| # taz.de -- Die Villa Romana und die Deutsche Bank: Außen Toskana, innen Disku… | |
| > Die Villa Romana in Florenz gilt als ein kritischer Kunst-Hotspot. Nun | |
| > will die Deutsche Bank die Förderung einstellen. | |
| Bild: Ich liebe die Villa Romana, die Villa Romana liebt mich“ | |
| Florenz taz | You are a good muslim.“ Lachend deutet Bassel al-Saadi auf | |
| die Beinkleider seines Gegenübers. Schwer zu sagen, ob Viron Erol Vert | |
| seine dunkelrote Pluderhose wirklich als Bekenntnis zum Osmanentum angelegt | |
| hat. Oder weil er einfach ein vollschlanker Mensch ist. „Na, eher | |
| schlechter Christ“, pariert der geistesgegenwärtig. Als Christ würde man | |
| dergleichen in der Türkei nicht tragen. Von dort stammt Vert nämlich. | |
| Die morgendliche Frotzelei zwischen den beiden Künstlern auf der Terrasse | |
| der [1][Villa Romana in Florenz] – Syrer der eine, Deutscher mit | |
| türkisch-griechischen Wurzeln der andere – ist typisch für die zwanglose | |
| Begegnung der Kulturen, die hier täglich stattfindet. Bei Kaffee und Small | |
| Talk genießt man den Blick in den sonnendurchwirkten, zypressenbestandenen | |
| Garten. | |
| Vert, Bildhauer und Konzeptkünstler – im Nebenberuf arbeitet er im Berliner | |
| Club Berghain –, ist noch bis Ende November Stipendiat in der Villa. | |
| Al-Saadi war im vergangenen Jahr Gastkünstler, in seiner syrischen Heimat | |
| ist er ein berühmter Maler. Trotzdem will er mit seinen Kindern in Florenz | |
| bleiben. Stolz schwenkt er seinen vorläufigen italienischen Personalausweis | |
| in blauem Karton. | |
| [2][Italien-Sehnsucht]: Spätestens seit Goethes Reise in das Land der | |
| Zitronen sind die Deutschen schwer mit diesem Morbus geschlagen. Und wer | |
| auf der großen Dachterrasse des spätklassizistischen Baus am Rande des | |
| historischem Zentrums von Florenz steht und über Zypressenwipfel und | |
| Olivenhaine hinunter in die Stadt schaut, wo sich die rote Kuppel von | |
| Filippo Brunelleschis Dom wölbt, könnte der Sehnsucht sofort verfallen. | |
| ## Sie brennt für die Kunst | |
| Mit derlei Projektionen hat Angelika Stepken nichts am Hut. Gerade ist die | |
| Kunsthistorikerin aus Rom zurückgekommen. „Offizielle Geschichte“, sagt sie | |
| mit wegwerfender Handbewegung, zündet sich eine Zigarette an und stellt | |
| sich zu der morgendlichen Runde. Der neue deutsche Botschafter wollte sich | |
| mit deutschen Kulturinstitutionen austauschen. Administratives liegt der | |
| Direktorin der Villa Romana nicht so, sie brennt für die Kunst. | |
| Seit die ehemalige Chefin des Karlsruher Kunstvereins, Jahrgang 1955, vor | |
| zwölf Jahren die Leitung des traditionsreichen Gemäuers in der stillen Via | |
| Senese übernommen hat, hat sie die Villa zu einem kritischen Kunst-Hotspot | |
| gemacht. Das Stipendiaten-Programm ist Standard: Jährlich dürfen vier feste | |
| „Villa-Romana-Preisträger“ zehn Monate hier leben und arbeiten. Dazu kommen | |
| Gastkünstler mit Kurzaufenthalten. | |
| Um diesen Kern hat Stepken ein dichtes Programm gewoben, das sich um die | |
| zeitgenössische Kultur rund um das Mittelmeer fokussiert. „Natürlich ist | |
| die Klassik ein wahnsinniges Anregungspotenzial für die Künstler. Aber uns | |
| beschäftigt Italien auch als Durchgangsland für Migration aus Afrika“, | |
| übersetzt sie den selbst gesetzten Programmauftrag, „Master-Narrative der | |
| europäischen Neuzeit aus dekolonialen Perspektiven neu zu verhandeln“. | |
| „Seeds for future memories. Voicing the two ends of migration“ heißt das | |
| aktuelle Programm dieses wunderbaren, multinationalen Labors, das die | |
| „asymmetrische, historische Beziehung zwischen zwei Kontinenten“ erkunden | |
| soll. Dreizehn Künstler reisten in diesem Jahr zwischen Italien und dem | |
| Senegal hin und her. | |
| ## Ein Bild des Humanen jenseits aller Rassen | |
| Für zwei konzentrierte Wochen ist Fabrice Monteiro aus Dakar in Florenz. In | |
| seinem Projekt will der 46-jährige Fotokünstler die „Composite | |
| Photography“, mit der der britische Naturwissenschaftler Francis Galton im | |
| 19. Jahrhundert glaubte, Rassen identifizieren zu können, zu einer Technik | |
| umfunktionieren, mit der man ein Bild des Humanen jenseits aller Rassen | |
| entwerfen kann. | |
| In der Mittagshitze fahren wir zu einer kleinen Schule am Stadtrand von | |
| Florenz. Hunderte Migranten aus Subsahara-Afrika sind hier vorläufig | |
| untergebracht. Die jungen Flüchtlinge in Sportkleidung, Badelatschen und | |
| mit Kopfhörern schauen misstrauisch, als Monteiro ihnen sein Projekt | |
| erklärt. | |
| Als er ihnen gesteht, dass er von afrikanischen Sklaven abstammt und einen | |
| brasilianischen Namen trägt, weil sein Großvater in Südamerika den Namen | |
| seines Besitzers führen musste, bricht das Eis. Bereitwillig lassen sie | |
| sich porträtieren. | |
| Angesichts des Flüchtlingsdramas am Mittelmeer ist es einigermaßen | |
| unverständlich, dass die Stiftung der Deutschen Bank kürzlich beschlossen | |
| hat, ihre Förderung für das Haus mit dem avancierten Programm zu streichen. | |
| Spätestens 2019 muss Stepken einen neuen Sponsor für die jährlichen 260.000 | |
| Euro Zuschuss finden. Die Bank konzentriert sich auf ihr neu eröffnetes | |
| Palais Populaire in Berlin-Mitte. | |
| ## Ältestes Förderprojekt | |
| Und das, obwohl die Villa das älteste Förderprojekt der Bank ist. Und die | |
| älteste deutsche Künstlerresidenz geradezu ein Paradebeispiel für das | |
| „Zukunftsmodell für eine offene Begegnung mit der Welt“ ist, das der | |
| „Arbeitskreis deutscher internationaler Residenzprogramme“ kürzlich auf | |
| einer gemeinsamen Tagung mit dem Goethe-Institut und dem Auswärtigen Amt im | |
| Berliner Hebbel am Ufer beschwor. | |
| Auf der einen Seite kann der Förderverein, der die Villa trägt, froh sein. | |
| Ein imagefördernder Sponsor ist das Frankfurter Institut nicht gerade. Aber | |
| eine Übernahme durch den Bund, der bislang jährlich 220.000 Euro zusteuert, | |
| würde dem Förderverein auch nicht behagen. „Das ist eine Alternative zu | |
| staatlichen Gründungen, eine Residenz von Künstlern für Künstler“, sagt | |
| Stepken mit Verweis auf die Geschichte des Hauses. | |
| Als der Bildhauer Max Klinger nach seinem Florenz-Aufenthalt von der Stadt | |
| so entzückt war, dass er anderen Künstlern das Gleiche ermöglichen wollte, | |
| überredete er den Deutschen Künstlerbund, dort ein Haus zu kaufen. 1905 | |
| eröffnete es, dank eines Kredits der Deutschen Bank. Im Ersten und Zweiten | |
| Weltkrieg beschlagnahmt, öffnete es 1958 neu. Unzählige KünstlerInnen | |
| beherbergte es seitdem. Von Georg Kolbe über Käthe Kollwitz bis Katharina | |
| Grosse. | |
| Haftet der prestigeträchtigeren Villa Massimo in Rom immer etwas | |
| Staatsoffizielles an, ist die Villa Romana das zivilgesellschaftliche | |
| Gegenstück. „Es ist doch gut, wenn es auch eine Italien-Residenz gibt, die | |
| einen etwas anderen Ansatz hat“, argumentieren Nina Fischer und Maroan el | |
| Sani. | |
| Das Berliner Künstlerpaar gibt am Abend eine Lecture über sein Projekt | |
| „Impero de Segni“ – eine künstlerisch inspirierte Aneignung von Mussolin… | |
| in den 1930er Jahren in Rom erbauten Palazzo de Congressi. Der Saal platzt | |
| aus allen Nähten, als die Stipendiaten der Studienstiftung des Deutschen | |
| Volkes dazustoßen, die gerade in Florenz zur Exkursion sind. | |
| „Florenz war meine große Liebe“, erklärt die Bielefelder Malerin Inge | |
| Höher, die zu Besuch in der Stadt ist, einer spontanen Mittagessenrunde aus | |
| Mitarbeitern, Stipendiaten und ein paar Gästen in dem malerischen Garten am | |
| nächsten Tag. | |
| Nicht nur die deutschen Besucher, vor allem die Florentiner lieben ihre | |
| Stadt. Hier ist ihre Sprache entstanden, die Renaissance. Auf dieses | |
| Nationalheiligtum lassen sie nichts kommen. Genau diesem Mythos ironisch | |
| auf den Leib zu rücken, hat Viron Erol Vert gereizt. | |
| Der subkulturell inspirierte Künstler hat die Venus und den Kopf von | |
| Michelangelos David in Terrakotta nachgebildet. Die Technik hat er sich | |
| extra von einem kleinen Handwerksbetrieb in der Nähe von Florenz beibringen | |
| lassen. Seine Figuren hat er dann in Scheiben geschnitten. | |
| Im hereinfallenden Licht sieht der schwergewichtige Vert mit seinem | |
| Strohhut und den wallenden Gewändern plötzlich wie eine Lichtgestalt des | |
| Impressionismus aus. Lachend präsentiert er die noch unfertige Arbeit auf | |
| einem Tisch in seinem riesigen Atelier. Die Lichtgestalten der Renaissance | |
| sehen in seiner Version plötzlich aus wie Wurstscheiben. Auch ein | |
| schlechter Christ kann eben hervorragende Kunst schaffen. | |
| 23 Oct 2018 | |
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| Ingo Arend | |
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