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# taz.de -- Die Wahrheit: Beschneidungsfreie Konversion
> Ein kleines, gleichsam privatreligöses Ritual führt in Hannover von Frau
> Käßmanns Wirkungsstätte zum Beinahewiedereintritt in die Kirche.
Gelegentlich komme ich an der Hannoverschen Marktkirche vorbei. The former
home of Margot Käßmann, die kürzlich ihren Titel als prominenteste
Sufffahrerin Hannovers an Bettina Wulff abgeben musste. In dieser Disziplin
zählt nicht nur der Bekanntheitsgrad, sondern auch der Blutalkoholgehalt.
Käßmann schaffte 2010 respektable 1,54 Promille, wurde aber im September
2018 von Wulff ganz klar mit „mehr als 2“ deklassiert, wie eine
Lokalzeitung berichtete.
Für mich wird Frau Käßmann aber immer die Schnapsdrossel der Herzen
bleiben. Deswegen – und weil ich zu Ritualen neige – denke ich stets, wenn
ich die Marktkirche passiere, kurz an die ehemalige Landesbischöfin und
EKD-Ratsvorsitzende, dann schaue ich hoch zum Kirchturm und freue mich über
das Pentagramm, das seit Jahrhunderten auf der Ostseite des Turmes prangt.
Und über die Davidsterne auf der Nord- und Südseite. Fast jedes Mal
überlege ich, ob ich nicht doch mal einen Brief an die Landeskirche
schreiben sollte, in dem ich vorschlage, auf der verbliebenen Westseite
endlich einen Halbmond oder Hammer und Sichel anzubringen.
Der Abschluss meines Rituals besteht dann darin, circa drei Minuten vor dem
Schaufenster der gegenüberliegenden „Buchhandlung an der Marktkirche“
kontemplativ zu verharren. Die Buchhandlung führt diverse
Bibelübersetzungen, das Gesamtwerk des Benediktinermönchs und
Hipsterzottelbarts Anselm Grün sowie Sachbücher wie „Gott essen – Eine
kulinarische Geschichte des Abendmahls“. Auch „Nonbooks“ sind im Sortimen…
„Kerzen, Kreuze, Tassen und vieles mehr“.
Mich aber lockt die verheißungsvolle Schaufensterbeschriftung an. Dort
stehen unter der Überschrift „Kirche“ die drei Worte: Information,
Kartenvorverkauf, Wiedereintritt. Hier kann man also in den Schoß der
Kirche zurückkehren. Geht man auf die Homepage der Marktkirche, ist man
verblüfft von der Einfachheit des Vorgangs: „Der Schritt in die Kirche ist
unbürokratisch. Er ist verbunden mit einem Gespräch, das jeder Pastor oder
jede Pastorin führen kann. Die Wiedereintrittsstelle ist angesiedelt in der
Buchhandlung an der Marktkirche.“
Eigentlich hab ich selten religiöse Schübe, aber allein die
Barrierefreiheit dieses Homecoming-Angebots fasziniert mich enorm. Da ich
nämlich mal aus Opportunismus evangelisch getauft wurde – damit ich einen
evangelischen Kindergarten besuchen durfte –, könnte ich also tatsächlich
mit einem einfachen kleinen Chat zwischen Buchregalen wieder Christ werden.
Alles andere wäre anstrengender: Wollte ich Muslim oder Jude werden, müsste
ich mich auf alle Fälle beschneiden lassen und religiöse Inhalte büffeln.
Auch die Katholiken würden mich sicher nicht so einfach durchwinken.
Einfacher ist es zurzeit wahrscheinlich nur noch, in die SPD einzutreten.
Ich glaube, die nehmen gerade jeden. Auch ohne Gespräch. Da reicht ein
Kopfnicken.
31 Oct 2018
## AUTOREN
Hartmut El Kurdi
## TAGS
Margot Käßmann
Beschneidung
Sprachkrieg
Musikrezeption
Boris Palmer
Nazis
Sachsen
Reisen
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