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# taz.de -- Fest der deutschen Einheit: Die Meile der Gegensätze
> Zwischen Brandenburger Tor und Siegessäule wollte Berlin ein Fest
> ausrichten, das den Unterschied macht. Das schafft vor allem die
> Ausstellung „Halbzeit“.
Bild: Die Ausstellung „Halbzeit“ auf der Festmeile
Die Replik sitzt. Eigentlich wollte Daniel Gyamerah Internationale Politik
in Dresden studieren. Beim ersten Besuch in der Stadt war ihm allerdings
schnell klar: Geht nicht. Als schwarzer Deutscher ist man in Dresden
automatisch Ausländer. Also studiert er in Konstanz. Diese Geschichte
erzählt Gyamerah dem ehemaligen ZDF-Mann Holger Kulick auf einer
Podiumsdiskussion auf dem Fest der deutschen Einheit. Kulick hatte die
deutsche Einigung zuvor vor allem mit einem in Verbindung gebracht – dem
Ende der Angst.
„Das größte Fest des Jahres“ hat der Senat seine Festmeile zwischen
Brandenburger Tor und Siegessäule genannt. Das unberechenbare Herbstwetter
machte den Superlativ zunichte. Aber auch das mit dem Fest stimmte nicht
ganz. Wer Bratwurst wollte, bekam sie natürlich, aber es gab auch genügend
Angebote, die vergangenen Jahrzehnte seit Mauerfall und deutscher
Vereinigung Revue passieren zu lassen. Und Nachdenklichkeit ist wahrlich
nicht das schlechteste in Zeiten, in denen die Wörter Ost und West wieder
verstärkt im Tonfall des Vorwurfs formuliert werden.
Weniger nachdenklich als um verschiedene Perspektiven bemüht ist die
Ausstellung „Halbzeit“ über die elf Monate zwischen dem 9. November 1989
und dem 3. Oktober 1990. Von Freiräumen und besetzten Häusern erzählt die
von Björn Weigel kuratierte und an Litfaßsäulen angebrachte Schau, von den
36-Boys, die die Nazis am Alex zurückdrängten, von den langen Schlangen in
der Westberliner Geschäften und ersten Plakaten „Ossi go home“.
Es ist ein typisch Berliner Beitrag zum Thema, in dessen Mittelpunkt eine
seltsam fiebrige Freiheit steht, die am 3. Oktober wieder auf 37 Grad
Betriebstemperatur heruntergeregelt wird. Die Einheit als Ende der
Freiheit: In anderen Bundesländern wäre damit fast ein Skandal zu machen.
So aber steht die Ausstellung inmitten von Fressbuden und weißen Zelten von
Institutionen der deutsch-deutschen Vergangenheitsbewältigung,
Sportvereinen, Feuerwehr und Polizei. Nicht fehlen darf auch VW. Den
Dieselskandal darf der Autobauer aus Wolfsburg mit einer Präsentation von
Elektroautos der Zukunft weißwaschen. Das Fest zur deutschen Einheit als
Meile der Gegensätze: Auf der einen Seite präsentiert Re:Publica das Thema
„Zukunft & Innovation“. Gegenüber stellen die Feldjäger ihre neuen
Fahrzeuge vor.
„Nur mit Euch“ hieß das Motto von Rot-Rot-Grün als Gastgeber des Tags der
deutschen Einheit 2018. Ein Wir hat der Senat glücklicherweise vermieden.
Zum Wir muss sich jeder selbst entscheiden. Das „Euch“ aber spricht auch
jene an, die solchem Mainstream wie einem „Volksfest“ eher skeptisch
gegenüber steht.
3 Oct 2018
## AUTOREN
Uwe Rada
## TAGS
Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
Berlin
Mauerfall
Deutsche Einheit
Tag der Deutschen Einheit
Umwelt
Umverteilung
Zivilgesellschaft
Fanmeile
Geschlechtsangleichung
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