# taz.de -- Antisemitismusbeauftragter in BaWü: Ein Mann, ein Mythos | |
> Michael Blume ist der Antisemitismusbeauftrage von Baden-Württemberg. | |
> Einst verdächtigte ihn der Staatsschutz der Nähe zu Islamisten. | |
Bild: Demo gegen Antisemitismus im Juli 2018 in Bonn | |
STUTTGART taz | Der Antisemitismusbeauftragte des Landes hat seinen | |
Schreibtisch in einem kleinen Büro mit Dachschräge. Eine bescheidene | |
Wirkungsstätte, aber Michael Blume fühlt sich hier wohl. Auf dem Gang | |
hängen Fotos aus dem syrischen Rakka. Andenken an seine bisherige Aufgabe: | |
das Rettungsprogramm gegen den Völkermord des IS an den Jesiden. 13-mal | |
waren er und sein Team seit 2015 vor Ort, haben mehr als tausend Jesidinnen | |
und ihre Kindern nach Baden-Württemberg geholt und ihnen hier ein neues | |
Leben ermöglicht. Darunter war auch die inzwischen [1][weltweit bekannte | |
Aktivistin Nadja Murat]. | |
Jetzt beschäftigt sich Blume hauptberuflich mit alten Vorurteilen, die seit | |
Jahrhunderten zu Pogromen und Völkermord geführt haben und einfach nicht | |
totzukriegen sind. Im Baden-Württembergischen Landtag sitzt ein | |
AfD-Politiker, der in seinen kruden Schriften den Juden die alleinige | |
Schuld an den Kriegen im nahen Osten gibt. Und deutsche Rapper verbreiten | |
millionenfach Stereotype über jüdisch-kapitalistische Weltverschwörungen. | |
Michael Blume ist überzeugt: Das Internet ist heute der wichtigste | |
Beschleuniger von Antisemitismus und anderen „Verschwörungsmythen“. Mythen, | |
nicht Theorien, da ist der Religions- und Politikwissenschaftler genau. | |
„Theorien müssen der wissenschaftlichen Überprüfung standhalten“, erklä… | |
er. Man könnte sagen, der unauffällige Mann mit der silbernen Brille und im | |
Kurzarmhemd ist Experte für Verschwörungsmythen. Nicht nur als | |
Religionswissenschaftler, Buchautor und Vortragsreisender setzt er sich mit | |
diesem Phänomen auseinander. Er weiß sogar, wie es sich anfühlt, wenn man | |
selbst Opfer eines Verschwörungsmythos wird. | |
Es war im Sommer 2003, die Gesellschaft stand noch unmittelbar unter dem | |
Schock der Anschläge auf das World Trade Center. Der junge Politik- und | |
Religionswissenschaftler Michael Blume hatte gerade als Islambeauftragter | |
eine Teilzeitstelle im baden-württembergischen Staatsministerium | |
angetreten. Das Besondere an Blume: Er sprach nicht nur über | |
interreligiösen Dialog, er lebte ihn damals auch schon täglich – zusammen | |
mit seiner Frau, einer türkischstämmigen Muslima, die er schon seit der | |
Schulzeit kennt. Außerdem hatte der Wissenschaftler einen | |
christlich-islamischen Gesprächskreis gegründet, lange bevor das Thema | |
durch Nine-Eleven plötzlich im Fokus stand. | |
Blume, heute 42, damals gerade Familienvater geworden, war froh über den | |
vielversprechenden Job in Erwin Teufels Staatsministerium. Doch dann | |
reichten die Stuttgarter Nachrichten per Fax Fragen „zum Fall Blume“ ein. | |
Der neue Mitarbeiter habe im Rahmen seiner Magisterarbeit über die „Öffnung | |
des Islam durch eine islamische Elite“ auch Kontakt mit Islamisten gehabt | |
und ihnen auch nach seinem Eintritt in den Staatsdienst E-Mails | |
geschrieben. Blume erklärt die Kontakte mit seinem wissenschaftlichen | |
Interesse. Man könne ja nicht nur mit jenen reden, sagte er, die einem | |
gefallen. | |
Den Reporter der Stuttgarter Nachrichten überzeugte das nicht – wurde er | |
doch vom Landesamt für Verfassungsschutz in seinen Befürchtungen bestätigt. | |
Auch die Schlapphüte zeigten sich besorgt über Blume und seine Kontakte, | |
und so genügten die vagen Zusammenhänge und Zitate des Verfassungsschutzes | |
für die Schlagzeile: „Reicht der Einfluss von Islamisten mittlerweile bis | |
in Baden-Württembergs Regierungszentrale?“ | |
Wäre Blume ein U-Boot gewesen, wäre seine Legende besonders klug gewählt. | |
Er war damals nicht nur jahrelanges CDU-Mitglied und Stadtrat in seiner | |
Heimatstadt Filderstadt. Auch der Rest seines Lebenslaufs liest sich wie | |
eine Blaupause für einen braven, konservativen Beamten. Die Eltern sind aus | |
der DDR geflohen, er wächst in bescheidenen Verhältnissen auf, absolviert | |
den Wehrdienst, macht vor dem Studium eine Banklehre. Seine Frau kennt er | |
schon aus Schulzeiten, sie haben sich im Ethikunterricht einer katholischen | |
Schule kennen. Typisch für Verschwörungsmythen, dass solche Fakten den | |
Verdacht nicht zerstreuen, sondern nur verfestigen. | |
Blume hat Glück: Teufels Staatsminister Christoph Palmer will erst mal | |
Beweise für die angebliche Unterwanderung durch seinen Mitarbeiter sehen. | |
„Hätte sich der Minister damals nicht im Landtag hinter mich gestellt, | |
hätte mich das leicht den Job kosten können“, sagte Blume heute. | |
## Der damalige Berufsanfänger überstand die Kampagne | |
So aber überstand der damalige Berufsanfänger die Kampagne gegen ihn. | |
Später wurde er verbeamtet und konnte in der Landesregierung Karriere | |
machen: erst als Stabsstellen- und Referatsleiter, dann unter dem Grünen | |
Winfried Kretschmann als Leiter für die Jesidinnen-Mission und jetzt eben | |
als Antisemitismusbeauftragter des Landes Baden-Württemberg. | |
Rückblickend ist Blume inzwischen überzeugt: „Das war damals keine Intrige, | |
die sich gegen mich als Person gerichtet hat. Die waren wirklich davon | |
überzeugt, ein U-Boot der Islamisten erwischt zu haben.“ Auch das ist ein | |
Merkmal von Verschwörungsmythen: Sie sind dann erfolgreich, wenn es Leute | |
gibt, die an sie glauben oder glauben wollen. | |
Jetzt, als Antisemitismusbeauftragter, arbeitet Michael Blume immer wieder | |
mit dem Verfassungsschutz zusammen. „Ganz problemlos“, sagt der | |
Staatsdiener. Aber gewisse Vorbehalte bleiben wohl. Eine spätere Aussprache | |
mit dem Abteilungsleiter Islamismus, der damals in den Stuttgarter | |
Nachrichten mit seinem Verdacht zitiert wurde, lässt Blume bis heute an den | |
Fähigkeiten der Verfassungsschützer zweifeln. | |
Sie hätten sich eben gefragt, wie sich Blume sein Studium finanziert habe, | |
sagte der Mann damals entschuldigend. Dabei hätte eine Anfrage bei der | |
Parteistiftung der CDU gereicht. Blumes Promotion haben nicht Islamisten | |
bezahlt. Es war die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung. | |
19 Aug 2018 | |
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## AUTOREN | |
Benno Stieber | |
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Andreas Geisel | |
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