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# taz.de -- Kommentar Antirassismus in Chemnitz: Wie werden wir mehr?
> „Das nützt doch nur der AfD“ – Das ist heutzutage oft zu hören. Aber …
> stärkt die Rechten derzeit nicht? Es hilft nur eine klare eigene Haltung.
Bild: Nichtstun ist auch keine Lösung
„Das nützt doch nur der AfD“: Seit in Chemnitz Neonazis und
sich-ihnen-trotz-Hitlergruß-anschließende Nicht-Neonazis gemeinsam
aufmarschieren, habe ich diesen Satz oft gehört und gelesen; in politischen
Debatten, in persönlichen Gesprächen, in klassischen Medien und sozialen
Netzwerken.
Aus Berlin oder gar aus Westdeutschland zum Protest hinfahren? Das sei
paternalistisch oder könnte zumindest von den Chemnitzern und
Chemnitzerinnen so empfunden werden. Und wenn die Polizei den Aufmarsch der
rechten Mischpoke unterbindet? Das könne deren Opferhabitus nur noch
unterfüttern.
Wenn in Chemnitz am Montag auf Einladung der Chemnitzer Band Kraftklub
bekannte Bands wie die Toten Hosen und K.I.Z spielen und antifaschistische
Fans deshalb dorthin gefahren sind, dann käme das einer Invasion gleich und
stärke die Polarisierung. Und ein Besuch Angela Merkels wirke ohnehin wie
ein rotes Tuch, weshalb sie in Chemnitz besser nicht Gesicht zeige.
Was, bitte, stärkt die ganz weit Rechten derzeit nicht? Die Opfergeschichte
ist eine äußerst wirksame Erzählung. Aus dieser Rolle, die Rassismus und
National(sozial)ismus zu gestatten scheint, treten diese Menschen nicht
freiwillig heraus.
Interpretationsmuster und Deutungen der schleichenden Vergiftung des
Zusammenlebens gibt es viele. Das Auseinanderdriften der gesellschaftlichen
Gruppen, die Kluft zwischen liberal-kosmopolitischem Lager und sich
national-reaktionär abgrenzenden Teilen der Mittelklasse ist bekannt. Ein
schlüssiger Weg, wie diese desintegrierte Gesellschaft auf dem Boden von
Humanität, Grundgesetz und dem Wissen, dass der Hitlergruß „nicht okay
ist“, wieder zusammengeführt werden könnte, fehlt. Manche Leute nicht nur
in Sachsen haben sich längst so weit entfernt, dass sie zurückzuholen oder
mit ihnen ins Gespräch zu kommen gar keine Option mehr ist.
## In Chemnitz wurde eine Linie überschritten
Wenn aber jede Form von Engagement gegen Neonazis und
sich-ihnen-trotz-Hitlergruß-anschließende Nicht-Neonazis aus politischer
Sorge als falsch gilt, was bleibt dann für eine emanzipierte Linke als
Alternative? Nichts tun, oder?
In Chemnitz wurde eine blutrote Linie überschritten. Die Entscheidung zu
diesem Schritt haben mündige Bürgerinnen und Bürger getroffen. Auch für die
emanzipierte Linke ist das eine Demarkationslinie. An ihr endet der
Versuch, jenen hinterherzulaufen, die die Demokratie ablehnen. Genau hier
muss die Sorge davor enden, bei der Ablehnung von Hass und Gewalt, von
Rassismus und völkischem Biologismus, bei der bloßen Verteidigung der Werte
des Grundgesetzes falsch verstanden zu werden. Das ist die Alternative zur
Resignation, die derzeit viele so lähmt. Und wenn es heute eine radikale
Form des Antifaschismus sein soll, das Grundgesetz zu verteidigen, dann
heißt es jetzt, radikal antifaschistisch zu sein.
Die ARD-Jugendwellen haben das Konzert in Chemnitz am Montag live
übertragen. Einer im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist der eigenen
Haltung gefolgt und hat für die Übertragung des Konzerts gesorgt. Wenn
Gewissheiten fehlen, wie man diese rechte Welle stoppen kann, ist die
eigene Haltung die beste Richtschnur dafür, nicht was falsch, sondern
dafür, was richtig ist.
3 Sep 2018
## AUTOREN
Barbara Junge
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
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