# taz.de -- Faktenlage zu neuem Geheimnis-Gesetz: Gefahr für Whistleblower? | |
> Verschlechtert das geplante Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen | |
> tatsächlich die Arbeit von Journalisten? Eher nicht. | |
Bild: Erstmals gibt es ausdrückliche Rechtfertigungsgründe für Journalisten … | |
An diesem Freitag berät der Bundesrat erstmals über [1][das geplante Gesetz | |
zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen]. Der ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm | |
hatte vor einer Woche gewarnt, das Projekt verschlechtere die Bedingungen | |
für investigativen Journalismus. Doch die Warnung ist wohl nicht | |
berechtigt. | |
Bisher war der „Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen“ nur im | |
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb geregelt (§ 17 UWG). Nun soll es ein | |
eigenes Gesetz hierzu geben. Wer Geschäftsgeheimnisse verrät oder diese | |
anschließend nutzt und offenlegt, muss mit bis zu drei Jahren | |
Freiheitsstrafe oder Geldstrafe rechnen. Betroffene können von den | |
Rechtsverletzern unter anderem Unterlassung und Schadensersatz verlangen. | |
Die Bundesregierung hat im Juli den Gesetzentwurf beschlossen. Dieser setzt | |
eine EU-Richtlinie von 2016 um. | |
Im wesentlichen entspricht der Gesetzentwurf dem bisherigen deutschen | |
Recht. Allerdings sollen die Anforderungen an ein Geschäftsgeheimnis | |
strenger werden. Genügte bisher der bloße Geheimhaltungswille des | |
Unternehmens, muss das Unternehmen künftig aktiv werden und „angemessene | |
Geheimhaltungsmaßnahmen“ nachweisen. | |
Erstmals gibt es auch ausdrückliche Rechtfertigungsgründe für Journalisten | |
und Whistleblower. Sie handeln nicht rechtswidrig, wenn sie berechtigte | |
Interessen verfolgen. Das ist eine deutliche Verbesserung gegenüber dem | |
bisherigen Recht, wo eine solche Regelung fehlte. | |
Motive müssen auf „Plausibilität“ geprüft werden | |
Der grüne Europa-Abgeordnete Sven Giegold kritisierte den Entwurf von | |
Justizministerin Katarina Barley (SPD) dennoch: „Der Gesetzentwurf ist ein | |
Schlag ins Gesicht derer, die im öffentlichen Interesse handeln“, schrieb | |
er im Frühjahr in einer seither oft zitierten Mitteilung. Seine | |
Hauptkritik: Rechtmäßig agiere ein Whistleblower laut Gesetzentwurf nur, | |
wenn er „in der Absicht handelt, das allgemeine öffentliche Interesse zu | |
schützen“, nicht aber wenn es ihm zum Beispiel um Rache für schlechte | |
persönliche Behandlung gehe. „Eine Gesinnungsprüfung war ausdrücklich nicht | |
Absicht des europäischen Gesetzgebers“, schrieb Giegold. Die | |
Bundesregierung wolle Whistleblower „schlechter schützen als es das | |
europäische Recht verlangt“. Auch ARD-Chef Wilhelm behauptete, die | |
EU-Richtlinie sei besser als der deutsche Gesetzentwurf. | |
Tatsächlich ist der Wortlaut in der EU-Richtlinie aber fast identisch. Auch | |
dort wird nur derjenige geschützt, „der in der Absicht gehandelt hat, das | |
allgemeine öffentliche Interesse zu schützen“. Der deutsche Gesetzentwurf | |
bleibt also nicht hinter der Richtlininie zurück. | |
In der Begründung zum deutschen Gesetzentwurf heißt es zudem, dass der | |
Schutz des öffentlichen Interesses „nicht das ausschließliche Motiv“ des | |
Whistleblowers sein muss, es genüge, wenn es in einem Motivbündel | |
„dominiert“. Gerichte müssten auch keinen Gesinnungstest durchführen, | |
sondern nur die vom Whistleblower angegebenen lauteren Motive auf | |
„Plausibilität“ prüfen. | |
Der zweite Vorwurf von Giegold betrifft die Frage, was ein Whistleblower | |
offenlegen muss, um sanktionsfrei zu bleiben. Giegold wirft der | |
Bundesregierung auch hier vor, sie bleibe hinter EU-Recht zurück, indem sie | |
nur auf die Enthüllung von „Gesetzesbrüchen“ abstelle. Doch auch das ist | |
falsch. | |
Tatsächlich geht es im deutschen Gesetzentwurf (wie in der Richtlinie) auch | |
um „berufliches oder sonstiges Fehlverhalten“. Laut Barleys | |
Gestzesbegründung ist damit legales, aber „unethisches“ Verhalten gemeint, | |
zum Beispiel „die systematische und unredliche Umgehung von | |
Steuertatbeständen“. Dazu zählen auch „gesundheits- und umweltschädliche | |
Arbeitsbedingungen“ im Ausland, die vor Ort zwar legal sind, in Deutschland | |
aber als „Fehlverhalten“ angesehen werden. Der Schutz des Whistleblowers | |
ist im Entwurf für das deutsche Geschäftsgeheimnisse-Gesetz also gerade | |
nicht eng, sondern sehr weit gefasst. | |
Wenn die Länderkammer ihre Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf abgegeben | |
hat, berät der Bundestag das Gesetzesvorhaben. Dort soll das Gesetz Anfang | |
2019 auch beschlossen werden. | |
Um Whistleblower auch vor Entlassung und Schikane durch den Arbeitgeber zu | |
schützen, hat die EU-Kommission im April eine weitere EU-Richtlinie | |
vorgeschlagen, die sich nun ausschließlich dem Schutz von Whistleblowern | |
widmet. Über diesen Vorschlag wird auf EU-Ebene noch diskutiert. | |
20 Sep 2018 | |
## LINKS | |
[1] /Schutz-fuer-Whistleblowerinnen/!5507905 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
## TAGS | |
Whistleblower | |
Gesetz | |
Whistleblower | |
Whistleblower | |
Whistleblower | |
Heckler & Koch | |
Chelsea Manning | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Gesetze zum Schutz von Whistleblowern: Aufdecken erleichtert | |
Bundestag und EU arbeiten an neuen Gesetzen. Damit soll der Schutz von | |
Hinweisgebern strafrechtlich und arbeitsrechtlich gestärkt werden. | |
Gesetz für Whistleblower: Gut für JournalistInnen | |
Das geplante Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen verbessert auch | |
den Schutz der Medien. Der ARD-Protest ist nicht überzeugend. | |
Debatte Schutz von Whistleblowern: Prekäre Helden | |
In Europa wird um den Umgang mit Whistleblowern gerungen. Deutschland hat | |
sich in der Sache bislang nicht gerade hervorgetan. | |
Heckler & Kochs Lieferungen nach Mexiko: Kronzeuge belastet Waffenschmiede | |
Heckler & Koch hat wohl wissentlich eine verbotene Lieferung Waffen nach | |
Mexiko geschickt. Das sagte nun ein Whistleblower vor Gericht aus. | |
Manning darf nicht nach Australien: Whistleblower unerwünscht | |
Chelsea Manning wurde die Einreise nach Australien verweigert. Grund dafür | |
soll ihre Haftstrafe sein. Sie wird nicht zum ersten Mal ausgeladen. |