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# taz.de -- Sexuelle Belästigungen im WDR: Mehr als #MeToo
> Steile Hierarchien und große Abhängigkeiten: Ein Gutachten attestiert dem
> WDR Strukturprobleme, die Machtmissbrauch begünstigten.
Bild: Der Intendant und die Aufklärerin: WDR-Chef Tom Buhrow und Monika Wulf-M…
Die ehemalige DGB-Vorsitzende und EU-Kommissarin Monika Wulf-Mathies hat
über drei Monate lang geprüft, wie der Westdeutsche Rundfunk (WDR) seit den
1990er Jahren mit den Hinweisen auf sexuelle Belästigung von
Mitarbeiterinnen umgegangen ist. Ihr Bericht, den sie am Mittwoch
vorstellte, macht klar: Die Probleme in der größten ARD-Anstalt wurzeln
tief.
Für den Intendanten Tom Buhrow, der die Politikerin selbst beauftragt
hatte, waren es bittere Erkenntnisse. Bis zum Jahr 2015 hätten die
Beschwerden im WDR mit „höherem Ermittlungseifer betrieben werden können“,
heißt es im Abschlussbericht. Auch durch die 2015 verabschiedete
„Dienstvereinbarung zum Schutz vor sexueller Belästigung“ blieb die
Aufklärung „eher lückenhaft“.
Erst ab April 2018, nach der öffentlichen Skandalisierung der Vorgänge um
einen [1][(mittlerweile ehemaligen) Korrespondenten] und später den
damaligen Fernsehspielchef [2][Gebhard Henke], stellt die Politikerin einen
„deutlichen Lerneffekt“ fest: externe Anlaufstellen, Maßnahmenpakete zur
Prävention vor sexueller Belästigung und Gesprächsrunden hätten für eine
Verbesserung gesorgt. Ganz wichtig sei jetzt die Einrichtung einer
unabhängigen Clearingstelle als „Drehscheibe für alle Informationen und
zügiges Handeln“ und eine neue Dienstvereinbarung.
Die bekannt gewordenen Vorwürfe sind aus Sicht der Gewerkschafterin aber
nur die [3][Spitze des Eisbergs]: „Es geht um mehr als #MeToo, auch die
Themen Machtmissbrauch und Diskriminierung haben bei den Gesprächen eine
wichtige Rolle gespielt.“
Anfangs sei der Aufklärerin gar nicht klar gewesen, worauf sie sich
eingelassen hätte, denn erst im Verlauf ihrer Ermittlungen sei sie auf
[4][strukturelle Probleme im Kölner Sender] gestoßen, die viele Missstände
begünstigten. Bis heute haben sich Opfer entweder nicht direkt an den WDR
gewendet oder sie haben es anonym getan. Die Gründe: fehlendes Vertrauen
und Angst um die Karriere.
## Der Nährboden für Machtmissbrauch
Defizite hat Wulf-Mathies vor allem bei den personellen Rahmenbedingungen
festgestellt. Ein starkes Machtgefälle bestehe nicht nur zwischen
Führungsebenen und Beschäftigten, sondern auch zwischen Beschäftigten und
freien MitarbeiterInnen. Das schaffe Abhängigkeiten und sei Nährboden für
Machtmissbrauch. Gleichzeitig fehle ein wertschätzendes und respektvolles
Betriebsklima. „Es ist aus meiner Sicht notwendig, dass der Intendant die
Verbesserung des Betriebsklimas zur Chefsache macht. Das bedeutet zunächst,
sich intensiv und gezielt der Stärkung der internen Kommunikation zu
widmen.“
Wulf-Mathies sprach dabei von „Silo-Strukturen“, die im WDR Durchlässigkeit
und Transparenz einschränken würden. Zu unterbewertet seien
Personalverantwortung, zu selektiv interne Kommunikation und zu
unverbindlich die angebotenen Managementkurse.
Überhaupt werde bei Führungskräften nur auf die fachliche, nicht aber auf
soziale Kompetenz geachtet. Für Buhrow hatte die Prüferin direkt ein ganzes
Aufgabenpaket zusammengestellt, um einen nachhaltigen und notwendigen
Kulturwandel durchzuführen. Ganz oben auf der Liste: die Einübung einer
Feedback-Kultur sowie die Durchführung einer Mitarbeiterbefragung.
## Buhrow bittet um Entschuldigung
„Ich werde die Empfehlungen sehr ernst nehmen. Der ganze Maßnahmenkatalog
wird nicht in der Schublade verschwinden“, versprach der WDR-Chef, der
nochmals im Namen des Senders alle Betroffenen um Entschuldigung bat.
Dem Intendanten sei von Anfang an klar gewesen, dass es bei der
Aufarbeitung auch um Machtstrukturen gehen würde. „Wir sind dabei, durch
neue Arbeitsweisen Strukturen aufzubrechen, was dazu führt, dass auch diese
Silos, die sich teilweise in Jahrzehnten gebildet haben, aufbrechen.“ Das
sei eben die „Kehrseite“ der hohen sozialen Verlässlichkeit: Mit einer
Kündigungsquote von unter einem Prozent gebe es kaum Austausch. Von seinen
Führungskräften auf allen Ebenen erwartet Buhrow nun „Mut“, um die
Verhältnisse zu verbessern.
Mut jedenfalls, so Wulf-Mathies, habe der WDR mit seiner Bereitschaft schon
bewiesen, die Überprüfung struktureller Abläufe durch Außenstehende
zuzulassen. Für Buhrow war die Einsetzung einer unabhängigen Prüferin der
richtige Schritt: „Ich bereue nicht, dass wir diesen Weg gehen, und es
unterscheidet uns auch von anderen, dass wir diesen Weg öffentlich gehen.“
13 Sep 2018
## LINKS
[1] /!5509341/
[2] /!5503590/
[3] /WDR-und-MeToo/!5531593/
[4] http://Klappe%20zu%20und%20durch
## AUTOREN
Wilfried Urbe
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