# taz.de -- Kanada im Streit mit Saudi-Arabien: Menschenrechte an erster Stelle | |
> Nach der Kritik aus Kanada an Verhaftungen von Menschenrechtsaktivisten | |
> reagierte Saudi-Arabien heftig. Trudeau will im Streit hartbleiben. | |
Bild: Justin Trudeau will auch nach der Kritik aus Saudi-Arabien Menschenrechts… | |
VANCOUVER taz | Kanada will im diplomatischen Streit mit Saudi-Arabien | |
nicht klein beigeben und auch weiterhin Menschenrechtsverletzungen in aller | |
Welt anprangern. Das sagte Premierminister Justin Trudeau am Mittwoch bei | |
einem Auftritt in Montréal. Es war das erste Mal, dass der Regierungschef | |
zu den sich verschärfenden Dissonanzen öffentlich Stellung bezogen hat. | |
„Wir sind mit der Regierung Saudi-Arabiens weiter diplomatisch und | |
politisch im Gespräch. Wir werden gleichzeitig aber immer entschieden | |
Menschenrechtsthemen ansprechen, öffentlich und privat“, sagte Trudeau auf | |
Nachfrage von Reportern. Die kanadische Bevölkerung aber auch viele | |
Menschen weltweit erwarteten von Kanada diesbezüglich eine Führungsrolle, | |
die man auch weiter wahrnehmen werde. | |
Trudeau wies damit indirekt die Forderungen der Saudis zurück, sich bei dem | |
Königreich für Äußerungen seiner Außenministerin zu entschuldigen oder | |
diese gar zurückzunehmen. Außenministerin Chrystia Freeland hatte vor einer | |
Woche [1][in einem Tweet die Verhaftung von Menschenrechtsaktivisten in | |
Saudi-Arabien kritisiert] und sich damit den Zorn der autoritär regierenden | |
Monarchen in Riad zugezogen. | |
[2][Saudi-Arabien hatte daraufhin den kanadischen Botschafter aus dem Land | |
ausgewiesen] und seinen Vertreter aus Ottawa zurückgezogen. Etwa 7.000 | |
saudische Studenten, die von ihrer Regierung ein Stipendium für Kanada | |
erhielten, sollen binnen vier Wochen zurückkehren. Saudische Patienten, die | |
in kanadischen Einrichtungen medizinisch behandelt werden, sollen diese bis | |
September verlassen. | |
## Überrascht von der heftigen Reaktion | |
Auch wirtschaftlich übt Riad Druck aus. So plant die Regierung de | |
arabischen Landes offenbar, Gelder aus Kanada abzuziehen und Investitionen | |
einzufrieren. Auch den Handel mit Kanada schränken die Saudis weiter ein. | |
Die zuständige staatliche Agentur teilte dazu mit, man werde künftig keinen | |
Weizen und keine Gerste mehr von dort einführen, Öllieferungen nach Kanada | |
dagegen seien vorerst nicht betroffen. | |
Offen ist, ob es noch zu einem von der Vorgängerregierung Trudeaus | |
eingefädelten Waffendeal mit Saudi-Arabien kommen wird. Riad wollte in | |
Kanada eigentlich Militärgerät im Umfang von 15 Milliarden Dollar kaufen, | |
was in Kanada immer wieder auch auf Kritik gestoßen war. Womöglich wird | |
dieses Geschäft, das auch innerhalb der Regierung Trudeau umstritten war, | |
jetzt storniert. | |
[3][Die Regierung in Ottawa wurde von der heftigen Reaktion aus | |
Saudi-Arabien überrascht] – hält die Folgen aber für beherrschbar. Denn die | |
wirtschaftlichen Beziehungen der Länder sind überschaubar. Für Kanada liegt | |
Saudi-Arabien beim Handelsvolumen nur an 17. Stelle, noch hinter Ländern | |
wie Taiwan oder der Schweiz. Die kanadischen Ausfuhren nach Saudi-Arabien | |
machen nur 0,2 Prozent aller Exporte aus. | |
Kanada hat die weltweit drittgrößten Erdölvorkommen, eine Abhängigkeit von | |
Riad ist damit nicht gegeben. Derzeit kommen etwa zehn Prozent aller | |
Erdölimporte aus Saudi-Arabien, eine mögliche Lücke könnte Kanada leicht | |
mit Öl aus eigener Produktion schließen. Die kanadischen Bauern sind kaum | |
betroffen, da wegen der hohen Transportkosten ohnehin kaum noch Getreide | |
ins Königreich geliefert wurde. | |
## Sorgen über eine Wiederholung | |
Aufmerksam wurde in Ottawa verfolgt, dass sich die Verbündeten Kanadas in | |
dem Konflikt bislang nicht offen an die Seite Kanadas gestellt haben. | |
Tatsächlich haben sich die EU, Großbritannien und die USA mit | |
Solidarbekundungen bislang zurückgehalten. Im Falle Saudi-Arabiens hält man | |
dies für beherrschbar. Sorgen macht sich in Kanada allerdings für den Fall, | |
dass sich dies in einem ernsteren Fall wiederholen sollte. | |
Wie der Sender CBC berichtete, telefonierte Außenministerin Freeland am | |
Mittwoch deswegen mit mehreren Verbündeten um sich derer Unterstützung zu | |
versichern, unter anderem auch mit Deutschland und Schweden. Beide Länder | |
hatten zuletzt ebenfalls diplomatische Verwicklungen mit den Saudis. | |
Die Beziehungen zwischen Ottawa und Riad gelten schon länger als | |
angespannt. Vor wenigen Wochen hatten die kanadischen Behörden Ensaf | |
Haidar, die Frau des [4][in Saudi-Arabien inhaftierten Regimekritikers und | |
Bloggers Raif Badawi], eingebürgert. Auch das hatte in Riad für Verstimmung | |
gesorgt. | |
9 Aug 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://twitter.com/cafreeland/status/1025030172624515072 | |
[2] /Saudi-Arabien-reagiert-auf-Kritik/!5526537 | |
[3] /Kommentar-Saudi-Arabien-und-Kanada/!5521392 | |
[4] /Kommentar-Charlie-und-Saudi-Arabien/!5024325 | |
## AUTOREN | |
Jörg Michel | |
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