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# taz.de -- Die Wahrheit: Ortokarvieh dut Noht
> Richtige Rechtschreibung kann nicht ganz falsch sein, zu unterhaltsameren
> Ergebnissen kommt aber die frei improvisierte. Eine Sprachkritik.
Bild: Mit der leidigen Ortokarvieh haben nicht nur Rindviecher zu kämpfen
„Man spricht deutsh“ hat in dem Gerhard-Polt-Film von 1987 ein Italiener an
seine Strandbude geschrieben, um Urlauber aus Teutonien anzulocken. Noch
besser als Ausländer, die mit der deutschen Rechtschreibung nicht vertraut
sein müssen, können es Deutsche selbst: „Ich binn stols ein Deutcher zu
sein!“ hatte im Februar 1992 ein Eingeborener an eine Leipziger Hauswand
gesprüht und einen Beleg dafür geliefert, dass mangelnde Beherrschung der
Orthografie wohl doch von Doofheit zeugt.
Womöglich das Gegenteil beweisen Fehler wie „hahnebüchen“,
„Geschäftsgebahren“ oder „Stehgreifspiel“, weil die Schreiber glaubten…
seltsamen Wörter hätten aus irgendeinem fernen Grund mit Hähnen oder sogar
Bahren beziehungsweise mit Stehen und Greifen zu tun, obwohl der Stegreif
vom „Steigen“ und dem alten Wort „Reif“ für „Seil“ kommt. Gemeint …
Schlinge als Vorläufer des Steigbügels: Aus dem Stegreif reagierte man ohne
große Vorbereitung, nämlich ohne erst vom Pferd zu steigen.
## Erlerntes über Bord
Dass aber noch heute ein kindlicher Klassiker wie „Heidelbären“ als
Sonderangebot eines Münchner Tengelmann-Marktes zu lesen ist, lässt
entweder auf einen erwachsenen Komiker schließen – oder der Schreiber war
ein Zuagroaster aus dem Norden, wo man ä und e nicht auseinanderhalten
kann, weshalb es bei ihm nach der Schulzeit „nicht lange wehrte“ (taz
nord), bis das erlernte Rechtschreibwissen wieder über Bord ging.
Heute sollen schon die Jüngsten nach Gehör schreiben, weshalb die
ABC-Schützen „oile“ oder „foirwer“ zu Papier bringen. Warum nicht! Die
Alten machen es ihnen ja vor, und nicht nur in Norddeutschland: „UNO
alamiert“, titelt reißerisch die taz, ein DuMont-Reiseführer Südafrika wei…
von „Gebharden“, eine Mainzer Physiotherapeutin wirbt mit
„Lymphdrehnasche“, eine Hamburger Firma sogar mit „Impriknirung“, und e…
Kölner Innenausstatter gibt sich als „absolute Choriefe für alte und
neuwertige Teppiche“ aus – eine Nonsenswelt tut sich auf, zu deren
Erschaffung nichts weiter als schlechte Ohren nötig sind. Hauptsache, alles
„klinkt weniger skandalträchtig“ als die Überschrift „Man schlägt seine
Ehefrau“ (Anzeiger für Harlingerland), die sich aus der Meldung einer
Straftat in ein Gebot zu ihrer Ausübung verwandelt.
Nur ein Druckfehler mag vorliegen, wenn die „Transsexulle Sabine / 43 J.“
im Südhessen Wochenblatt ihre Dienste anbietet. Wenn aber Profis so werben:
„Erfahrenes Textbüro ließt Ihre wissenschaftlichen Arbeiten“ (Anzeige in
Frizz – Das Magazin für Gießen/Marburg/Wetzlar/Wetterau), ein
arbeitsuchender Lehrer im Westfalen-Blatt auf sein „1. Staatsegsamen“
verweist und eine Gymnasiallehrerin im Schwabachbogen Nachhilfe für „alle
Schultüpen und Fächer“ anbietet – dann heist es Opaacht.
## Ernste Sache, das
Korrekte Orthografie zeugt von Wissen und Bildung und ist folglich eine
ernste Sache. Umso lustiger ist es deshalb, Fehler zu machen – nein, stopp,
sie zu bemerken! Ein langweilig korrekt geschriebener Text erleichtert zwar
das Lesen, weil man nicht herumrätseln muss; nur geht das nach hinten los,
weil das Gehirn nicht gefordert wird und stante pede verkümmert.
Deshalb kann es auch nur gut sein, wenn infolge einer mangelhaften
Orthografie Misstrauen gegen den ebenfalls nicht ganz koscheren Inhalt
keimt: Der Kopf sucht nach Gründen und arbeitet, dazu hat man ihn. Und
schließlich ist es wie mit allen Regeln: Sie zu lernen ist anstrengend und
kostet Zeit, in der man sich viel besser anders beschäftigen könnte. Zwar
vereinfachen Regeln das Leben, wenn man sie intus hat, so dass man fortan
Zeit und Anstrengung spart – aber man wird faul! Das kann in einer
Hochleistungsgesellschaft nicht richtig sein.
## Ungebackene Falschmeldung
Rechtschreibung ist also Mist. Ein Hoch deshalb auf ihre Reform, die zwar
20 Jahre her ist, aber bis heute für Fehler und Glückserlebnisse sorgt.
Beispielsweise hat sich der Duden um die Klein- und Großschreibung verdient
gemacht, so dass die Leute jetzt Adjektive sicherheitshalber groß
schreiben, wenn es ein gleichlautendes Substantiv gibt: „Seehofer ist
Schuld“ (taz), „doch Gemach!“ (taz) und „herzlich Willkommen“!
Vor allem aber ist das Prinzip, auseinander zu schreiben, bis heute „nicht
tot zu kriegen“ (taz nord). So muss schief gehen, was schiefgehen kann:
„Seehofer und Söder: Zusammen gerauft“ titelt Spiegel online, „der frisch
gebackene griechische Finanzminister“ (taz) lebt, weil offenbar eine
Falschmeldung, bis heute ungebacken weiter, und zum Schluss die per Aushang
in einem Wülfrather Supermarkt gestellte Frage eines echten Deutschen:
„Hund aus Führer gesucht?“
19 Oct 2018
## AUTOREN
Peter Köhler
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Sprachkritik
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Peter Tauber
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