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# taz.de -- Debatte alleinerziehende Männer: Väter auf Abwegen
> Der „Väteraufbruch für Kinder“ begann als progressiver Verband.
> Inzwischen vertreten wichtige Ortsverbände rechtskonservative Positionen.
Bild: Die Lage nichtehelicher Väter hat sich deutlich verbessert
Vor 30 Jahren kam ein gutes Dutzend Väter im Naturfreundehaus Köln-Kalk
zusammen. Zentrales Thema war die weitgehend rechtlose Situation von
Männern in gescheiterten nichtehelichen Partnerschaften. Nach der Trennung
hatten sie Schwierigkeiten, ihre Kinder zu sehen und zumindest ein
Umgangsrecht durchzusetzen. Eingeladen hatte der Stuttgarter Gewerkschafter
Werner Sauerborn. Der bundesweit tätige Verein erhielt den Namen
„Väteraufbruch für Kinder“ (VafK), heute ist er eine der größten
männerpolitischen Organisationen mit rund 3.000 Mitgliedern.
Die Fluktuation war stets hoch: Viele Väter kommen bei akuten Problemen und
gehen, sobald sie diese gelöst haben. Das Bild ist ist also sehr heterogen.
Andere Selbsthilfegruppen wie der VAMV (Verband Alleinerziehender Mütter
und Väter), dem überwiegend Mütter angehören, begegnen dem Väteraufbruch
von jeher mit Vorbehalten. Auch frauenpolitische Initiativen sind wegen des
oft undiplomatischen öffentlichen Auftretens von VafK-Mitgliedern
skeptisch. Der Väteraufbruch als Ganzes war jedoch nie antifeministisch
orientiert, auch wenn es früh männerrechtliche Strömungen gab.
Direkt nach der Gründung 1988 bemühten sich die Aktivisten, ihr Themenfeld
zu erweitern. Der Spagat zwischen Beratung für Betroffene und dem
politischen Engagement zum Thema „Vereinbarkeit für Männer“ prägt die
Vereinsarbeit immer noch. In den letzten Jahren ist jedoch eine thematische
Engführung bemerkbar – und eine bedenkliche Nähe zu rechtskonservativen
Positionen in einflussreichen Ortsverbänden.
2006 ließ sich der Schauspieler und Trennungsvater Mathieu Carrière in
Berlin spektakulär ans Kreuz fesseln, stilisierte sich zum Opfer weiblicher
Emanzipation. Furore machte einst auch das Buch „Die vaterlose
Gesellschaft“ des Ex-Spiegel-Redakteurs Matthias Matussek, der später zum
erzkatholischen Fundamentalisten konvertierte und inzwischen in rechten
Blogs publiziert. Dabei hat sich juristisch in drei Jahrzehnten eine Menge
getan. 1998 wurde das Kindschaftsrecht reformiert, seither gilt der
Grundsatz der gemeinsamen elterlichen Sorge nach einer Trennung auch für
nichteheliche Väter – vorausgesetzt, die Mutter stimmt zu. Gegen Letzteres
klagte ein Betroffener bis zum Europäischen Gerichtshof und bekam Recht.
## Seltener Faustpfand
Kinder sind heute seltener als früher Faustpfand und Zankapfel in
zerrütteten Beziehungen, die Lage nichtehelicher Väter hat sich deutlich
verbessert. Mehr Paare finden nach der Beobachtung von Familienanwältinnen
eine einvernehmliche Lösung oder wählen die Möglichkeit einer Mediation,
statt vor Gericht zu ziehen.
Dennoch demonstrieren immer wieder Väterrechtler. Zuletzt rief im Juni 2018
die Kölner VafK-Gruppe unter dem Motto „Allen Kindern beide Eltern“ zu
einer bundesweiten Kundgebung, an der etwa 100 Menschen teilnahmen. Sie
forderten die gesetzliche Einführung des Wechselmodells als Regelfall. Die
„paritätische Doppelresidenz“, bei der Trennungskinder hälftig bei beiden
Eltern leben, wird von vielen Fachleuten befürwortet. Auch
SPD-Justizministerin Barley unterstützte das Konzept im Wahlkampf, im
Koalitionsvertrag steht dazu allerdings nichts. Im Bundestag profiliert
sich damit nun die FDP-Fraktion.
Irritierend an der Kölner Kundgebung war der per Video auf der
VafK-Webseite dokumentierte Auftritt von Fridi Miller. Mit Deutschlandfahne
am Oberschenkel fantasierte die Rednerin in verschwörungstheoretischem
Duktus über „organisierten Kinderhandel“, an dem sich angeblich staatliche
Stellen wie Jugendämter und Familiengerichte beteiligten. Miller ist eine
schillernde Figur. Sie kandidierte in Baden-Württemberg mehrfach als
parteilose Bürgermeisterin und wollte in Sindelfingen als Einzelkämpferin
in den Bundestag, um die Kanzlerin zu stürzen. Mediales Aufsehen erregte
sie, als sie in Günther Jauchs Quiz-Show 32.000 Euro gewann und sich einen
Porsche kaufte, den sie mit „Merkel muss weg“-Parolen beklebte.
## Maskulinistische Reaktion
Was hat diese Frau auf einer Protestaktion des Väteraufbruchs zu suchen,
warum kommt sie dort exponiert zu Wort? Der Bundesvorstand argumentiert
stets, der Verband sei dezentral aufgebaut, die Ortsgruppen agierten
unabhängig. Ein seltsames Verständnis von Verantwortung, schließlich kann
jede Organisation per landesweiter Mitgliederversammlung entscheiden, was
geht und was nicht. Hinzu kommt: Der Väteraufbruch ist Teil des
Bundesforums Männer, des vom Familienministerium geförderten Dachs der
männerpolitischen Initiativen. Auf der Kölner Demonstration aber waren
direkt neben dem VafK-Logo vor dem Podium Plakate der
„Interessengemeinschaft Jungen-Männer-Väter“ platziert.
Die „IG-JMV“ ist eine maskulinistische Reaktion auf das moderat auftretende
Bundesforum. Sie beteiligt sich an sogenannten „Gender-Kongressen“, die
faktisch Anti-Gender-Veranstaltungen sind und bei denen das Thema
Scheidungsväter eine wichtige Rolle spielt. Zwei Tagungen dieser
Ausrichtung fanden bisher in Nürnberg statt, die nächste ist 2019 in Köln
geplant. An der Vorbereitung beteiligt: der lokale Kreisverein des
Väteraufbruchs.
Im Bundesforum Männer hält man die VafK-Spitze für einen „zahnlosen Tiger�…
der die teils verbitterten und radikalisierten Väterrechtler nicht überall
im Griff habe. Einem steuerfinanzierten Verband kann es aber nicht egal
sein, wenn heikle Positionen in den Ortsgruppen eines Mitglieds vertreten
werden – erst recht nicht, wenn diese mit der Konkurrenz gemeinsame Sache
machen. Schon die Aufnahme des Väteraufbruchs in das Bundesforum war einst
intern umstritten. Erst als problematische Links zu antifeministischen
Seiten auf der Homepage entfernt wurden und der Vorstand einen
geschlechterdialogisch orientierten Kurs zusicherte, sprach sich eine
Zweidrittelmehrheit für den Beitritt aus. Angesichts fragwürdiger
Aktivitäten auf regionaler Ebene sollte diese Entscheidung überprüft
werden.
9 Sep 2018
## AUTOREN
Thomas Gesterkamp
## TAGS
Schwerpunkt AfD
Väter
Männer
Alleinerziehende
Väter
Mütter
Matthias Matussek
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
FDP
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