# taz.de -- Politische Gefangene in Nicaragua: Im Hochsicherheitsknast Ortegas | |
> Der ehemalige nicaraguanische Oberst und Revolutionär Carlos Brenes sitzt | |
> in Haft. Ihm werden Terrorismus und organisiertes Verbrechen vorgeworfen. | |
Bild: Angehörige von Gefangenen stehen vor dem Gefängnis El Chipote in Managu… | |
Es war kurz vor der Grenzstation von Peñas Blancas, als Carlos Brenes Ende | |
August mit einigen Kameraden von Soldaten festgenommen wurde. Sie wurden | |
mit einem kollektiven Haftbefehl gesucht. Terrorismus, organisiertes | |
Verbrechen und Ähnliches wirft man ihnen vor. Jetzt sitzt Brenes wie ein | |
gefährlicher Verbrecher im Hochsicherheitsgefängnis Modelo in der Nähe der | |
nicagaguanischen Hauptstadt Managua. Seine Tochter Thelma Segovia, eine | |
deutsche Staatsbürgerin, durfte ihn nach einer Woche erstmals besuchen. | |
[1][Seit Juli macht die Polizei Jagd auf Demonstranten], die an Barrikaden | |
oder Straßensperren gesehen wurden, und sperrt sie unter dem Vorwurf des | |
Terrorismus ein. Es zirkuliert eine Liste von 432 politischen Gefangenen. | |
Dazu kommen jene, die per Haftbefehl gesucht werden, aber bisher entkommen | |
konnten. Darunter Fernando Brenes, ein jüngerer Bruder von Carlos, der | |
rechtzeitig nach Costa Rica floh. Die staatliche Menschenrechtskommission | |
hüllt sich dazu in Schweigen. Die Polizei gibt keine Auskunft. | |
Gemeinsam mit ihrer Mutter musste Thelma Segovia alle Schikanen | |
durchmachen, mit denen Regimegegner heute bestraft werden. Um sieben Uhr | |
morgens hatten sich die beiden am Montag in der Strafanstalt eingefunden, | |
ausgerüstet mit Medikamenten für den Diabetiker und einem Esspaket. | |
„Nach fast neun Stunden ließ man uns zu ihm“, erzählt die 34-jährige The… | |
am Telefon. 15 Minuten durften sie via Telefon durch eine Glasscheibe | |
miteinander reden. Er war an Händen und Füßen gefesselt. „Hinter meinem | |
Vater stand einer, der mich gefilmt hat. In der Ecke saß ein anderer, der | |
mitgeschrieben hat.“ Vorher mussten die Frauen einen demütigenden | |
Sicherheitscheck über sich ergehen lassen. | |
## „Du bist doch blöd, wenn du nicht zulangst“ | |
Carlos Brenes ist nicht irgendwer. Der 63-jährige ehemalige Armeeoberst | |
kennt Präsident Daniel Ortega noch aus der Zeit des Guerillakrieges gegen | |
Diktator Somoza. Auf einem Schwarz-Weiß-Foto sieht man ihn im Kreise von | |
fünf Kameraden, von denen nur noch zwei am Leben sind. „Das muss in Panama | |
1978 oder 1979 entstanden sein“, erinnert sich Hugo Torres, ehemaliger | |
General der Sandinistischen Armee und heute im oppositionellen MRS | |
(Sandinistische Erneuerungsbewegung) engagiert. | |
Ein 25-jähriger Carlos Brenes ist darauf zu sehen, auf seiner Schulter der | |
Arm von Daniel Ortega. Ein anderes Foto zeigt ihn beim Billardspiel mit dem | |
damaligen Armeechef Humberto Ortega. | |
Es ist schwierig, sich eine tadellosere Bilderbuchkarriere für einen | |
Revolutionär vorzustellen. Er kämpfte in vorderster Front gegen Somoza und | |
diente sich während der sandinistischen Revolution in der Armee bis zum | |
Oberst hoch. Zuletzt führte er das Kommando in der westlichen | |
Militärregion. Mit der Wahlniederlage der Sandinisten im Februar 1990 nahm | |
er seinen Abschied von der Armee. | |
Erstmals fiel er unangenehm auf, als er die Bereicherung der Parteispitze | |
und hoher Offiziere kritisierte. „Du bist doch blöd, wenn du nicht selber | |
zulangst“, musste er sich sagen lassen. Während andere sich große | |
Haciendas, Villen und Strandbungalows griffen, zog sich Brenes auf seine | |
kreditfinanzierte kleine Finca in Masatepe zurück, wo er bis zum heutigen | |
Tag mit dem Anbau von Kaffee und Avocados ein bescheidenes Auskommen | |
findet. | |
## Beistand eines Anwalts verweigert | |
Nadia Arévalo, eine Stieftochter von Brenes, die in Leipzig lebt, erklärt | |
sich die Festnahme ihres Stiefvaters mit der Verlesung eines Manifests von | |
Armeeveteranen im vergangenen Mai. Darin wurden der Rücktritt Ortegas und | |
seiner Frau und Vizepräsidentin Rosario Murillo und die Rückkehr zur | |
Demokratie gefordert. | |
Ortega, der befahl, auf friedliche Demonstranten zu schießen, wirft das | |
Manifest den „Diskurs eines blutrünstigen Wolfes, der seinen Schafspelz | |
abgeworfen hat“ vor. Ein von der Bischofskonferenz vermittelter Dialog | |
zwischen Regierung und Opposition ist von Ortega sabotiert worden und liegt | |
seit Mai auf Eis. | |
Carlos Brenes wurde nach einigen Tagen vom überfüllten Polizeigefängnis El | |
Chipote in die Haftanstalt Modelo überstellt, die zur Verwahrung | |
verurteilter Straftäter dient. Er sei dort zwar nicht geschlagen worden, | |
teilte er Ex-Frau und Tochter mit, doch leide er unter der Einzelhaft. | |
Damit geht es ihm besser als zahlreichen anderen politischen Gefangenen, | |
die über krude Foltermethoden klagen. | |
Außerdem wird Brenes der Beistand eines Anwalts verweigert, was nicht nur | |
internationalen Menschenrechtsstandards, sondern auch nicaraguanischem | |
Recht widerspricht. | |
9 Sep 2018 | |
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## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
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