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# taz.de -- Konflikt um den Hambacher Forst: Berliner Protest gegen die Räumung
> Aktivisten besetzen die NRW-Landesvertretung. Ihre Forderung: Stopp der
> Räumung im Hambacher Wald. Dort rückt die Polizei vor.
Bild: Sie fordern ein Ende der Rodungen: Aktivisten blockieren die NRW-Landesve…
Berlin/Hambacher Forst taz | Freitag morgen um 9:30 Uhr im vornehmen
Botschaftsviertel am Berliner Tiergarten: Plötzlich stehen etwa zwanzig
junge Leute in der Vorhalle der Landesvertretung von Nordrhein-Westfalen.
Sie legen alle gleichzeitig ihre Rucksäcke ab und holen weiße Anzüge mit
der Aufschrift „Ende Gelände“ heraus.
Wenige Augenblicke später sind die AktivistInnen neu eingekleidet und
setzen sich vor den Haupteingang. Niemand soll mehr vorbei. Der Pförtner
ist überrumpelt, ruft seine Vorgesetzten an. „Wir sind gleich wieder weg
und machen nichts kaputt – anders als die Landesregierung“, besänftigt eine
der Besetzerinnen. „Ich hab doch auch meine Anweisungen“, entgegnet er
freundlich. Sogleich erscheinen Männer in Anzügen. „Was sind denn das für
welche?“ fragt einer. Die Antwort kommt prompt, als die Gruppe Parolen zu
skandieren beginnt: „Niemand soll den Hambi roden, lasst die Kohle in dem
Boden!“
Die Polizei wird gerufen, braucht aber überraschend lange. Es scheint, als
ob auch der goldene Skulptur-Hund von Thomas Schütte (Hund II, 2004) in der
Vorhalle alles ganz genau betrachtet. Als schließlich drei Beamte
erscheinen, ertönt in eingeübtem Chor die Forderung. Tenor: Die sofortige
Einstellung der Räumungsarbeiten im Hambacher Forst. Ultimatum: 20 Minuten.
Es ist allen klar, wie unwahrscheinlich es ist, dass das funktioniert.
Zumal die Landesvertretung gar keine politische Institution im Sinne eines
Ministeriums ist, erklärt eine Mitarbeiterin.
## Jetzt wird auch hier geräumt
Selbst wenn einzelne sogar mit dem Protest sympathisieren: Die Männer in
Hemden erklären der Polizei, dass die AktivistInnen nicht kooperieren
wollen und das Hausrecht verletzen. Es wird Anzeige erstattet. Immer mehr
Polizei kommt, jetzt wird auch hier geräumt. Die Fronten sind verhärtet,
eine herbeigeeilte Linken-Politikerin versucht zu vermitteln. Nach und nach
räumt die Polizei die Blockade – manche gehen freiwillig, andere wehren
sich und werden weggetragen. Schließlich ist der Eingang wieder frei, nur
ein paar Aufkleber zeugen von der Aktion. Jetzt ist es etwa halb 13 Uhr.
Das ganze ist ohnehin nur symbolisch – es geht um Aufmerksamkeit. Etwa 500
Kilometer westlich der Hauptstadt soll ein höchst symbolträchtiger Wald dem
Kohleabbau weichen. Es geht nicht nur um den Hambacher Forst und um Kohle,
sondern auch um das Weltklimaproblem. Ein seit Jahren brodelnder Konflikt
spitzt sich gerade zu.
Am Donnerstagmorgen hatte die Polizei im Hambacher Forst begonnen,
Barrikaden und Baumhäuser der Umweltaktivisten zu [1][räumen]. Der Einsatz
im Braunkohlerevier gilt als einer der größten in der jüngeren Geschichte
Nordrhein-Westfalens. Die Arbeiten dauerten zwar aufgrund der
ausgeklügelten Protestkonstruktionen im Wald recht lange.
Die Nacht verlief ruhig. Aber bereits am Freitagmorgen wurde eine weitere
Schneise in den Wald geschlagen – die Räumung geht weiter. Nun sollen noch
mehr der insgesamt etwa 50 Baumhäuser weichen. Diesen war aufgrund eines
neuen Baurechtserlasses fehlender Brandschutz attestiert worden, der die
sofortige Räumung juristisch stützt. Erste Eilanträge dagegen wurden
abgelehnt, weitere gestellt.
## Zehn Aktivisten in Gewahrsam genommen
Im Forst versuchte die Polizei, in die Siedlung „Oaktown“ einzudringen,
eines der zentralen Protestcamps. Die Bewohner von „Oaktwon“ warfen der
Polizei vor, dabei etwa 20 Bäume gefällt zu haben, darunter auch einige
sehr alte. Die Polizei bestätigte einzelne Baumfällungen. Ihren Angaben
zufolge wurden zehn Aktivisten wegen Widerstand und Landfriedensbruch in
Gewahrsam genommen. 18 andere wurden weggetragen.
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) kritisierte die Waldbesetzer
unterdessen scharf und sah im Wald „kriminelles Personal“ am Werk. „Jetzt
sind da Menschen, die haben auf fremdem Gelände schwarz gebaut, beachten
keine Bauvorschrift, keine Brandvorschrift, wehren sich auch noch, sind
kriminell, greifen noch Polizisten an, also werden straffällig, und da soll
ich nicht eingreifen?“, sagte der Politiker im Deutschlandfunk. Die
Behörden hätten „gemerkt, dass immer mehr kriminelles Personal auch vom
Ausland übrigens in diesen Wald einsickert“, sagte Reul.
Am Freitag bekräftigte RWE sein Vorhaben. „Der Tagebau steht quasi direkt
vor dem Wald und dementsprechend müssen wir auch roden“, sagte
RWE-Vorstandsmitglied Lars Kulik dem Hörfunksender WDR 2. Es gebe keinen
Zeitpuffer mehr, da bereits im vergangenen Jahr nicht gerodet worden sei.
Die Abholzung sei unvermeidbar, um die Stromproduktion zu sichern.
Die spontane Besetzung der NRW-Landesvertretung ist bei weitem nicht die
einzige bundesweite Protest- und Solidaritätsaktion dieser Tage. Außerdem
dürften sich gerade einige Menschen auf dem Weg gen Wald befinden. Dort
geht die handfeste Auseinandersetzung weiter – die Bewohner wehren sich
unter anderem mit dem Werfen von Fäkalien vor dem Zugriff der Polizei.
14 Sep 2018
## LINKS
[1] /Raeumung-im-Hambacher-Forst/!5533563
## AUTOREN
Andrew Müller
Leonie Ruhland
## TAGS
Braunkohle
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Hambacher Forst
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