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# taz.de -- Dokureihe über die Folgen des Tourismus: Ganz korrekt entspannen
> Urlaubszeit ist die Zeit des politisch schlechten Gewissens. Die
> WDR-Reihe „Kritisch Reisen“ behandelt die Kehrseiten des Tourismus.
Bild: Ein Bett ist ein Bett? Manchmal hat das „Geschäftsmodell Ferienwohnung…
Wer ökologisch, sozial und politisch halbwegs korrekt reisen will, hat es
nicht leicht. Der moderne Tourismus versaut an vielen Orten die Umwelt,
beutet die Einwohner der Urlaubsparadiese aus und stützt die Herrschaft
von Diktatoren. Dafür möchte niemand verantwortlich sein. Andererseits kann
man ja auch nicht immer nur zu Hause in der muffigen Bude bleiben.
Aus diesem Dilemma hat der WDR eine Dokureihe gemacht: „Die Story –
Kritisch Reisen“ beleuchtet ab Mittwoch wöchentlich in insgesamt sechs
Ausgaben negative Auswirkungen des Tourismus. Das Besondere: Während
Reportagen normalerweise entweder auf Missstände hinweisen oder die
Schönheiten eines Landes erkunden, soll die einheitlich konzipierte Reihe
laut WDR beides miteinander kombinieren.
Nach einem Drohnenflug über eine Küstenlandschaft kann ein Gespräch mit
mies bezahlten Zimmermädchen folgen. Auf Service-Tipps wird allerdings
verzichtet. „Mein Kollege Johannes Höflich und ich haben in den vergangenen
Jahren immer mal wieder Dokus dieser Machart produziert, und diese haben
exzellente Quoten geholt“, sagt der WDR-Redakteur Jo Angerer. „Das haben
wir als Auftrag der Zuschauer verstanden, mehr davon zu bringen.“
## Möglichst nicht moralisieren
In Zahlen bedeutet das zum Beispiel, dass die Doku „Die Kanaren – Insel der
Arbeitslosen“ im Januar im WDR 350.000 Zuschauer hatte. Diese Folge wird im
Rahmen der Reihe wiederholt, die anderen fünf Dokus sind
Erstausstrahlungen.
Zum Start steht die Online-Plattform [1][Airbnb] im Zentrum. In den
weiteren Folgen geht es um die Auswirkungen des Massentourismus auf den
Balearen, den Kanaren und in Kroatien, außerdem um Strategien von
Safari-Anbietern sowie darum, ob Volontourismus – das Reisen für ein
freiwilliges Engagement – eine gute Sache ist.
„Wir wollen den Reisenden ihren Urlaub nicht madig machen, und auf keinen
Fall moralinsauer sein“, sagt Jo Angerer. „Wir haben auch nicht für jedes
Problem eine Lösung parat, dafür ist vieles zu komplex. Aber wenn es passt,
geben wir Hinweise darauf, wie Touristen sich im Kleinen besser verhalten
können. Etwa, indem sie nicht in Hotels großer Ketten, sondern in
familiengeführten Hotels übernachten; und nicht All-inclusive buchen,
sondern in Lokalen essen gehen. Dann haben die Menschen vor Ort auch was
vom Tourismus.“
Die Reporter sind nur zu zweit unterwegs. Angerer sieht in der kleinen
Besetzung Vorteile: „Die Zweier-Teams sind flexibel, unauffällig und können
sich wie echte Touristen ins Urlaubsgetümmel stürzen. Wir entwickeln diese
Arbeitsweise seit Jahren.“ Sie beinhaltet, dass manche Reporter
gleichzeitig als Autoren und Kameraleute arbeiten.
Als zweifelhafte Sparmaßnahme bewertet Angerer das nicht: „Natürlich
bedeutet es für einen Reporter mehr Arbeit, wenn er selbst dreht. Aber das
Honorar ist dann auch höher, wir beuten die Reporter nicht aus.“
Da alle neuen Dokus erst kurz vor der Ausstrahlung fertig sein werden, gab
es für die Presse bislang nur die Auftaktfolge zu sehen: „Das System Airbnb
– Im Bett mit dem Supervermieter“ (Mittwoch, 22.10 Uhr). Dirk Bitzer und
Fabian Nast untersuchen darin, was passiert, wenn Immobilien der
langfristigen Nutzung entzogen und ausschließlich via Airbnb an Touristen
vermietet werden.
Die Recherchen sind beeindruckend umfassend: In München begleiten die
Reporter Mitarbeiter des Wohnungsamtes bei der Suche nach Airbnb-Anbietern,
die Wohnraum zweckentfremden. In Hamburg treffen sie eine Mieterin, der
nach 33 Jahren gekündigt wurde, weil der Vermieter via Airbnb mehr Geld
einnimmt. In Florenz sprechen sie mit einem Alteingesessenen darüber, wie
sich sein Stadtviertel verändert hat, seitdem viele Wohnungen nur noch von
Touristen belegt werden.
Sie befragen Politiker und geben Statements von Airbnb wieder, begeisterte
Nutzer kommen zu Wort. Das Problem wird anschaulich dargestellt. Allein vom
versprochenen besonderen Ansatz dieser Reihe ist nicht viel zu merken.
Bilder, Texte, Interviews folgen konventionellen Doku-Mustern. Vielleicht
liegt das daran, dass es zum Auftakt um eine Reiseart und nicht um ein
Reiseziel geht. Eine etwas speziellere Note wäre angesichts der aufgebauten
Erwartungshaltung seitens des Senders trotzdem schön gewesen.
18 Jul 2018
## LINKS
[1] /Fehlende-Transparenz-angemahnt/!5517951
## AUTOREN
Sven Sakowitz
## TAGS
Tourismus
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Airbnb
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Lesestück Meinung und Analyse
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