# taz.de -- Neues Album aus Prince-Nachlass: Hohepriester am Klavier | |
> Das Album „Piano & A Microphone, 1983“ aus dem Nachlass von Prince wurde | |
> veröffentlicht. Darauf klingt er fast wie von dieser Welt. | |
Bild: War nicht nur gut am Mikro, sondern auch am Klavier: Prince | |
Es ist immer ein lustiger Moment, wenn auf einem Album das Wörtchen | |
„unveröffentlicht“ geschrieben steht. Ja, wie kommt es dann in diesen | |
Laden? Und sowieso: Ist nicht jede Musik zunächst einmal unveröffentlicht?! | |
So oder so wird 2018 gerade zum Top-Veröffentlichungsjahr für bisher | |
unveröffentlichtes Material: Erst im Sommer waren Litfaßsäulen und Bauzäune | |
flächendeckend mit John-Coltrane-Postern zugekleistert: Sein | |
unveröffentlichtes Album „Both Directions At Once“ bot immerhin ein nie | |
gehörtes Stück des großen Tenorsaxophonisten und seines legendären | |
Quartetts. | |
Nun erscheint also „Piano & A Microphone, 1983“ von Prince. [1][Der | |
Hohepriester des US-Pop] singt sich alleine am Klavier durch einen rasanten | |
Parcours von Welthits aus der Zukunft, B-Seiten, Coverversionen und | |
Demofassungen von Songs, die vielleicht nie fertig werden sollten. | |
Aber, nun: Wer konnte zum Zeitpunkt der Aufnahmen schon mit Sicherheit | |
sagen, welcher Song welche Zukunft mit sich bringt? Oder besser gesagt: | |
Welcher Song eine große Zukunft hat?! Tatsächlich, ein „Alternate Take“ v… | |
„Purple Rain“ ist auch enthalten. Wurde ein Jahr später zum Welthit für | |
alle Menschen mit mixed emotions: Jung & Alt, Black & White, Queer & | |
Straight. | |
Was auffällt: Wie gut Prince doch Klavier spielt, vor allem, wie gut er | |
ist, was den Rhythmus angeht. Da sitzt jede Synkope. Ist ja nicht so, als | |
wäre Prince zu Lebzeiten groß als Pianist in Erscheinung getreten. | |
## Ein brillanter Produzent | |
Es war neben seiner Stimme immer sein unverwechselbares Gitarrenspiel, das | |
in einem unerhörten Wechselspiel mit Drum-Computern und Synthesizern den | |
Ton in seinen Songs angab. Wenn man sich etwa die Pianoversion von „Strange | |
Relationship“ im direkten Vergleich zur Fassung auf dem Album „Sign Of The | |
Times“ anhört, fällt vor allem auf, was für ein brillanter Produzent Prince | |
doch gewesen ist. | |
Und welch eigenwillige Sound-Vision er zwischen Funk, Soul und New Wave | |
doch verfolgte. Die Pop-Monarchie der 80er Jahre, die Prince lange | |
mitregierte, war vor allem auch von seinen aufregenden Klangwelten geprägt. | |
Es musste unbedingt Plastik in die Musik: Synthesen, Sequenzen, Effekte. | |
Elektroakustische Signale der neuen Maschinenwelt. Prince am Piano hätte | |
vermutlich damals keinen Teenager vor dem Spiegel abgeholt. Obwohl jeder | |
damals mit Prince-Sex sozialisierter Mensch bei den Versionen auf „Piano & | |
Micropohone“ heute vor Sehnsucht sicher dahinschmelzen wird. | |
Die Songs 1 bis 7 sind übrigens alle in einem Take aufgenommen. | |
Erstaunlich, wie uns Prince locker von Boogie-Funk-Licks in balladesque | |
Gefilde mit auf eine intime Reise nimmt. Die Frage, die den Fan beim Hören | |
natürlich die ganze Zeit über beschäftigt: Hat der Meister dieses Werk | |
aufgenommen in dem Bewusstsein, dass es jemals veröffentlicht wird?! | |
## Kalter Kaffee und Koks | |
Zwei Indizien sprechen dagegen: Auf der tollen Version von „17 Days“, einer | |
der beliebtesten Single-B-Seiten von Prince, gleich zu Beginn des Albums, | |
gibt er Anweisungen an die Tonregie. Würde ja kein Künstler mit aufnehmen, | |
wenn es um Aufnahmen für die Ewigkeiten geht. | |
Bei „Mary Don’t You Weep“ hört man Prince einen Schnupfen an. Zumindest | |
hört man ihn zwischen den Zeilen die Nase hochziehen. Aber ganz sanft, ganz | |
sexy, na klar: So wie eben nur Prince die Nase hochziehen kann. Apropos | |
Nase: „Cold Coffee & Cocaine“ ist ein Song, von dem man sehr gerne eine | |
ausproduzierte Version gehört hätte. „Hey du schwarze Maus, hat deine | |
Papamaus dich verlassen?! Bin ich schuld?! Und nein, ich will keinen kalten | |
Kaffee oder Kokain!“ | |
Klar, da will auch die weiße Maus aus Deutschland wissen, wie es | |
weitergeht. Insiderberichten zufolge muss es ja noch [2][unfassbar viel | |
unveröffentlichte Aufnahmen] in den Prince-Archiven geben – vielleicht | |
findet ja eines Tages jemand noch eine ausproduzierte Version von „Cold | |
Coffee & Cocaine“. | |
## Lockere Improvisation | |
Eine Joni-Mitchell-Coverversion hat er sich auch geleistet. Prince gleitet | |
locker von „Purple Rain“ in „A Case Of You“. Aber wer hier nicht textsi… | |
im Werk der von Prince immer wieder als großes Vorbild genannten | |
kanadischen Künstlerin ist, der hätte die Coverversion sicher nicht sofort | |
erkannt. Überhaupt: Hier werden Gesangslinien locker improvisiert. Und so | |
nackt am Piano, ohne Chorstimmen und Studiodopplungen klingt Prince | |
plötzlich fast wie von dieser Welt. | |
Dass „Piano & A Microphone, 1983“ zu Prince Rogers Nelsons 60. Geburtstag | |
hin erscheinen sollte, geschenkt. Es gibt gerade keinen himmlischeren | |
Popstar, mit dem man sich bei einem Glas Rotwein gemeinsam ans Piano setzen | |
möchte. Ja, dieser Herbst wird sexy. Und Prince bleibt magisch. | |
4 Oct 2018 | |
## LINKS | |
[1] /Nachruf-auf-Prince/!5298144 | |
[2] /Zum-ersten-Todestag-von-Prince/!5402552 | |
## AUTOREN | |
Maurice Summen | |
## TAGS | |
Prince | |
Popmusik | |
Funk | |
Popkultur | |
Familie | |
Katholische Kirche | |
Konzert | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Vom Leben einer 100-Jährigen: Wie eine tapfere Maschine | |
„Omama“, die Großmutter unseres Autoren, lebt weiter, immer weiter. Nun ist | |
sie 100 Jahre alt geworden. Doch wie erstrebenswert ist es, so alt zu sein? | |
Die Wahrheit: Unheiliger Bimbam | |
In Lübeck punktet die „Fresh-Prince-of-Bel-Air-Gedächtniskirche zum | |
Fegefeuer“ mit allerlei Zeitgenössischem bei jungen Christen. | |
Berlin-Konzert der Dirty Projectors: Zickzackkurs der Killerwale | |
Am Dienstagabend gastierte die US-Popband Dirty Projectors im Berliner | |
Heimathafen Neukölln. Ihr Auftritt war begeisternd. |