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# taz.de -- Ein großer Schritt für die Menschheit: Merkel reist nach Neuland
> Deutschland soll aufholen in Sachen Digitalisierung. Die Kanzlerin
> richtet einen Digitalrat ein – und hat gleich selbst Nachhilfe genommen.
Bild: Ganz schön anstrengend, diese neue Technik, aber: Was muss, das muss! (A…
Ein Glück. Die Kanzlerin ist zurück aus dem Sommerurlaub. Wo sie den
verbrachte, konnten Netzgemeinde und Medien bislang nur teilweise
rekonstruieren. Einmal ist sie in München beim Besuch einer Oper gesichtet
worden. Zu ihren Reiseplänen wollte sie sich selbstverständlich nicht
äußern. Nur dass sie sich aufs Ausschlafen freue, konnten ihr Journalisten
entlocken.
[1][Dank der Süddeutschen Zeitung (SZ)] wissen wir nun aber zumindest, was
Merkel an den Wochenenden vor ihrer Sommerpause tat: Sie nahm Nachhilfe, an
mehreren Sonntagen, in ihrem Büro im Kanzleramt. Nachhilfe worin? In diesem
Internet, von dem es noch vor gar nicht allzu langer Zeit hieß, es würde
sich ja eh nicht durchsetzen. Ob die Kanzlerin das auch dachte, wissen wir
nicht. Zumindest aber war es [2][bekanntermaßen Neuland für sie] – und das
noch 2013, als das Internet bereits seit über zwanzig Jahren existierte.
Ein ominöser Mann hat Merkel nun also in die Tiefen des Netzes einführen
dürfen. Wer genau das sein soll, verrät die SZ leider nicht. Vermutlich hat
er sich in München noch nicht vorgestellt. Was war der Inhalt beim
Nachsitzen? „Tempo, Technik, Folgen für die Menschen, neue Mächte in der
Welt“, weiß die SZ. Mit dem Nachsatz: „(Das) alles sollte der Mann ihr
erläutern.“
Ob ihm das gelang, ist schwer zu sagen. Fakt ist: Die Kanzlerin scheint die
Wichtigkeit des Themas erkannt zu haben. An diesem Mittwoch tagt zum ersten
Mal [3][der neue, direkt im Kanzleramt angesiedelte Digitalrat]. Befassen
soll sich das Gremium – dessen Einrichtung bereits im Koalitionsvertrag
vereinbart wurde – mit digitaler Infrastruktur, digitaler Bildung, der
Einrichtung eines digitalen Bürgerportals sowie mit – Achtung, gleich heben
wir ab – Künstlicher Intelligenz.
## Ex-Obama-Beraterin unter Mitgliedern
Verwunderlich ist nur, dass so viel Zukunft umsonst sein soll – der Rat
erhält kein eigenes Budget. Regierungssprecher Seibert sagte, jedes Ressort
und jeder Minister könne das Gremium für sich in Anspruch nehmen. Prima –
Selbstbedienung für lau. Zehn Mitglieder hat der Rat: immerhin vier Frauen
und sechs Männer. Beth Simone Noveck hat schon Obamas Regierung in
digitalen Fragen beraten. Ada Pellert ist die Rektorin der Fernuniversität
Hagen und Andreas Weigend forschte als Chefwissenschaftler für Amazon.
Truppen-Mutti ist Allzweckwaffe Katrin Suder, eine promovierte Physikerin,
die ursprünglich Unternehmensberaterin bei McKinsey war, bevor sie von
Ursula von der Leyen als Staatssekretärin ins Verteidigungsministerium
berufen wurde. Dort kündigte sie kürzlich, obwohl sie dort [4][laut Spiegel
hohes Ansehen genossen haben soll].
Die Kanzlerin sagt über ihre neue Truppe: „Wir brauchen ab und zu auch
Menschen, die uns antreiben, die uns unbequeme Fragen stellen und die
darauf Wert legen, dass das, was wir miteinander diskutieren, dann auch in
der Praxis umgesetzt wird“.
Dass sich viele immer noch über Merkels vermeintliches Laientum in Sachen
digitale Kompetenz aufregen und immer wieder ihr berühmtes Neuland-Zitat
bemühen, ärgert Christoph Meinel, den Direktor des Potsdamer
Hasso-Plattner-Instituts, wie die SZ schreibt. Er empfinde die Witze als
infantil. Schließlich komme die Digitalisierung der Entdeckung eines
Kontinents gleich. Für Meinel scheint die Lage ernst zu sein: Deutschland
sei drauf und dran, wirtschaftlich und technisch den Anschluss zu
verlieren.
## Laut OECD ist Deutschland unter den Schlusslichtern
Mit seiner düsteren Einschätzung steht er nicht allein da. Experten mahnen
seit langem, Deutschland müsse schleunigst aufholen, bereits
Entwicklungsländer schnitten besser ab.
Gerade beim Glasfaserausbau schneidet Deutschland schlecht ab, wie die OECD
kürzlich ermittelt hat. So betrug der Anteil von Glasfaseranschlüssen an
allen stationären Breitbandanschlüssen in Japan im Juni 2017 stolze 76,2
Prozent – verglichen mit mickrigen 2,1 Prozent in Deutschland. In Lettland
liegt er bei 62,3 Prozent und in Spanien immerhin noch bei 40 Prozent. So
belegt Deutschland [5][im europäischen Vergleich Platz 28 von 32.]
Alarm schlägt auch die Industrie, zum Beispiel der Vorstandsvorsitzende der
Adidas AG Kasper Rorsted: „Man muss ganz klar sagen, dass China einen
großen Sprung in die Zukunft mit seiner Strategie der Digitalisierung
gemacht hat. Drei von den zehn größten digitalen Firmen der Welt kommen aus
China. Europa hat keine. Und es wird auch sehr stark staatlich gefördert.
Ich muss sagen, ich bin sehr enttäuscht von den Zielen der neuen
Bundesregierung, dass wir Zugang zum schnellen Internet im Jahr 2025
bekommen. Das kann kein Ziel sein.“
Da hat er recht, der gute Mann. Doch in der Zwischenzeit, während der
Digitalrat sich hoffentlich die Köpfe zermartert, wie wir alle, auch unsere
Mitbürger in ländlichen Regionen, künftig schneller surfen können –
immerhin ist der Zugang zu schnellem Internet so essenziell wie der zu
Wasser, so Merkel –, lachen wir doch lieber noch ein bisschen. Und zwar
nicht nur über die Kanzlerin, schließlich verbreiten auch andere Politiker
Murks. So zum Beispiel George W. Bush, der von „den Internets“ sprach.
Begeistert äußerte er sich dagegen über einen Dienst „in dem Google“, mit
dem man über Satellit Orte sehen könne, an denen er sich gerne aufhalte,
„eine Ranch zum Beispiel“. Zu blöd, dass er sich gerade nicht an den Namen
des Programms erinnern könne.
## Oettinger bekam für Unwissenheit Preis verliehen
Donald Trump äußerte sich besorgt darüber, dass man viele Menschen aufgrund
des Internets „verlöre“. Ob durch Außerirdische, ominöse Cyber-Krieger o…
Spielsucht, sagte er leider nicht. Nur so viel: „Wir müssen Bill Gates und
eine Menge anderer Menschen aufsuchen, um zu verstehen, was da draußen
wirklich passiert.“ Sein Vorschlag: Vielleicht könne man Teile des
Internets schließen. Auch wenn dann natürlich viele wieder mit
Pressefreiheit und so ankämen. „Aber da draußen gibt es eben jede Menge
dummer Leute.“
Auch Ex-EU-Digitalkommissar Günther Oettinger fiel immer wieder mit
kuriosen Aussagen über das Netz auf. Zu Beginn seiner Amtszeit hatte er um
100 Tage Schonfrist gebeten, um sich in die Tiefen des Netzes
einzuarbeiten, wozu er „hochmotiviert“ sei, wie er versicherte. Scheinbar
haben die 100 Tage nicht gereicht. Legendär ist Oettingers Fehlverständnis
von Netzneutralität: “Ihr wisst schon, das ist die Gleichbehandlung aller
Daten und Dienste im Netz.“ Die verglich er mit „Taliban-artigen
Entwicklungen“. „Da ist die Netzgemeinde, da sind die Piraten unterwegs, da
geht es um perfekte Gleichmacherei. Da heißt es die böse Industrie.“ Für
seine „unqualifizierten Statements gegen das Informationszeitalter“ bekam
er [6][2015 den Wolfgang-Lorenz-Gedenkpreis verliehen].
Und die Kanzlerin? Die wird Anfang Dezember unter Beweis stellen können,
was sie bei ihrem Nachhilfelehrer gelernt hat. Da will sie ihre digitale
Gesamtstrategie vorstellen und vom Kabinett beschließen lassen. Wir sind
gespannt und wünschen viel Erfolg – und vor allem: eine gute Reise!
22 Aug 2018
## LINKS
[1] https://www.sueddeutsche.de/politik/2.220/digitalisierung-die-kanzlerin-bet…
[2] https://twitter.com/search?q=%23Neuland&src=tyah
[3] https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2018/08/2018-08-21-digita…
[4] http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/katrin-suder-wird-digitalrats-vo…
[5] https://ec.europa.eu/digital-single-market/en/news/broadband-coverage-europ…
[6] https://netzpolitik.org/2015/scheiss-internet-preis-cyberkommissar-oettinge…
## AUTOREN
Lea Wagner
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