# taz.de -- Vergewaltigungsfall in Freiburg: CDU-Landesinnenminister unter Druck | |
> Thomas Strobl wollte sich zur Wahl als Bundesvizechef der CDU empfehlen. | |
> Sein Handeln im Vergewaltigungsfall macht das unwahrscheinlich. | |
Bild: Eigentlich hatte Thomas Strobl (CDU) das alles ganz anders geplant | |
Stuttgart taz | Thomas Strobl gibt gern den harten Innenpolitiker. So war | |
es, als er 2016 auf dem CDU-Bundesparteitag einen Beschluss zu | |
Abschiebungen nach Afghanistan maßgeblich durchsetzte, und so ist es auch | |
jetzt, wenn er fordert, Abschiebungen nach Syrien zu prüfen. Eigentlich | |
lässt ihn sein Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der grün-schwarz in | |
Baden-Württemberg gern als „Komplementärkoalition“ beschreibt, da | |
eigentlich gern gewähren. Aber zu den Abschiebungen von Syrern sagt dann | |
auch Kretschmann: „Bevor man sie abschieben kann, muss man sie ja wohl erst | |
mal festnehmen.“ | |
Kretschmanns trockene Bemerkung bringt das unglückliche Bild, das sein | |
Innenminister Thomas Strobl derzeit abgibt, ganz gut auf den Punkt. Der | |
Innenminister muss sich dafür rechtfertigen, dass die Polizei in Freiburg | |
den syrischen Hauptverdächtigen bei der [1][Gruppenvergewaltigung einer | |
18-Jährigen in Freiburg] nicht früher festgenommen hat, obwohl bereits Tage | |
vor der Tat ein Haftbefehl gegen ihn vorlag. | |
Der Fall der jungen Frau, die in einer Diskothek offenbar von einem Mann | |
mit Drogen wehrlos gemacht wurde, und der sie danach in einem Wäldchen | |
zusammen mit anderen über Stunden vergewaltigt haben soll, hat bundesweit | |
für Aufsehen gesorgt. | |
Strobls Innenministerium rechtfertigte die verzögerte Festnahme zunächst | |
mit „ermittlungstaktischen Gründen“. Bei einer Pressekonferenz erklärte d… | |
Polizei dann am Freitag, gegen den Mann sei wegen Drogen und eines weiteren | |
möglichen Sexualdelikts verdeckt bereits ermittelt worden. Eine Festnahme | |
mit Spezialkräften sei für den 23. Oktober geplant gewesen. „Dann haben uns | |
die Ereignisse überholt“, sagte ein Ermittler vor der Presse. | |
Egal, ob man es für gerechtfertigt hält, der Polizei vorzuwerfen, dass sie | |
die Gefährlichkeit des syrischen mutmaßlichen Haupttäters nicht vorher | |
gesehen hat, oder nicht – Thomas Strobl ist in der Defensive. Die | |
SPD-Generalsekretärin Luisa Boos sprach vom Innenminister als | |
„Sicherheitsrisiko“. Und der FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke, forderte | |
gar seinen Rücktritt. Denn die Behauptung, der Täter sei für die Polizei | |
nicht anzutreffen gewesen, habe sich als „glatte Lüge“ herausgestellt. | |
## Strobl muss für Klarheit sorgen | |
Auch der grüne Landesvorsitzende Oliver Hillenbrand kritisiert Strobl. Der | |
Innenminister setze die falschen Prioritäten. Einerseits fordere er immer | |
schärfere Gesetze, andererseits seien derzeit fast 20.000 Haftbefehle im | |
Lande nicht vollstreckt. Darunter seien vor allem Haftbefehle von | |
Ladendiebstählen und Schwarzfahrern, rechtfertigte sich der Innenminister. | |
Doch ein Widerspruch bleibt. Denn gleichzeitig macht sich das Land in | |
Arbeitsgruppen Gedanken, wie man gegen auffällige Flüchtlinge vorgehen | |
könne, die in einigen Kommunen für Unsicherheit sorgen. Nicht wenige unter | |
ihnen dürften wohl zu den 20.000 Kleinkriminellen und Schwarzfahrern | |
zählen, deren Haftbefehl nicht ausgeführt wird. | |
So wie Strobl in dem Freiburger Fall laviert, festigt er nicht gerade seine | |
Position als entschlossener Innenpolitiker. Weder als Merkel-Vize in der | |
Bundespartei, noch im Land, wo sich langsam seine [2][innerparteilichen | |
Konkurrenten für die Spitzenkandidatur in zweieinhalb Jahren warm laufen]. | |
Dabei hatte Thomas Strobl das offenbar ganz anders geplant. Passend vor dem | |
CDU-Bundesparteitag im Dezember wollte er sich mit einer weiteren | |
[3][Verschärfung des baden-württembergischen Polizeigesetzes] für seine | |
Wiederwahl als Bundesvizechef der CDU empfehlen. Seine Gesetzesnovelle | |
sieht unter anderem die präventive Onlinedurchsuchung vor. Dabei war das | |
Gesetz erst vor knapp einem Jahr angepasst worden – schon damals nur unter | |
Schmerzen des grünen Koalitionspartners. | |
Doch jetzt muss der Innenminister erst einmal für Klarheit im Freiburger | |
Fall sorgen. Er könne zur Stunde nicht erkennen, dass Fehler gemacht worden | |
seien, sagte Strobl am Dienstag vor Journalisten. Aber die Vorgänge würden | |
derzeit vom obersten Kriminalbeamten des Landes überprüft. | |
7 Nov 2018 | |
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## AUTOREN | |
Benno Stieber | |
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