# taz.de -- Kommentar Braunkohle-Proteste: Die guten Außerirdischen | |
> Komplexe Probleme brauchen Symbole. Das Braunkohlerevier könnte das | |
> Gorleben der Klimabewegung werden. | |
Bild: Da fährt nix mehr: AktivistInnen blockieren die Gleise der Kohlebahn bei… | |
In der letzten Woche konnte man an sehr verschiedenen Beispielen studieren, | |
wie öffentliche Aufmerksamkeit funktioniert: Viele Menschen regten sich | |
über die Rolex der SPD-Staatssekretärin Sawsan Chebli auf statt über die | |
CumEx-Deals der Finanzbranche, die den deutschen Staat um mindestens 31,8 | |
Milliarden Euro Einnahmen brachten. Erst die Ermordung des Journalisten | |
Khashoggi führte dazu, dass in Deutschland die Waffenlieferungen an | |
Saudi-Arabien von allen Parteien in Frage gestellt wurden. Der Jemen-Krieg | |
mit Millionen Vertriebenen und einer Hungersnot schließlich blieb jahrelang | |
[1][wenig beachtet.] | |
Was das mit den Protesten und Blockaden des Wochenendes für den | |
Kohleausstieg zu tun hat, an denen sich [2][mindestens 5.000 Menschen] | |
beteiligten? Politik braucht Symbole und Vereinfachungen. Gerade wenn es um | |
komplexe Probleme geht: um Krieg, Vermögensverteilung oder eben um | |
Klimagerechtigkeit. | |
Die AktivistInnen haben es geschafft, das rheinische Braunkohlerevier zu | |
einem Symbol für den komplexen Klimawandel zu machen. Das begann schon | |
Wochen vor den Blockaden von „Ende Gelände“ mit der Räumung des Hambacher | |
Forst. Das gallische Dorf gegen die übermächtigen Römer, das ist das | |
Narrativ der AktivistInnen, das keine Erklärung braucht. | |
Ende Gelände hat es geschafft, die Proteste im Hambacher Forst mit einer | |
massenhaften Aktion des Zivilen Ungehorsams auf eine neue Stufe zu heben. | |
Die AktivistInnen haben von der großen Aufmerksamkeit für die Räumung der | |
Baumhäuser profitiert. Anders als die Besetzung, die eine Aktion von | |
Wenigen war, ist Ende Gelände eine Aktion der Vielen. | |
## Den Klimawandel fühlbar gemacht | |
Die aktuelle Dynamik hilft den AktivistInnen: RWE ist ökonomisch in der | |
Krise und der Hitzesommer hat den Klimawandel fühlbar gemacht. Das | |
rheinische Braunkohlerevier könnte also zum Gorleben der Klimabewegung | |
werden. Über Jahrzehnte hat es der Ort im Wendland geschafft, der | |
unsichtbaren Gefahr durch die Atomkraft ein Symbol zu geben. Den | |
AktivistInnen am Hambacher Tagebau könnte es nun gelingen, die unsichtbare | |
Gefahr durch CO2 sichtbar zu machen. | |
Natürlich gibt es Unterschiede: die AktivistInnen sind bisher weniger | |
verbandelt mit den AnwohnerInnen, viele Jobs hängen dort noch an der | |
Braunkohle. Und die Aktionsform von Ende Gelände hat für Außenstehende auch | |
hohe Hürden: Viele AktivistInnen sind vermummt, protestieren anonym, mit | |
verklebten Fingerkuppen, sie gehen ein juristisches Risiko ein. Und auch | |
das Übernachten auf Gleisen in einer kalten Oktobernacht hält wohl so | |
manche Menschen vom Mitmachen ab. | |
Für viele AnwohnerInnen wirken die AktivistInnen in ihren weißen | |
Maleranzügen wie Außerirdische. Bisher kommen die meisten von ihnen aus | |
Großstädten, sind jung, studentisch, kaum migrantisch. Um langfristig | |
erfolgreich zu sein, müsste die Bewegung auch an ihrer Verwurzelung in der | |
Region und den Gewerkschaften arbeiten, so wie es die Bewegung im Wendland | |
mit den BäuerInnen geschafft hat. | |
Die Anti-AKW-Bewegung hatte mehrere Jahrzehnte Zeit dafür, sich eine breite | |
Basis zu erarbeiten. Die AktivistInnen der Klimabewegung haben einen | |
engeren Zeitplan. | |
28 Oct 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2018-10/empoerung-moralische… | |
[2] /Kohleprotest-von-Ende-Gelaende/!5546116/ | |
## AUTOREN | |
Kersten Augustin | |
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