# taz.de -- Die Wahrheit: Hunde in Hohwacht | |
> Mit Kind und Kegel unterwegs sein an der Ostsee ist zur Grillsaison nicht | |
> ungefährlich. Doch wenigstens geht es nicht latent so ekelig zu wie am | |
> Hundestrand … | |
Bild: Aufgewühlte Wellen in der Ostsee | |
Drei Nächte in Hohwacht. Ostsee. Kurz vor Fehmarn links. Hier am Strand vor | |
dem „Genueser Schiff“ scheint eine Hundeschau zu sein. Nein, hier ist der | |
„Hundestrand“. Offenbar sind sämtliche Hundebesitzer der Republik hier | |
zusammengekommen. Von Taschenformat bis Wolfshund ist alles vertreten. Noch | |
vielfältiger und erstaunlicher sind nur noch „Frauchen“ und „Herrchen“. | |
Ich sitze gediegen am Strand und lese in einer Tageszeitung, dass man in | |
großstädtischen Parks das „wilde Grillen“ einschränken will, weil sich | |
Kinder beim Spielen schwerste Verbrennungen zugezogen haben. Sie waren in | |
die nur oberflächlich zugeschüttete, noch glühende Grillkohle getreten oder | |
gefallen. | |
Ich schaue auf. Ein Frauenpaar kommt am Strand entlang, im ersten Moment | |
sympathisch, aufgedreht, laut, fröhlich, begleitet von zwei dagegen | |
erstaunlich ruhigen Hunden. Die beiden Mischungen in schwarz-grau und | |
struppig sehen aus, als ob sie sich jeden Augenblick von Ernst Kahl | |
porträtieren lassen wollten. Kahl ist der wohl großartigste Hundemaler | |
Deutschlands. Von ihm stammt auch der Evergreen „Der schönste Hund im Rudel | |
– das ist und bleibt der Pudel“. Von ihm hängt auch ein Bild hier im Hotel: | |
„Hohwacht ist ein anderes Wort für Sehnsucht – Rex Gildo“, darunter | |
gezeichnet ein Mann am Strand als Seehund. Toll! | |
Die beiden Damen nähern sich weiter mit den Mischungen. Plötzlich hockt | |
sich der größere Hund hin. Und pisst. Ich denke: Na ja! Drei Meter weiter | |
hockt er sich wieder hin. Und kackt. Keine sieben Meter von uns entfernt. | |
Das „Frauchen“ schaufelt lässig etwas Sand auf die Exkremente und geht | |
fröhlich weiter. Ich denke: Sagst du jetzt was, oder ist Urlaub? Aber was, | |
wenn es Grillkohle wäre? | |
Kaum an uns vorbei, hockt der Hund sich schon wieder hin. Frauchen | |
schaufelt erneut Sand. Obwohl ich gegen den Wind anreden muss, sag ich was. | |
Ich war mal Achtersteuermann, man hört mich gut, auch gegen den Wind. Auch | |
die Damen hören mich so gut, dass sie mich nicht ignorieren können. | |
Ich sag: „Ich glaub, es hackt!“ Sie: „Was denn?“ Ich: „Du kannst doch | |
deinen Hund nicht einfach an den Strand kacken lassen. Hier spielen | |
Kinder!“ – „Aber ich schaufel das doch zu!“ Ich sag: „Da ist die Kacke | |
jetzt höchstens paniert!“ Sie: „Soll ich die in die Hand nehmen?“ Ich sa… | |
„Klar! Wenn du zu blöd bist, eine Tüte mitzunehmen für deine Tölen wie | |
jeder vernünftige Mensch hier!“ – „Und dann soll ich das die ganze Zeit | |
tragen?“ Jetzt erst hört sie meinen Nebensatz: „Und meine Hunde sind keine | |
Tölen, du Arsch!“ | |
Ich sag: „Ist klar, das Problem ist immer am oberen Ende der Leine.“ Sie: | |
„Was willst du eigentlich?“ Ich sag: „Das ist das Gleiche wie mit der | |
Grillkohle!“ Sie, nun sichtlich verwirrt: „Was hat meine Hundekacke denn | |
mit Grillkohle zu tun?“ Ich fürchte, bis ich ihr das erklärt habe, ist mein | |
Urlaub vorbei. | |
Was sind das eigentlich für Menschen, mit denen man sich Hund und Strand | |
teilt? | |
14 Aug 2018 | |
## AUTOREN | |
Bernd Gieseking | |
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