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# taz.de -- Urteil wegen Mordes an Ex-Freundin: Kandel soll zur Ruhe kommen
> Der Mord an der 15-jährigen Mia machte die rheinland-pfälzische Stadt
> Kandel zum rechten Wallfahrtsort. Nach dem Urteil soll das vorbei sein.
Bild: Gut abgeschirmt: Polizisten bewachen während der Urteilsverkündung das …
Landau taz | Acht Jahre und sechs Monate Jugendhaft für Abdul D., so lautet
das Urteil des Landgerichts Landau gegen den jugendlichen Flüchtling aus
Afghanistan, der im vergangenen Dezember seine ehemalige Freundin Mia in
einem Drogeriemarkt in Kandel erstochen hatte. Das Strafgericht erkannte
auf Mord und Körperverletzung.
Zentraler Gegenstand der Verhandlung war die Feststellung des Alters des
Angeklagten. Bei seiner Einreise hatten die Behörden ein Alter von 15
Jahren festgesetzt, dann wäre er zur Tatzeit 16 Jahre alt gewesen. Weil es
Zweifel an diesem Alter gegeben hatte, war dem Gericht ein ärztliches
Gutachten vorgelegt worden. Danach war der Angeklagte zur Tatzeit
mindestens 17 Jahre und 6 Monate, wahrscheinlich aber 20 Jahre alt gewesen.
Es sei nicht auszuschließen, dass der Angeklagte bei der Tat noch nicht
volljährig gewesen sei, entschied das Gericht nach dem Grundsatz „im
Zweifel für den Angeklagten“ und verurteilte ihn als Jugendlichen. Weder
die Begründung dieser Entscheidung noch der Urteilstext und seine
Begründung wurden der Öffentlichkeit allerdings zugänglich gemacht.
Für den Nachmittag war im Saal 39 des Landgerichts immerhin ein Statement
des Gerichtssprechers angesetzt, für das sich zahlreiche Medienvertreter
eigens akkreditiert hatten. Doch nachdem sie zwei Sicherheitskontrollen
überstehen mussten, erfuhren sie auch dort nicht mehr. Es sei nicht
zulässig, aus einer Verhandlung nach Jugendrecht Einzelheiten zu
veröffentlichen – das gelte auch für das Urteil, sagte der Sprecher. Nach
zehn Sekunden beendete er den Pressetermin, Fragen ließ er nicht zu.
Immerhin konnten die Kameraleute die prächtige, vergoldete Stuckdecke des
Gerichtssaals aus der Zeit filmen, in der die Pfalz zu Bayern gehört hatte.
## Nur wenige Demonstranten
Das Gerichtsgebäude war weiträumig abgesperrt. Nur vereinzelte
Demonstranten hielten davor Plakate in die Kameras, mit denen sie gegen das
vermeintlich milde Urteil demonstrierten. Mit 8 ½ Jahren Haft blieb das
Gericht zwar unter der von der Staatsanwaltschaft geforderten Höchststrafe
von zehn Jahren. Anders als von der Verteidigung gefordert, verurteilte das
Gericht den Täter aber wegen Mordes und nicht nur wegen Totschlags.
Vor dem Urteilsspruch hatte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin
Malu Dreyer der taz gesagt:„Es ist natürlich die Hoffnung von uns allen,
dass mehr Ruhe in Kandel einkehrt.“ Es sei unerträglich, dass rechte Kreise
die Tat immer wieder instrumentalisierten und den Ort mit Demonstrationen
auf den Kopf stellten. Zuletzt am vergangenen Wochenende fanden in Kandel
Demonstrationen für und gegen Flüchtlinge statt.
Unmittelbar nach dem Urteil machten im Internet bereits Beschimpfungen von
Justiz und Politiker*innen die Runde. „Ein Witz“ sei das Urteil schrieb
einer auf der Homepage der Pfalz-Presse. User „Bengt“ nannte den
verurteilten Mörder einen „illegalen Adoptivsohn von Angela Merkel“.
Kandels Bürgermeister Günther Thielebörger bedauerte, dass die
Urteilsbegründung nicht öffentlich gemacht werden könne, versicherte aber,
Kandel bleibe tolerant und weltoffen. Für das kommende Wochenende hat die
Stadt zu einem Festival der Kulturen eingeladen. Mit Tanz, Kunst, Livemusik
und internationalen Spezialitäten feiert die Stadt unter dem Motto „Kandel
ist anders!“
3 Sep 2018
## AUTOREN
Christoph Schmidt-Lunau
## TAGS
Kandel
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