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# taz.de -- Die Wahrheit: Grüßtrottel hoch fünf
> Warum werden aus unbescholtenen Erwachsenen wild herumfuchtelnde
> Teenager, sobald sie die Honneurs zu machen oder Freude auszudrücken
> haben?
Um mich herum werden alle älter, sogar ich lege an Jahren zu, aber ich
stehe wenigstens dazu. Die Jugendlichkeit vieler Freunde nimmt allerdings
beängstigende Ausmaße an. In Gesten und Worten wollen sie mindestens so hip
sein wie ihre Kinder, die in zwei Monaten aus Neuseeland zurückkommen. In
der Zwischenzeit ohne Nachwuchs muss irgendetwas passiert sein. Eltern
regredieren zu Jugendlichen.
Sobald es irgendwas Schönes zu beweihräuchern gibt, heißt es: „Komm, schlag
ein!“ Und eine Hand wird für „High five“ hochgerissen. Ich vermisse den
guten, alten Handschlag als Gratulations- und Begrüßungsritual. Für alles
andere bleibt die Faust in der Tasche. Aber selbst engste Freunde sitzen
mitten in Dortmund in der Porree-Bar, einem der schönsten Gartenlokale der
Welt, und klatschen sich ab, sobald der BVB ein Tor geschossen hat.
Westfalia on Dope.
Vor Jahren begann das mit Kollege Mark-Stefan. Ein sonst sehr sympathischer
Mann, Westfale aus Münster, also kein richtiger Westfale, schon mit
universitärem Hautgout durch runde Brille, Locken, einem jungen Roger
Daltrey gleich, und mit stetem Surfer-Lächeln bewaffnet. Plötzlich rief er:
„Komm – Fistbump!“ Dabei rammt man vorsichtig die geschlossenen Fäuste
gegeneinander. Damit es nicht wehtut.
Damals war das noch im höchsten Maße ironisch gemeint. Heute hat der
„Fistbump“ einen eigenen Wikipedia-Eintrag! Traf man Mark-Stefan, so
parodierte man als Grüßender mit ihm die Gesten großer Amerikaner. Die
allerdings haben gerade durch eine Sportart wie Basketball, eine mit vielen
Torerfolgen, endlose und Kegel unterwegs sein an der Ostsee ist zur
Grillsaison nicht ungefährlich. Doch wenigstens geht es nicht latent so
ekelig zu wie am Hundestrand …„Bumpshake“-Variationen entwickelt. Dort
hätte es bleiben können.
Für einen Mathematik-Hasser wie mich wird das „Hoch fünf“ zur Tortur.
Überall strecken sich Hände hoch und wollen freudig geschlagen werden.
Selbst von engsten Freunden und sogar in West- und Ostwestfalen, wo man es
sonst ruhiger und distanzierter angehen lässt als im Rest der Republik.
Ganz albern wird es, wenn aus dem lässigen englischen „Gimme five“ das
steife deutsche „Gib mir fünf“ wird. „Gib mir fünf“ kann niemals iron…
gemeint sein. Es dampft nach Kartoffeln, Sauerkraut und Braten. Wobei:
Nichts gegen Sauerkraut!
Im Internet kursieren Videos über das richtige Grüßen – von „High five“
über „Low five“ bis zu „Drive by five“ – im Vorübergehen. Es gibt d…
„Softpunch“ und den „Double five“ und so weiter. Das einzige akzeptable
„High five“ in Deutschland ist, wenn meine Eltern unter Absingen alter
Handwerkslieder den traditionellen Zimmermannsklatsch zelebrieren.
Aber die Zeiten sind gegen mich, und „Handhygiene“ ist gefragt, denn die
Grippewelle rollt: Beim „Fistbump“ werden 90 Prozent weniger Bakterien
übertragen. Beim „High five“ immer noch 50 Prozent weniger. Und die anderen
50 Prozent fliegen dann als freie Radikale durch die Gegend wie die
Schweißtropfen von Rocky nach einem harten Treffer.
5 Feb 2019
## AUTOREN
Bernd Gieseking
## TAGS
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Rituale
Gomera
Deutsche Bahn
Höflichkeit
Schweden
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