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# taz.de -- Beziehung zwischen Athen und München: Wie aus Baiern Bayern wurde
> Zwischen dem Freistaat und Griechenland gibt es seit über 200 Jahren enge
> Verbindungen. Heute hat sich das Verhältnis abgekühlt.
Bild: Das Blau der griechischen Flagge wurde an das Wappen der bayerischen Witt…
„In Bayern gibt es noch immer eine gewisse Griechenverliebtheit – aber das
basiert eher auf diesem romantischen Bild, das ein Hölderlin oder ein
Nietzsche gezeichnet haben“, sagt Stavros Dimitriou. Der 46-Jährige ist als
Kind von griechischen Einwanderinnen in München geboren und aufgewachsen.
„Von den folkloristischen Aspekten einmal abgesehen, sehe ich keine enge
Verbindung zwischen Bayern und Griechen“, so der IT-Trainer.
Vor knapp 200 Jahren zog ein minderjähriger Bayer nach Griechenland, um das
Land zu beherrschen. Im Gefolge hatte er Handwerker, Beamte und Soldaten.
Dieser junge Teenager war Prinz Otto Friedrich Ludwig von Wittelsbach. Er
wurde im Jahr 1832 zum König von Griechenland ernannt.
Hellas hatte sich damals gerade von der Besetzung durch die Osmanen
befreit. Der neu gegründete Staat Griechenland wurde im Londoner Protokoll
vom 3. Februar 1830 international anerkannt. Im Oktober 1831 wurde Ioannis
Kapodistrias – erstes Staatsoberhaupt des befreiten Griechenland –
ermordet.
Sein Bruder Augustinos, der seinen Platz einnahm, schaffte es auch nicht,
das Land zu stabilisieren. Griechenland driftete in ein Machtvakuum ab. Von
den Signatarmächten Russland, Großbritannien und Frankreich kam daher der
Vorschlag, schnellstmöglich einen europäischen Blaublütigen zum König zu
machen. Die griechische Nationalversammlung wählte letztendlich den
16-jährigen Prinzen Otto von Bayern.
## Unmittelbarste Verbindung ist das y im Namen
Zu jener Zeit war Griechenland in ganz Europa groß in Mode. Ottos Vater,
König Ludwig I., war wohl einer der bedeutendsten Griechenland-Fans, ein
Philhellene. Die Philhellenen bewunderten Griechenland als Land der großen
Philosophen, als die Wiege der Demokratie.
So ließ Ludwig I. auf dem Königsplatz in München die Gebäude nach dem
Vorbild der griechischen Akropolis errichten. Die Propyläen – ein
gigantischer Torbau in Form eines griechischen Tempels – finanzierte Ludwig
I. aus privaten Mitteln. Sie sollten ein Zeichen der Freundschaft zwischen
Bayern und Griechenland sein und als Denkmal für den griechischen
Freiheitskampf stehen.
Sohn König Otto hingegen baute in Griechenland nach österreichischer Art,
um sein Heimweh zu überwinden. Straßennamen und Grabstätten zeugen heute
noch vom Dasein der Bayern in Hellas.
Einige der Bayern, die unter Otto kamen und in Griechenland blieben,
machten Karriere: Die Familie Fuchs gründete die größte griechische
Brauerei und braute das helle Bier mit dem Namen „Fix Hellas“. Das Bier gab
es bis Anfang der 1980er Jahre. Das Unternehmen ging bankrott. 2009 wurde
das Fix-Bier wieder auf den Markt gebracht.
## Seehofer macht sich über Athen lustig
Auch die Familie Clauss setzte sich in Griechenland durch. Die Marke Achaia
Clauss ist bis heute in den Geschäften zu finden. Erstmals ab 1869 wurden
die Weine auch nach Deutschland exportiert. Ein Herr Georg Streit brachte
es sogar bis zum griechischen Außenminister.
Die wohl unmittelbarste Verbindung mit Griechenland ist das y im Namen des
Freistaats. Der Buchstabe i wurde durch das y aus dem griechischen Alphabet
ersetzt. Aus Baiern wurde Bayern, um die griechische Verbindung zu
unterstreichen.
Auch das dunklere Blau der griechischen Flagge, deren Farbwahl bis auf das
byzantinische Kaiserreich zurückzuführen ist, wurde unter König Otto an das
Mittelblau des Wappens der bayerischen WittelsbacherInnen angeglichen.
„All das hat mit dem modernen Griechen an sich nichts zu tun. Denn der ist
für den Münchner beziehungsweise für den Bayern ein mittelmäßiger Alexis
Zorbas“, sagt Stavros Dimitriou und lacht bitter auf. „Also so ein
Faulpelz, ein Lebenskünstler, der sich durchwurschtelt und irgendwie am
Ende doch noch das bekommt, was er braucht, ohne sich wirklich
anzustrengen“, fügt er hinzu. Das sei so das Image, das man als Grieche in
Deutschland habe. Dieses würde besonders von den bayerischen Politikern
immer wieder unterstrichen.
## Söder forderte mehrfach den Grexit
So sagte kürzlich Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) während einer
Rede im Rahmen seiner Kampagne für die [1][Landtagswahl in Bayern] vor
seinem Publikum im bayerischen Ingolstadt, dass Bayern ja nur für einen
gewissen Zeitraum in Griechenland regierte. „Vielleicht wäre es wirklich
besser gewesen, wenn dies nicht nur vorübergehend gewesen wäre“, sagte
Seehofer.
Auch vom bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder kommen immer wieder
Spitzen gegen Griechenland. Er gilt als einer der schärfsten Kritiker der
Finanzpolitik Griechenlands und hat mehrfach den Austritt des Landes aus
der EU gefordert. Im März 2015 [2][twitterte er salopp]: „Griechenland
nervt. Anstatt Hausaufgaben zu machen, versucht Athen jeden Tag neue
Forderungen zu stellen. Langsam reißt Europas Geduldsfaden“.
„Ein Nachgeschmack solcher Sprüche bleibt“, sagt Dimitriou. 2010 sei der
Anfang der emotionalen Wende gewesen, berichtet er. Über Jahre hinweg habe
es dann eine Medienkampagne gegen Griechenland gegeben. „Die Griechen
wurden als faules Pack und gieriges Volk bezeichnet“, so Dimitriou. Selbst
wenn man hier aufgewachsen sei und sich eigentlich immer integriert gefühlt
habe – das ändere so einiges in einem. „Man fühlt sich nicht mehr
zugehörig“, sagt Dimitriou.
Im Jahr 1960 war das noch anders. Damals wurde das deutsch-griechische
Anwerbeabkommen geschlossen. Tausende GriechInnen gingen nach Deutschland,
um dort zu arbeiten. Die Münchner ist noch immer eine der größten
griechischen Gemeinden Deutschlands.
## Viele GriechInnen kamen nach Bayern
Die GriechInnen von damals gingen als sogenannte GastarbeiterInnen in die
Geschichte ein. Die meisten von ihnen blieben in Deutschland. So auch die
Eltern von Dimitriou. Sie arbeiteten als ObstverkäuferIn und machten dann
selbst einen Laden auf.
„Jetzt gibt es eine nächste Welle von GriechInnen, die herkommen, um sich
eine Existenz aufzubauen“, beobachtet Dimitriou. Die Wirtschaftskrise
vertreibt sie aus ihrer Heimat. Etwa 40.000 GriechInnen kamen nach Bayern.
Ein häufiger Grund: die dort existierende große griechische Gemeinde.
Und die wächst immer noch. „Ich merke das hier zum Beispiel an der Anzahl
und der Qualität der Läden. Früher war es nicht möglich, eine Bougatza,
eine süße Teigspeise, zu bekommen. Heute gibt es sie in drei oder vier
Läden“, so Dimitriou. Doch das Leben als eingewanderter Grieche oder Bürger
griechischer Abstammung in Bayern ist heute, trotz der kulturellen
Vergangenheit, anstrengender denn je.
Er habe immer gedacht, dass er nicht direkt in der Schusslinie deutscher
Anfeindungen stünde, sagt Dimitriou. „Aber dieses Einhämmern über Jahre auf
die Griechen – das erzeugt automatisch Distanz und eine Abwehrhaltung“,
erklärt er.
## Medienhetze gegen Griechenland
Und es ist noch handfester. Das merkte er, als er vor ein paar Jahren die
Polizei wegen Problemen mit seinem Nachbarn gerufen hatte. „Da hat mir der
Polizist gesagt, wenn es mir hier nicht gefällt, dann soll ich doch dahin
zurückgehen, wo ich hergekommen bin“, berichtet er.
Auch das war zu Hochzeiten der Medienhetze gegen Griechenland. Dadurch
bricht immer mehr das Vertrauen und das Zugehörigkeitsgefühl weg. „Ich sehe
für mich in Deutschland emotional keine Zukunft, fühle mich dem Land nicht
mehr verbunden“, resümiert Dimitriou. „Mein Plan ist es, nach Griechenland
zu migrieren“, verrät er.
Auch der junge König Otto kehrte nach 30 Jahren Regierungszeit zurück. Nach
zwei Aufständen gegen ihn wurde er ins Exil geschickt – nach Bayern.
6 Nov 2018
## LINKS
[1] /Koalitions-Vertrag-in-Bayern-steht/!5547918
[2] https://twitter.com/markus_soeder/status/575632054458654720
## AUTOREN
Theodora Mavropoulos
## TAGS
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