| # taz.de -- Die Wahrheit: In Laff wiss se Läidies | |
| > Für die Alten in Deutschland gilt Käfighaltung. In den Volkshochschulen | |
| > des Landes werden sie zum Zwecke lebenslangen Lernens kaserniert. | |
| Mit Kindern aus dem Haus und Falten im Gesicht stellt sich das Leben anders | |
| dar als noch vor ein paar Jahren. Man hat plötzlich so ein Dings, wie hieß | |
| das nochmal, wie ganz früher, damals, ach ja, klar: Zeit. | |
| Lebensratgeber schlagen vor, dass man sich nun mal schön um sich selbst | |
| kümmern könne. Bebildert werden diese hochprofessionellen Tipps mit | |
| grinsenden Silberhaarigen hinter Weingläsern, so als ob die Altersgrenze | |
| für Alkoholgenuss neulich auf 55 angehoben wurde und man als jüngerer | |
| Mensch nie was abbekommen hätte. Sie denken, wir merken das nicht, wegen | |
| Demenz. | |
| Junge Leute sind auf den Bildern niemals zu sehen, und genau so ist es auch | |
| gemeint: Wir Oldies mögen bitte nicht dem modernen und mobilen Rest der | |
| Gesellschaft lästig fallen und lieber geräuschlos und leicht beduselt an | |
| unser stetig schrumpfenden Rente knabbern. Für die Alten in Deutschland | |
| gilt Käfighaltung. So heißt es aber nicht, sie nennen es Volkshochschule. | |
| In unserer dörflichen Volkshochschule bin ich vor Jahren schon mal aus | |
| einem Rückenkurs geflogen, weil ich zu jung war. Menschen unter fünfzig | |
| haben noch keine Wirbelsäule, das ist wissenschaftlich erwiesen. | |
| Infolgedessen wurde ich als Opfer von Phantomschmerzen geoutet und musste | |
| gehen. Beziehungsweise kriechen. Andererseits gibt es auch viele Kurse, in | |
| die man gar nicht erst hineinkommt, weil sie seit hundert Jahren vom | |
| gleichen Zirkel kollektiv weitergebucht werden. Neulich habe ich es aber | |
| doch in „Conversational English“ geschafft. Wahrscheinlich war eine | |
| Teilnehmerin gestorben. | |
| Meine Schulzeit liegt lange zurück, deswegen hatte ich ein bisschen Angst | |
| vor dem Kurs. Ich hatte mich eingeschrieben, weil mich manchmal jemand | |
| anruft und dann aus purer Bosheit englisch redet. „Wer in Deutschland | |
| anruft, soll sich gefälligst an unsere Sprache anpassen!“, krähte ich in | |
| den Hörer, aber es kam nur „I beg your pardon?“ zurück, was, soweit ich | |
| mich erinnere, etwas Ähnliches heißt wie „du mich auch“, womit sich der | |
| Anrufer zumindest an unsere Kultur anpasste. Da kann ich ihm ja auch | |
| entgegenkommen, dachte ich, und es mal wieder mit der fremden Sprache | |
| versuchen. | |
| Nun, die sechs älteren Ladies im Klassenzimmer sahen dann gar nicht | |
| furchteinflößend aus. Eigentlich unterstützen sie sogar meine Einschätzung | |
| kultureller Hegemonie: Wer es als englische Sprache bis nach Deutschland | |
| geschafft hat, kann sich hier mal schön unterordnen. Egal ob Präpositionen, | |
| Verbgebrauch oder Akzent, alles klang sehr deutsch. Man hatte sich recht | |
| gemütlich eingerichtet, von den so gefürchteten „false friends“ aus meinem | |
| Englischunterricht anno dazumal hatte die Damen anscheinend noch nie etwas | |
| vernommen. | |
| Egal. Das nächste Mal bringe ich Wein mit, dann lassen wir uns für einen | |
| Ratgeber fotografieren. Nach dem dritten Glas kann ich bestimmt auch wieder | |
| auf Englisch telefonieren. | |
| 12 Sep 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Susanne Fischer | |
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