# taz.de -- Zivilpolizisten bei G20-Gerichtsverfahren: Polizei erinnert sich ni… | |
> Die Hamburger Polizei hat auf Anfrage der Linken erklärt, sie setze nur | |
> ausnahmsweise zivile Prozessbeobachter bei G20-Verfahren ein. Im Oktober | |
> klang das noch anders. | |
Bild: Kommen mitunter auch unangemeldet und in zivil: Polizisten auf dem Weg in… | |
Hamburg taz | Bei vielen Prozessen mit G20-Bezug [1][setzt die Polizei | |
zivile Prozessbeobachter] ein. Das sagte der Dienststellenleiter des | |
Hamburger Polizeikommissariats (PK) 21 im Oktober vor Gericht. „Sie können | |
davon ausgehen, dass das auch in Zukunft der Fall sein wird.“ In der | |
Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken-Abgeordneten Christiane | |
Schneider, an deren Beantwortung die Polizei beteiligt war, klingt das nun | |
anders. | |
Daten über ProzessbeobachterInnen erhebe man nicht regelhaft. Fälle aus | |
2017 seien „nicht erinnerlich“, heißt es da. Aus dem Jahr 2018 seien bisher | |
nur zwei Verfahren bekannt, bei dem Prozessbeobachter anwesend waren, eines | |
stehe im Zusammenhang mit G20. Das dürfte das Verfahren sein, in dem ein | |
ziviler Prozessbeobachter der Polizei aufgeflogen war. | |
Angeklagt waren drei Menschen wegen versuchter Sachbeschädigung und | |
Widerstands. Das Verfahren wurde gegen die Zahlung von Geldauflagen | |
mittlerweile eingestellt. Dank eines Hinweises von ZuschauerInnen wurde am | |
zweiten Verhandlungstag aufgedeckt, dass ein Zivilpolizist die Aussage | |
seines Kollegen aus dem selben PK mitverfolgen wollte. Der Mann gab sich | |
der Richterin erst nach wiederholtem Fragen als Polizist zu erkennen und | |
behauptete zunächst, privat im Gericht zu sein. Erst als er als Zeuge | |
vernommen werden sollte, gab er zu, dass er dienstlich im Gericht war. | |
Der Vorgang hatte bei allen Verfahrensbeteiligten für Unmut gesorgt. Der | |
Dienststellenleiter, der den Prozessbeobachter geschickt hatte, musste vor | |
Gericht aussagen. Er sagte, er habe überprüfen wollen, ob die aussagenden | |
Polizisten im Nachhinein „fürsorglicher Maßnahmen“ bedürften. | |
In der Antwort auf die Kleine Anfrage der Linken heißt es nun, dass „in | |
Ausnahmefällen“, beispielsweise bei „langwierigen oder aufgrund des | |
Gegenstandes/Hintergrundes emotional oder psychisch belastenden | |
Verhandlungen“, eine Begleitung aus Fürsorgegründen erfolgen kann. Andere | |
Gründe seien Verfahren gegen Polizisten oder Ausbildungszwecke. Der Einsatz | |
zu Ausbildungszwecken soll aber mit der Justiz abgesprochen werden. | |
In dem Fall aus diesem Jahr, bei dem es sich nicht um ein G20-Verfahren | |
handelte, wurde die Staatsanwaltschaft vorab über die Anwesenheit eines | |
Prozessbeobachters informiert. In dem G20-Verfahren nicht. Warum das nicht | |
geschah und warum der Polizist über seinen Auftrag zunächst die Unwahrheit | |
sagte, bleibt unbeantwortet. Bis Redaktionsschluss äußerte sich die Polizei | |
trotz zweifacher Anfrage nicht zu diesen Fragen. | |
Grundsätzlich darf an öffentlichen Gerichtsverhandlungen jede und jeder | |
Interessierte teilnehmen – auch PolizistInnen. ZuschauerInnen von einem | |
Verfahren auszuschließen, sei rechtlich extrem schwierig, erklärt | |
Gerichtssprecher Kai Wantzen. „Die Möglichkeit, dass ein Zuschauer oder | |
eine Zuschauerin mit Zeugen über die Verhandlung spricht, reicht nicht.“ | |
## Spekulationen und Misstrauen | |
Laut Polizei ist eine der Voraussetzungen für eine „Prozessbegleitung“, | |
dass keine begründete Gefahr bestehe, „dass Aussagen oder sonstige | |
Verhandlungsvorgänge anderen Zeugen unzulässigerweise mitgeteilt werden | |
sollen“. Daniela Hödl, eine der VerteidigerInnen in dem besagten | |
G20-Verfahren, glaubt in diesem Fall nicht an den Fürsorgegrund. „Der | |
Verdacht besteht, dass es der Polizei darum geht, Informationen zu | |
gewinnen, damit diese dann möglicherweise weitergegeben werden können“, | |
sagt sie. Das können Informationen über den Prozessverlauf oder über | |
G20-kritische ProzessbeobachterInnen sein. | |
„Am interessantesten ist in diesem Fall die Tatsache, dass der | |
Prozessbeobachter auch die Aussagen anderer Zeugen gehört hat“, findet | |
Hödl. Hinzu komme, dass der Beobachter sich lediglich den Prozessverlauf | |
anhörte. „Mit dem vernommenen Zeugen der Polizei wurde im Nachhinein gar | |
nicht gesprochen“, sagt Hödl. „Auch das lässt das Argument der Fürsorge | |
nicht logisch erscheinen.“ | |
Dass der Prozessbeobachter der Polizei sich auch auf Nachfrage nicht gleich | |
als solcher zu erkennen gab, kritisiert auch Wantzen. „Das ist kein gutes | |
Signal und kein Verhalten, das man von einem Polizeibeamten erwartet“, | |
sagt er. Die Justiz lebe von dem Vertrauen in den Rechtsstaat, deshalb | |
solle alles vermieden werden, was Anlass zu Spekulationen oder Misstrauen | |
geben könne. „Das ist eine ganz praktische Sichtweise, die auch im Sinne | |
der Polizei sein sollte.“ | |
12 Nov 2018 | |
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## AUTOREN | |
Marthe Ruddat | |
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