# taz.de -- Mord an bulgarischer Journalistin: „Solche Themen sind tabu“ | |
> In ihrer letzten Sendung sprach die ermordete Journalistin Marinova über | |
> Korruption. In Bulgarien kann das gefährlich sein, sagt ihr Kollege | |
> Tchobanov. | |
Bild: In Bulgarien wird der ermordeten Journalistin Marinova gedacht | |
taz: Herr Tchobanov, am 30.9. waren Ihre beiden Kollegen Dimitar Stojanow | |
und Attila Biro in der Sendung der am Samstag [1][ermordeten bulgarischen | |
Journalistin Viktoria Marinova] zu Gast. Worum ging es? | |
Atanas Tchobanov: Es war die erste und tragischerweise auch die letzte | |
Ausstrahlung von Marinovas neuem Format „Detektor“. Darin wollte sie über | |
die Ergebnisse investigativer Recherchen berichten. Für die erste Sendung | |
hatte sie meine beiden Kollegen eingeladen. Wir arbeiten gemeinsam bei dem | |
Online-Portal Bivol. Die beiden hatten für Bivol zu Korruption bei der | |
Vergabe öffentlicher Bauaufträge recherchiert. | |
Was haben Ihre Kollegen herausgefunden? | |
Es geht um einen bulgarischen Baukonzern, die GP Group. Eine von dessen | |
Töchtern ist eine Beraterfirma. Hacker haben aus deren Computer etwa 70 | |
Gigabyte Daten kopiert, die viele Hinweise auf Korruption enthalten. Die | |
haben wir ausgewertet. Dabei ging es um die Verwendung von EU-, aber auch | |
von bulgarischen Steuermitteln. Wir haben Hinweise gefunden, dass diese | |
Firma gezielt sogenannte externe Experten in Kommissionen setzt, die | |
entscheiden, welche Firmen öffentliche Aufträge bekommen. | |
Zudem haben wir Hinweise darauf entdeckt, dass dabei teure Leistungen | |
abgerechnet werden, aber systematisch billige, minderwertige Leistungen | |
erbracht werden. Dadurch entstehen hochgefährliche Mängel bei öffentlichen | |
Infrastrukturbauten. Wir haben auf Verbindungen von GP zum russischen | |
Staatskonzern Lukoil und zum Umfeld des bulgarischen Ministerpräsidenten | |
Boiko Borisov hingewiesen. | |
Darüber haben Ihre Kollegen auch in der Sendung gesprochen? | |
Ja. Es ging dabei zum Beispiel um die Umstände, unter denen meine Kollegen | |
von der Polizei festgesetzt worden waren. Sie hatten zuvor einen Tipp | |
bekommen, dass an einem bestimmten Ort Akten verbrannt werden sollten, die | |
Bestechung belegen. Sie hatten dies der Polizei gemeldet. Doch statt | |
einzuschreiten, legte die Polizei Handschellen an und nahm sie mit. Das war | |
kurz vor der Sendung. | |
Glauben Sie, dass es einen Zusammenhang zwischen Ihrer Arbeit und dem Mord | |
an Marinova gibt? | |
Wir wissen nicht, ob ihr Tod mit ihrer Arbeit zu tun hat. Fakt ist, dass | |
sie meine Kollegen eingeladen hat. Sie müssen wissen, dass es in Bulgarien | |
sehr schwierig ist, im Fernsehen ein Forum für solche Themen zu bekommen. | |
Die Medien in Bulgarien werden streng kontrolliert. Es kommt nicht von | |
ungefähr, dass wir auf [2][Platz 111 der Weltrangliste der Pressefreiheit] | |
stehen. | |
Wer kontrolliert die Medien? | |
Die Regierung und die ihr nahestehenden Oligarchen, denen die Medien | |
gehören. Es ist fast unmöglich, Vorgänge wie die, zu denen wir recherchiert | |
haben, der bulgarischen Öffentlichkeit zu zeigen. Wir waren deshalb froh, | |
dass Viktoria Marinova uns eingeladen hat. Sie und ihr Team waren integere | |
Leute, die gute Arbeit gemacht haben. | |
Kannten Sie Viktoria Marinova persönlich? | |
Ja, seit 2014. Wir hatten über ein solches Format gesprochen, dass sie nun | |
gestartet hat. Allerdings war das ihr Projekt, wir sind keine Partner oder | |
Ähnliches. Sie hat uns damit aber eine in Bulgarien sehr seltene | |
Möglichkeit gegeben. Andere Sender würden uns niemals einladen. Solche | |
Themen sind tabu. | |
Sind Ihre Kollegen selbst auch bedroht worden? | |
Wir haben schon öfter über Betrug mit EU-Mitteln berichtet und wurden | |
deshalb auch bedroht. Es gibt keine Beweise, wer für den Mord | |
verantwortlich ist. Es stellt sich wie immer die Frage nach den Motiven. | |
Öffentlich ist da Verschiedenes ins Spiel gebracht worden: Eine | |
Beziehungstat, eine sexuelle Motivation, Raub. Eine mögliche Motivation ist | |
aber eben auch ihr Beruf. Das muss ehrlich und ohne Vertuschungen | |
aufgeklärt werden. | |
Die Polizei und der Innenminister haben diese Möglichkeit heruntergespielt | |
und die bulgarischen Medien haben das übernommen. In den Berichten wird | |
teils gar nicht erwähnt, worüber Marinova ihn ihrer letzten Sendung | |
berichtet hat. | |
8 Oct 2018 | |
## LINKS | |
[1] /Mord-an-bulgarischer-Journalistin/!5541965 | |
[2] /Pressefreiheit-in-Bulgarien/!5461232 | |
## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
## TAGS | |
Bulgarien | |
Mord | |
Journalismus | |
Bulgarien | |
Bulgarien | |
Bulgarien | |
Bulgarien | |
Saudi-Arabien | |
Ján Kuciak | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Finanzbehörde in Bulgarien gehackt: Millionen Steuerdaten geklaut | |
Unbekannte Hacker haben offenbar Daten der bulgarischen Steuerbehörde | |
entwendet. Betroffen sind wohl 5 Millionen der 7 Millionen Menschen, die | |
dort registriert sind. | |
Kommentar Mord an Viktoria Marinova: Unverständliche Passivität | |
Nach dem Mord an der Journalistin Viktoria Marinova muss die EU handeln. | |
Statt zuzusehen sollten Sanktionen gegen Bulgarien eingeleitet werden. | |
Mord an bulgarischer Journalistin: Polizei nimmt Verdächtigen fest | |
Am Samstag wurde die Leiche der bulgarischen Journalistin Viktoria Marinova | |
gefunden. Nun meldet ein Sender, dass ein Verdächtiger festgenommen wurde. | |
Mord an bulgarischer Journalistin: Viktoria Marinova tot aufgefunden | |
In einem Park in der bulgarischen Stadt Ruse wurde die Leiche der | |
30-jährigen Viktoria Marinova entdeckt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt in | |
alle Richtungen. | |
Verschwundener saudischer Journalist: Türkische Polizei geht von Mord aus | |
Der türkischen Polizei zufolge soll Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat | |
hingerichtet worden sein. Saudi-Arabien dementiert. | |
Mord an Journalist Jan Kuciák: Suche nach den Drahtziehern | |
Die mutmaßliche Auftraggeberin ist eine Übersetzerin. Sie soll enge | |
Kontakte zu einem umstrittenen Geschäftsmann haben über den Kuciák schrieb. |