
| [5] /Aufbruchstimmung-in-der-Politik/!5496927 | |
| ## AUTOREN | |
| Nicola Glass | |
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