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# taz.de -- Hanf-Handel erobert Frankreich: High-Gefühl dank EU
> Durch eine Gesetzeslücke entsteht im restriktiven Frankreich eine
> Coffeeshop-light-Szene. Auslöser ist eine EU-Vorschrift.
Bild: Umkämpft in Frankreich: Cannabis
PARIS taz | „Le Lab du Bonheur“– zu Deutsch „Das Glückslabor“ – st…
der Ladenfront in der Rue de Malte. Drinnen steht der 29-jährige Pierre
Gozlan im weißen Laborantenkittel in seinem winzigen Ladengeschäft zwischen
Kapseln, Pomaden und ätherische Ölen, zwischen Bonbons, Kaffee und
Zahnpasta. Doch ein Arzt oder Apotheker ist Gozlan nicht, aber vielleicht
ein schlauer Geschäftsmann: Der Ladeninhaber hat im 11. Arrondissement der
französischen Hauptstadt einen der ersten Coffeeshops in Paris aufgemacht.
Es ist eine Art „Coffeeshop light“. In seiner Auslage sind
Cannabis-Produkte zu finden, die kaum THC, den wegen seiner psychotropen
Wirkung als Droge verbotenen Wirkstoff, enthalten. Die hier erhältlichen,
würzig riechenden getrockneten Pflanzen und Produkte enthalten dagegen in
größeren Mengen Cannabidiol (CBD). Und dieser Stoff steht nicht auf der
Liste der verbotenen Betäubungsmittel.
Darauf berufen sich Gozlan und andere dieser neuen Riege der
Coffeeshop-Gründer in Frankreich. Ungefähr ein Dutzend gibt es
mittlerweile, davon die Hälfte in Paris. Erst seit diesem Frühjahr haben
die Ladenbesitzer entdeckt, dass die Europäische Union anders als
Frankreich den Handel mit Hanfprodukten, die weniger als 0,2 Prozent THC
enthalten, erlaubt.
Brüssel unterscheidet seit Langem entsprechend dem THC-Gehalt zwischen
banalem Hanf und Cannabis mit psychoaktiver Wirkung. Dazu wurde zuerst die
maximal tolerierte Grenze auf 0,5 Prozent festgelegt, dann auf 0,3 Prozent
gesenkt und zuletzt 1999 (nicht zuletzt auf französisches Drängen) auf 0,2
Prozent.
## Haschischbesitz ist verboten
Laut französischem Strafgesetzbuch wären eigentlich nicht nur Anbau und
Verarbeitung, Transport und Handel (Verkauf und Ankauf, Import und Export)
verboten, auch der bloße Besitz und persönliche Konsum von Haschisch oder
„Gras“ kann mit bis zu einem Jahr Gefängnis bestraft werden.
Was gilt also: die EU-Höchstgrenze für THC oder das nationale Verbot?
Prinzipiell hat das EU-Recht zwar Vorrang vor der nationalen Gesetzgebung.
Dennoch ist Gozlan besorgt. „Ich habe meine ganzen persönlichen Ersparnisse
investiert, rund 20.000 Euro, die ich in den drei letzten Jahren mit einem
Job in der Finanzbranche auf die Seite legen konnte“, sagt er. Gozlan muss
befürchten, dass die Behörden einen Vorwand finden, um seinen Laden
zuzumachen. Denn diesen ist alles, was sich Cannabis nennt oder danach
riecht, höchst verdächtig.
In den vergangenen Wochen haben andere Cannabis-Shops in Paris bereits
Besuch von Polizeibeamten der Drogenbrigade erhalten, die bei ihrer
Durchsuchung Produkte konfisziert haben. In einer Voruntersuchung samt
chemischer Analyse soll nun geprüft werden, ob die verkauften
Cannabis-„Ultralight“-Produkte nicht doch unter das Betäubungsmittelverbot
fallen. Es dürfte auch die Absicht der Behörden sein, mit solchen
einschüchternden Polizeiaktionen die Öffnung weiterer solcher Läden mit
Cannabis-Produkten zu verhindern – oder interessierte Kunden abzuschrecken.
## Ein enormes Geschäftsrisiko
Seine Waren importiere er persönlich aus der Schweiz und zum kleineren Teil
aus Spanien, sagt Gozlan. Stolz zeigt er die gedruckten Resultate der
Analyse eines Schweizer Labors im Kanton Solothurn, das den sehr geringen
THC-Gehalt der geprüften Produkte auf ein Milligramm pro Kilo genau
bescheinigt. Er weiß aber auch, dass er sich bei jedem Grenzübertritt auf
eine Kontrolle von französischen Zollbeamten einstellen muss, die im
Zweifelsfall nicht zwischen Cannabis mit und ohne THC unterscheiden können
– oder wollen. Schon eine vorübergehende Beschlagnahmung wäre für ihn ein
enormes Geschäftsrisiko.
Eine Marktlücke sind die Cannabis-Produkte auf jeden Fall. Der Absatz in
Paris ist so groß, dass sich im ersten Coffeeshop, der in Paris an der Rue
Amelot eröffnete, eine Warteschlange bildete, und nach drei Stunden war der
Laden ausverkauft. Im „Lab de Bonheur“ an der Rue de Malte freut sich der
junge Inhaber noch über jede Werbung, die französische Medien mit ihren
Reportagen indirekt für ihn machen.
Gozlan sagt, seine Produkte würden das Wohlbefinden fördern. Er hütet sich
jedoch, explizit von „Medikamenten“ mit pharmazeutischen Qualitäten zu
reden, denn das könnte ihm eine Strafklage wegen Verstoß gegen die
Arzneimittelgesetzgebung einhandeln. „Ich möchte damit auf den
therapeutischen Aspekt meiner Produkte hinweisen, das gehört zu meinem
Konzept“, erklärt er seine Arbeitskleidung, den weißen Laborantenkittel.
## Der Ruf des Verbotenen
Die Käuferschaft ist unterschiedlich. Längst nicht alle von ihnen sind oder
waren regelmäßige Cannabis-Konsumenten. Der etwa 40-jährige Marc, der
seinen richtigen Namen nicht genannt wissen möchte, will die Hanfblüten als
Tee zur Entspannung konsumieren. Da er selbst nicht rauche, komme etwas
anderes nicht infrage, sagt er.
Viele Kunden sind weniger gesprächig bezüglich ihrer Verwendung der
getrockneten Pflanzen mit Namen wie „Silver“, „Black Cherry“ oder „Ch…
Wahrscheinlich hat der Shop in der stillen Seitenstraße neben dem Platz La
République einen Ruf des Verbotenen. Vielleicht auch deswegen zögert eine
etwa 70-Jährige und geht dreimal am Laden vorbei, bevor sie schließlich das
Geschäft betritt und neugierig die Auslage in Augenschein nimmt.
Das Angebot, das den „natürlichen“ Aspekt der Produkte unterstreicht,
interessiert sie. „Nie im Leben“ würde sie aber Cannabis bei Dealern
kaufen, sagt sie – vor allem aus Angst vor Risiken.
Doch ihr und den Geschäftsinhabern droht bereits die Gesundheitsministerin
Agnès Buzyn: „In spätestens ein paar Monaten gibt es diese Läden nicht
mehr“, sagt die Ärztin. Sie möchte die Coffeeshops, die zu ihrem Ärger
plötzlich überall eröffnen, am liebsten kriminalisieren. Buzyn spricht von
einer missbräuchlichen Interpretation des Rechts durch diese neuen
Cannabis-Händler.
Sie möchte, dass die Gesetze entsprechend präzisiert werden. Und das,
obwohl auch sie als Ärztin gewisse therapeutische Qualitäten wie die
entspannende Wirkung von CBD anerkennt. Klar sei für sie: Falls Cannabis
eines Tages als Medikament eingesetzt werden sollte, werde dieses bestimmt
nicht von findigen Coffeeshop-Unternehmern vertrieben, die dank einer
Rechtslücke bloß schnelles Geld verdienen wollten.
3 Aug 2018
## AUTOREN
Rudolf Balmer
## TAGS
Cannabis
Hanf
Coffeeshop
Schwerpunkt Frankreich
Lesestück Recherche und Reportage
St. Pauli
Polizei Berlin
Cannabis
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