Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Langgedicht von David Grubbs: Gletscher aus Rost und Schmutz
> „Now that the audience is assembled“: US-Musiker David Grubbs schildert
> ein Konzert in Form eines Langgedichts. Nun wird es als Buch
> veröffentlicht.
Bild: Sommer 2017: David Grubbs rezitiert erstmals das Gedicht in Begleitung vo…
Gute Müllhaufen, böse Müllhaufen. In „Now that the audience is assembled�…
einem Langgedicht, das der New Yorker Musiker und Autor David Grubbs in
Buchform veröffentlicht hat, geht es um einen guten Müllhaufen. Ort der
Handlung ist ein Konzert. Dort ragt auf der Bühne ein Müllhaufen in die
Höhe. Beziehungsweise „ein schmieriger, rostiger Gletscher“ von nicht mehr
Gebrauchtem, aus dem eine Künstlerin im Beisein des Publikums nach und nach
Gegenstände zieht, um mit ihnen Musik zu machen.
Es handelt sich dabei um die Sphäre der frei improvisierten Musik. Die
Umwidmung von nichtmusikalischen Gegenständen zu Instrumenten hat hier
ebenso ihre Daseinsberechtigung wie die Schwierigkeiten, die die Künstlerin
mit den strengen Spielregeln des Genres hat, und ein Publikum, das
ebenfalls Probleme hat, jenen Spielregeln zu folgen.
In Grubbs’ Gedicht werden Zuschauer vom Schlaf übermannt und stören die
Performance durch lautes Schnarchen. Ebenfalls verhandelt werden Fragen von
künstlerischer Urheberschaft, denn ein Komponist meldet sich im Verlauf des
Abends zu Wort, der behauptet, die Komposition stamme von ihm.
## Schönheit der Wiederholung
Vor allem geht es in „Now that the audience is assembled“ um die Schönheit
der Wiederholung: die Wiederholung von Gesten, die Repetition von Tönen und
Geräuschen, aber auch die Ausgestaltung dieser Wiederholungen in Worten auf
den Buchseiten.
„In the absence of mind’s eye touch / In the absence of mind’s eye breath
striking / In the absence of scale, degree, even of continuum“, um drei
Verszeilen zu wiederholen, die auf einer ansonsten leeren Seite stehen und
beschreiben, was die Musikerin in ihrer Performance weglässt.
Spärlich betextete Seiten tauchen des Öfteren auf. Sie dienen dem
Unterbrechen des Erzählflusses – als würde der Verfasser ihrer Zeilen Luft
holen –, werden zur Formensprache des Langgedichts und ahmen die
Wiederholung der Gesten und Töne nach. Genau wie die Brüche. Am Ende
wechselt die Erzählperspektive von der auktorialen zur Ich-Perspektive. Nun
lesen wir vom Geschehen aus Sicht der Künstlerin.
## Perspektivisch gebrochene Versgebilde
Wie Grubbs durch seine polyphonen, perspektivisch gebrochenen Versgebilde
Bilder und Wahrnehmungen zu Lautreihen zerfließen lässt, so dass Gedanken
frei laufen, genau wie die Töne der Musik selbstständig zu werden scheinen,
trägt zu einer befreiten Lektüre bei. Und wirft auch ein Licht auf den
Autor, der seit Langem in die Szene der improvisierten Musik involviert ist
und kein konfliktfreies Verhältnis zu ihr hat.
Es braucht niemand Angst vor der ungewöhnlichen Form des Langgedichts
haben, denn Grubbs bringt die zirzensische Atmosphäre eines Konzerts auf
poetische Weise zu Papier: methodisch in der Sprache, detailgenau in der
Beschreibung des musikalischen Geschehens und spannend wie ein Krimi in den
Wandlungen des Plots.
14 Sep 2018
## AUTOREN
Julian Weber
## TAGS
Gedicht
Avantgarde
Avantgarde
USA
Avantgarde
Tony Conrad
## ARTIKEL ZUM THEMA
Duoalbum David Grubbs & Jan St. Werner: Die Wörter abklopfen
Die Musiker David Grubbs und Jan St. Werner erinnern mit ihrem ersten
Duo-Album „Translation from Unspecified“ daran, wie zugänglich Avantgarde
war.
Buch „Denn sie sterben jung“: Das Ende der Sorglosigkeit
Ein Clan aus der mexikanischen Oberschicht löst sich auf. Ruíz Camachos
Buch ist ein schonungsloser Blick auf eine von Privilegien verwöhnte
Klasse.
Neue Alben und Tour von David Grubbs: Uhrwerk in Super Slow Motion
Vom Punk zur freien Musik: US-Avantgarde-Gitarrist David Grubbs kommt mit
zwei neuen Alben und einem Buch nach Deutschland.
Musiker Tony Conrad: Die Ökologie des Wummerns
Tony Conrad (1940–2016) ist eine Legende der New Yorker Avantgarde.
Erinnerungen eines Freundes und Musikerkollegen.
John Cage zum 100. Geburtstag: Diese seltsame Präsenz
John Cage wäre nun 100 Jahre alt geworden. Berühmt wurde der Komponist, als
die Neue Musik politische Wirkung hatte. Sein Vermächtnis ist die
Kooperation.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.