| # taz.de -- Ausstellung zu Plattencover in Berlin: Wie eine Milchkuh Popstar wu… | |
| > Pink Floyd, Yes und XTC: Die Albumcover der Designer Hipgnosis sind | |
| > legendär. Eine Schau der Berliner Browse Gallery beweist das | |
| > eindrucksvoll. | |
| Bild: Pink Floyd „Atom Heart Mother“ (1970), Ausschnitt | |
| Und dann war da plötzlich diese Kuh auf dem Albumcover. Sonst nichts, nur | |
| ein Vieh auf grünem Weidegrund, das den Blick gleichmütig in Richtung des | |
| Fotografen wendet. Im Jahr 1970 war es, als Pink Floyd dieses Covermotiv | |
| für „Atom Heart Mother“ verwendeten. Seinerzeit war man es eigentlich | |
| gewohnt, dass zauselige Musiker mit Fusselbärten für die Frontcover | |
| posierten. Nun aber wurde Lulubelle III, so der Name der Milchkuh, zur | |
| Popikone. | |
| Verantwortlich für dieses Motiv und viele weitere stilprägende Plattencover | |
| waren Aubrey Powell und Storm Thorgerson von der Londoner Artwork-Schmiede | |
| Hipgnosis. Vor 50 Jahren wurde Hipgnosis offiziell gegründet, anlässlich | |
| des Jubiläums ist in Kreuzberg nun die Ausstellung „Daring to Dream“ zu | |
| sehen. Die Kuratoren der Browse Gallery zeigen einige Hipgnosis-Werke (etwa | |
| Fotos von Mick Jagger und Keith Richards in deren besten Jahren) hier zum | |
| allerersten Mal, die Schau soll bald nach nach San Francisco weiterwandern. | |
| In ihr kann man nicht nur berühmte LP-Cover von AC/DC, Led Zeppelin, Peter | |
| Gabriel, Yes, Police und vielen anderen (wieder)entdecken, in ihr wird die | |
| gesamte Breite des Hipgnosis-Schaffens gewürdigt. | |
| Aubrey Powell, der heute als Filmemacher und Kurator arbeitet, ist zur | |
| Eröffnung nach Berlin gekommen und erinnert sich recht gut an die | |
| Geschichte mit der Kuh: „Roger Waters war damals nicht interessiert daran, | |
| ein Bandfoto oder so etwas auf dem Cover zu haben. Er wollte immer | |
| abstraktere, surreale Sachen“, berichtet Powell, ein gesettelter Mann | |
| Anfang siebzig in Hemd und Jackett. | |
| ## Sie schufen das „Dark Side of the Moon“-Cover | |
| Hipgnosis habe seinerzeit schon einige Jahre mit Pink Floyd | |
| zusammengearbeitet. Die beiden Designer kannten die Bandmitglieder, weil | |
| sie zuvor in Cambridge die gleiche Schule wie sie besucht hatten. „Als wir | |
| nun nach einem Covermotiv suchten, sprachen wir im Studio mit der Band über | |
| Marcel Duchamp und über dessen ‚Antikunst‘-Ansatz. So etwas reizte uns.“ | |
| Ein paar Tage später habe sein Partner Thorgerson die Idee mit der Kuh | |
| gehabt – kurz darauf fanden sich beide mit Kamera auf einer Wiese nördlich | |
| von London wieder. Roger Waters war begeistert von dem Foto – fertig war | |
| das Cover. Ohne Bandnamen, ohne Titel. | |
| Vor allem in der Gestaltung von Werken, die heute Popkulturgeschichte sind | |
| – etwa Pink Floyds „The Dark Side of the Moon“ (1973) und „Wish You Were | |
| Here“ (1975) oder bei Peter Gabriel – s/t (1978) – kommt die Prägung dur… | |
| die modernen Avantgarden, Surrealismus, Dadaismus und Kubismus, zur | |
| Geltung. | |
| Erstmals in Berlin sind nun auch Plakatentwürfe für das britische | |
| Experimentaltheater Lumiere & Son zu sehen, ebenfalls mit surrealem | |
| Einschlag: Auf einer Schwarz-Weiß-Aufnahme ist ein nackter Mann von hinten | |
| zu sehen, dem lauter Gabeln im Rücken und im Hinterteil stecken. | |
| Spannend an der Schau sind ohnehin die nicht ganz so bekannten Seiten von | |
| Hipgnosis. Zum Beispiel ist das Innencover für das Album „How Dare You!“ | |
| (1976) der britischen Artrockband 10cc geradezu prophetisch, das eine | |
| Partyszene zeigt, bei der alle Menschen nur am Telefon (damals noch mit | |
| Schnur) hängen. | |
| ## Die Beatles sind schuld | |
| Bilder wie diese fordern das Auge, weil sie keinen Fokus haben und alle | |
| Figuren gleichermaßen im Vordergrund stehen – ähnlich wie bei so manchem | |
| Renaissancegemälde. Hipgnosis arbeiteten insgesamt viel mit Montagen und | |
| Collagen – schuld waren unter anderem die Beatles: „Das Cover, das unser | |
| Denken verändert hat, war ‚Sgt. Pepper‘, das Peter Blake gestaltet hat. Das | |
| machte uns klar, wohin es mit dem Albumcover in Zukunft geht“, sagt Powell. | |
| Kulturgeschichtlich zeigt die Schau zum einen, was im Mainstream gewünscht | |
| war und was nicht. Ein Coverentwurf für eine Foreigner-LP („Silent | |
| Partners“, 1981), auf der ein junger Mann mit nacktem Oberkörper im Bett | |
| liegt, wurde seinerzeit von der Plattenfirma – obwohl von der Band für gut | |
| befunden – abgelehnt. Begründung des Labels: Die Leute könnten denken, die | |
| Bandmitglieder seien schwul. Der Titel wurde geändert, ein anderes Cover | |
| verwendet. | |
| Zum anderen bildet „Daring to Dream“ eine Epoche im Pop ab, in der Artwork | |
| und Cover – in den LP-Maßen 31,5 mal 31,5 Zentimeter – noch bedeutender | |
| waren und Bands und Plattenfirmen viel Geld dafür investiert haben. „Das | |
| Plattencover war der wichtigste Link zwischen der Band und dem Käufer, der | |
| die Ästhetik der Gruppe, die er da hörte, verstehen wollte. Damals gab es | |
| kein MTV, kein Spotify, kein YouTube.“ Von 1983 an schulten Hipgnosis daher | |
| um – Musikvideos waren nun gefragt, also drehten sie Videoclips und | |
| gestalteten keine Cover mehr. Eine weitere Revolution – Punk und D.I.Y. – | |
| hatte inzwischen dafür gesorgt, dass die Ära der teuren und aufwendigen | |
| Artworks irgendwie passé war. | |
| Punk hinterließ aber auch bei Hipgnosis seine Spuren. So ist im | |
| Eingangsbereich der Schau der Titel von XTCs „Go 2“ (1978) zu sehen, das | |
| nur aus einer Schreibmaschinentypo in Weiß auf Schwarz besteht. Geschrieben | |
| steht da: „This is a RECORD COVER. This writing is the DESIGN upon a | |
| record cover. The DESIGN is to help SELL the record. We hope to draw your | |
| attention to it and encourage you to pick it up.“ | |
| Solche Geniestreiche waren es, mit denen Hipgnosis sich in der | |
| Musikindustrie Feinde machten: „Natürlich hassten die Plattenfirmen uns. | |
| Die wollten die Band vorne auf dem Cover haben, dazu groß den Bandnamen und | |
| den Titel“, so Powell. Dem Pop aber wäre viel mehr als nur eine Kuh | |
| verloren gegangen, hätten die Plattenfirmen damals die Oberhand behalten. | |
| 9 Oct 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Jens Uthoff | |
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