# taz.de -- Verbotene deutsche NGO: Wie gefährdet man Russland? | |
> Die russische Generalstaatsanwaltschaft bestätigt: Die deutsche | |
> Organisation EPDE ist unerwünscht. Was die genauen Gründe dafür sind, | |
> sagt sie nicht. | |
Bild: Ein Nationalist stößt einen Demonstranten bei einem Protest gegen Wladi… | |
Die russische Generalstaatsanwaltschaft hat in einem Schreiben an die taz | |
bestätigt, dass der deutschen Organisation European Platform for Democratic | |
Elections in Russland [1][unerwünscht ist]. Aber sie sagt nicht, welche | |
Taten sie der Organisation konkret vorwirft. | |
In dem dreiseitigen Brief der Behörde heißt es zwar allgemein, | |
nichtstaatliche Organisationen, die eine Gefahr für die Grundlage der | |
verfassungsmäßigen Ordnung der Russischen Föderation, die | |
Verteidigungsfähigkeit des Landes oder die Sicherheit des Staates | |
darstellt“, könnten für unerwünscht erklärt werden. Aber mit welchen | |
Handlungen genau EPDE zum Beispiel die Sicherheit des russischen Staates | |
gefährdet haben soll, geht aus dem dreiseitigen Brief nicht hervor. | |
„EPDE hat gegen kein Gesetz in Russland verstoßen, daher ist diese | |
Einstufung willkürlich gegen uns und unsere Mitgliedsorganisationen | |
gerichtet, die sich für freie und faire Wahlen in ganz Europa einsetzen“, | |
sagt Stefanie Schiffer, die Vorsitzende von EPDE. „Wir fordern daher | |
weiterhin die unverzügliche Zurücknahme der Listung durch die russischen | |
Behörden.“ | |
[2][Im März war EPDE, die mit Wahlbeobachtern in mehreren postsowjetischen | |
Ländern zusammenarbeitet], auf der Liste der unerwünschten Organisationen | |
des russischen Justizministeriums aufgetaucht. Als erste deutsche NGO | |
überhaupt. Und kurz vor den Präsidentschaftswahlen am 18. März. | |
Zuvor hatten regierungstreue Fernsehsender heimliche Videoaufnahmen und | |
Telefonmitschnitte der EPDE-Vorsitzenden Stefanie Schiffer und der | |
Gründerin der russischen Wahlbeobachtungsbewegung Golos, Lilia Schibanowa, | |
ausgestrahlt. Diese sollten suggerieren, Schiffer und Schibanowa wurden | |
sich gegen Russland verschwören. | |
Im Auswärtigen Amt bemühte man sich nach taz-Informationen darum, dass EPDE | |
wieder arbeiten kann, aber bisher war das offenbar erfolglos. Die | |
Mitglieder von EPDE beobachten in Russland selbst keine Wahlen, aber sie | |
machen die Ergebnisse ihrer Partnerorganisationen in Westeuropa bekannt, | |
indem sie diese zum Beispiel auf ihrer Webseite veröffentlichen. | |
Partner in Russland können verfolgt werden | |
Schiffer reagierte auf das De-Facto-Verbot, indem sie die Zusammenarbeit | |
mit Golos stark einschränkte. Sie sieht die Schritte gegen ihre | |
Organisation vor allem als Schritte gegen ihre Kooperationspartner. Die | |
angedrohten Strafen für Institutionen und Personen, die mit unerwünschten | |
Organisationen zusammenarbeiten, reichen von hohen Geldstrafen bis zu sechs | |
Jahren Gefängnis. | |
„Das ist alles nur ein Mittel, der Zweck ist ein ganz anderer“, sagt auch | |
Lilia Schibanowa im Gespräch mit der taz. „Alle russischen Staatsbürger, | |
die jetzt noch mit EPDE zusammenarbeiten, können nun nach dem russischen | |
Gesetzbuch verfolgt werden.“ Schibanowa war selbst Mitglied im Sekretariat | |
von EPDE, hat sich aber zurückgezogen. | |
EPDE-Chefin Schiffer sitzt auch im Vorstand des Petersburger Dialogs, eine | |
regelmäßige Tagung, die die Gesellschaften Deutschlands und Russlands | |
miteinander ins Gespräch bringen soll. Der Vorsitzende des Petersburgers | |
Dialogs, Ronald Pofalla (CDU), sagte Anfang Mai, bei dem De-Facto-Verbot | |
von EPDE handele sich [3][um einen „Versuch der Einschüchterung“, deshalb | |
müsse es zurückgenommen werden.] | |
Arbeiten kann die Organisation von Stefanie Schiffer faktisch nicht mehr. | |
Alexander Igorewitsch Kurrenoj, der Leiter der Pressestelle der | |
Generalstaatsanwaltschaft, zählt auf, was EPDE in Russland alles nicht mehr | |
darf: Sie darf keine „Unterabteilung“ in Russland gründen, Banken und | |
Kreditinstitute sind verpflichtet, „Operationen mit Geldmitteln und (oder) | |
anderem Eigentum zu verweigern“, sie darf keine Informationsmaterialen | |
verbreiten oder auch nur aufbewahren und Mitglieder von EPDE dürfen keine | |
Firmen oder Vereine gründen. | |
Beschweren könnte man sich. Aber wie? | |
Kurrenoj schreibt dann noch, EPDE könne sich beim Generalstaatsanwalt über | |
die Entscheidung beschweren oder vor Gericht ziehen. Nur ist der Klageweg | |
vor Gericht in dem Gesetz über die unerwünschten Organisationen überhaupt | |
nicht vorgesehen. Bei den Lesungen des Gesetzesvorhabens im Parlament wurde | |
das zwar angesprochen, aber geregelt wurde das Verfahren von der Duma dann | |
doch nicht. | |
„Das Gesetz ist unbeholfen erstellt“, sagte beispielsweise Sergej Nikitin | |
von [4][Amnesty International Russland]. [5][“Es ist unklar, wie wir | |
handeln sollen, wenn wir als unerwünscht beschimpft werden.“] | |
Die Venedig-Kommission des Europarates, die osteuropäische Staaten in | |
Rechtsfragen berät, schreibt, [6][das Gesetz widerspreche „grundlegenden | |
Prinzipien der demokratischen Gesellschaft“,] weil es Staatsorganen | |
„unbegrenzte Macht in Fragen gewährt wird, die fundamentale Rechte | |
betreffen.“ | |
Die [7][NGO „Open Russia“] des lange in Russland inhaftierten ehemaligen | |
Oligarchen [8][Michail Chodorkowski], hat 2017 vor einem | |
Bezirks-Verwaltungsgericht in Moskau gegen die Einordnung als unerwünschte | |
Organisation geklagt und [9][scheiterte damit in erster Instanz]. | |
Die EPDE hat im Mai ebenfalls ein Schreiben aus Russland erhalten und zwar | |
vom Außenministerium. Die Gesetze , die festlegen, wer wen in Russland auf | |
die Liste der unerwünschten Organisationen setzen kann, sind schwammig | |
formuliert. Solche Entscheidungen treffen der Generalstaatsanwalt oder sein | |
Stellvertreter in Absprache mit dem Außenministerium; wer da allerdings | |
genau was mit wem wie besprechen muss, weiß niemand wirklich genau. | |
„taz arbeitet nicht für EPDE“ | |
In diesem Brief, den der Direktor der Abteilung für internationale | |
Organisationen im Ministerium unterzeichnet hat, werden die Gründe etwas | |
konkreter, aus denen die Machthaber in Moskau gegen EPDE vorgehen. | |
Jedenfalls lässt sich die Passage so lesen, in der sich der Autor des | |
Briefes in Schilderungen darüber ergeht, was eine Organisation wie EPDE | |
nicht tun sollte: „Doppelte Standards vermeiden, sich nicht mit | |
Manipulationen und der Verzerrung von Fakten beschäftigen“ und nicht zur | |
„Destabilisierung der gesellschaftlich-politischen Lage“ beitragen. | |
„Die Anzeichen einer derart destruktiven Arbeit wurden jedoch durch unsere | |
Experten in der Tätigkeit der NGO „Europäische Plattform für Demokratische | |
Wahlen festgestellt“, heißt es in dem Schreiben weiter. | |
Die taz hatte die russische Generalstaatsanwaltschaft auch gefragt, ob sie | |
sich um die nach russischem Recht wahrscheinlich illegalen heimlichen | |
Video-Aufnahmen und Telefonmitschnitte von Stefanie Schiffer und Lilia | |
Schibanowa kümmert, die russische TV-Sender ausgestrahlt haben. In der | |
Antwort heißt es, natürlich könnten sich „Bürger melden, deren | |
Telefongespräche veröffentlicht wurden.“ | |
Aber Pressesprecher Kurennoj findet, Informationen über das Handeln seiner | |
Behörde stünden Journalisten der taz nicht zu. Der Grund: Sie arbeiten | |
nicht im Auftrag von Schiffer und Schibanowa. Er schreibt: „Dokumente, die | |
bestätigen, dass Sie die Interessen solcher Personen vertreten, liegen | |
nicht vor.“ | |
14 Jul 2018 | |
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[1] /static/pdf/RUGStA.PDF | |
[2] /Archiv-Suche/!5499573&s=Daniel+Schulz+Die+Unerw%C3%BCnschten/ | |
[3] https://www.tagesspiegel.de/politik/deutsch-russisches-verhaeltnis-berliner… | |
[4] https://amnesty.org.ru/ru/2015-05-15-russia/ | |
[5] https://www.kommersant.ru/doc/2780647 | |
[6] http://www.venice.coe.int/webforms/documents/default.aspx?pdffile=CDL-AD(20… | |
[7] https://themoscowtimes.com/news/russia-bans-khodorkovskys-open-russia-websi… | |
[8] /!5143623/ | |
[9] http://www.pravda.info/news/154543.html | |
## AUTOREN | |
Daniel Schulz | |
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