# taz.de -- Berliner Wochenkommentar I: Faszination des Totalitären | |
> Es handelt sich um Kunst. Aber die Absicht, in Mitte eine Mauer zu | |
> errichten, sorgt doch für Aufregung. | |
Bild: Mit der Mauer spielt man… | |
Die Nachricht, dass in Berlin-Mitte die Mauer wiederaufgebaut werden soll, | |
sorgte gleich für hitzige Diskussionen. Der Plan ist, ein weitläufiges | |
Areal um das Kronprinzenpalais für mehrere Wochen abzusperren. Hinter der | |
Mauer dann: ein monumentales Filmprojekt des russischen Regisseurs Ilya | |
Khrzhanovsky. | |
Dass es lange nur wenig gesicherte Erkenntnisse über dieses „Dau“-Projekt | |
gab, bot viel Raum für Aufregung und Gerüchte. Opferverbände sprachen von | |
Pietätlosigkeit gegenüber Maueropfern, Politiker befürchteten | |
„Historienkitsch“, Medien spekulierten über eine stalinistische | |
Diktatur-Erlebniswelt. Bei einer Pressekonferenz am Dienstag wiegelten die | |
Veranstalter, darunter die Berliner Festspiele und Tom Tykwers | |
Produktionsfirma X-Filme, ab: Es gehe nicht darum „eine visuelle Referenz | |
zur Sowjetunion oder der DDR herzustellen“. Thomas Oberender, Intendant | |
der Berliner Festspiele, fügte hinzu, auf keinen Fall werde es eine | |
Disney-DDR geben und auch Menschen in historischen Uniformen würden nicht | |
zu sehen sein. Vielmehr gehe es darum, das Ergebnis von Khrzhanovskys | |
Mammutprojekt, für das er drei Jahre lang filmte und ein ganzes | |
Forschungsinstitut in der Ukraine nachbauen ließ, erfahrbar zu machen. Die | |
Besucher sollen in eine Parallelwelt eintauchen, die Mauer übernehme | |
hauptsächlich die praktische Funktion der räumlichen Abgrenzung von der | |
Außenwelt. | |
Stellt sich nur die Frage, was dann der Bezug zur deutschen Teilung soll. | |
Nicht nur wird es sich um einen originalgetreuen Mauernachbau handeln, mit | |
ihrem Ende am 9. November ist die Aktion auch zeitlich in das Mauergedenken | |
eingebettet. Schnell drängt sich der Verdacht auf, dass es sich bei dem | |
geplanten Mauerbau um einen PR-Gag für eine überdimensionierte Filmpremiere | |
handelt. Ob die überhaupt zustande kommt, ist indes fraglich. Die | |
erforderlichen Anträge wurden viel zu spät gestellt und werden derzeit erst | |
von den Behörden geprüft. | |
Kalkuliert oder nicht, die Kontroverse schlug Wellen, die weit über die | |
Berliner Kunst- und Filmszene hinausgingen. Die Ankündigung einer | |
gewöhnlichen Premiere der 13 Spielfilme, die bei dem Projekt entstanden | |
sind, hätte höchstens eingefleischte Cineasten begeistert. Russisches | |
Autorenkino findet erfahrungsgemäß eher wenige Interessenten. Die Berliner | |
Mauer hingegen ist ein starkes Symbol, das alle verstehen. Ob es „Dau“ | |
gelingt, dies würdevoll zu nutzen und dadurch einen Zugang zu Khrzhanovskys | |
spannendem Werk zu schaffen, bleibt abzuwarten. | |
1 Sep 2018 | |
## AUTOREN | |
Jonas Wahmkow | |
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